Frau Böttinger, wie gut können Sie loslassen?

Ich übe das jetzt gerade. Andererseits habe ich auch schon häufiger losgelassen, zum Beispiel Anfang der 90er Jahre bei "Palazzo", einer wunderbaren Medienshow. Ich hatte damals schlicht zu viel zu tun. Aber wenn etwas toll ist, dann kann man auch gut loslassen. Natürlich bin ich gespannt, wie sich die Zeit nach dem "Kölner Treff" für mich anfühlen wird. Ich bin jedoch bester Dinge, weil es ein selbstbestimmter Abschied ist und weil dieser Abschied auch ein Stück Freiheit bedeutet. 30 Jahre Freitagabend-Talk sind für ein Leben genug. Ich möchte gerne weiter aktiv bleiben, aber den Moderationsjob überlasse ich jetzt gerne anderen, auch wenn ich der Sendung als Produzentin verbunden bleibe, weil mein Herz noch immer daran hängt.

Sie produzieren aktuell neue Folgen von "Böttinger. Wohnung 17" – quasi das visuelle Spin-Off Ihres Podcasts, den der WDR im vergangenen Jahr beendete. Damals fiel Ihnen der Abschied allerdings schon schwer, oder?

Weil da der Abschied recht plötzlich kam. Das fand ich schade, denn wir hatten mit dem Podcast noch einiges vor. 

Das war das erste Mal, dass Sie sauer auf den WDR waren?

Das kann man so nicht sagen, (schmunzelt), aber wir haben das besprochen. Mit Andrea Schafarczyk, Programmdirektorin des WDR, habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Sie hat sich bei mir erklärt und so war die Sache für mich erledigt.

In Ihrem Podcast hatten Sie Themen behandelt, die ansonsten in dieser Tiefe eher selten einen Platz finden.

Es war unser Ansatz, eine Art Archiv von queerem Leben in unserer heutigen Gesellschaft zu zeichnen. Das ist uns in über 50 Folgen gut gelungen. In den TV-Folgen, die wir nun machen, wird der Schwerpunkt nicht mehr so sehr auf "Queer" liegen. Vielmehr ist es mein Bedürfnis, längere Gespräche zu führen. Das jetzige Format bietet diese Gelegenheit, denn ich bin den ganzen Tag mit meinen Gästen in meiner eigenen Wohnung zusammen. Wir sprechen miteinander, wir kochen zusammen. Dadurch entsteht zwangsläufig eine gewisse Intensität.

Wann wussten Sie, dass Sie Journalistin werden möchten?

Das war während meines Studiums. Um genau zu sein, wusste ich es seit einem winzig kleinen Artikel, den ich über den Geburtstag eines Gewerkschafters geschrieben habe. Bis dahin hatte ich mir bei all meinen Arbeiten, die ich im Studium verfasste, die Frage gestellt, ob das wirklich jemand liest. Nach diesem konkreten Artikel rief jedoch besagter Gewerkschafter bei mir an – und ich merkte plötzlich, dass sich Menschen für das interessieren, was ich schrieb. Von diesem Moment an war mir klar: In diesem Beruf bleibe ich. Danach ging es sukzessive weiter, erst zum Hörfunk und schließlich zum Fernsehen.

Was machte damals für Sie den Reiz des Fernsehens aus?

Ich war beim Radio sehr glücklich. Dass ich zum Fernsehen gekommen bin, war eher dem Zufall geschuldet, weil man mich als Leiterin der WDR-Redaktionsgruppe "Hier und heute" vorschlug. 

Sie sind allerdings schon recht schnell vom ernsten Fach in den unterhaltenden Bereich gewechselt.

Anfang der 90er Jahre kam "Palazzo" parallel dazu. Damals waren wir recht wild und konnten machen, was wir wollen. Wir haben uns bei niemandem beliebt gemacht, weil wir so frech waren. Annette Dittert war die Redakteurin, Matthias Kremin war der Musikredakteur – und zusammen haben wir drei uns alles ausgedacht. So machte man damals Fernsehen. Und das war auch der Grund, weshalb Friedrich Nowottny schließlich sagte: "Die kann doch moderieren! Wenn der Willemsen abspringt, soll sie es eben machen. Und wenn's nix wird, dann kräht da auch kein Hahn danach." Auf diese Weise bekam ich meine eigene Talkshow.

Ihre Talkshow "B.trifft…" wurde daraufhin ein großer Erfolg. Als Kind kam mir die Sendung stets etwas geheimnisvoll vor – alleine schon wegen dieser prägenden, fast schon verruchten Titelmusik.

In dieser Sendung stand immer eine gewisse Spannung im Raum, weil jede Sendung als Blind Date angelegt war. Wie gehen zwei Menschen miteinander um, die ein Thema verbindet, aber nicht wissen, dass sie sich gleich treffen? Das war viel journalistischer als später beim "Kölner Treff", wo es viel mehr auf die Rolle der Gastgeberin ankam.

Ist das Konzept mit beiden Gästen denn immer aufgegangen?

Es gab Konstellationen, die nicht so glücklich waren. Ich werde nie vergessen, dass die große Schauspielerin Rosel Zech auf den Berliner Chansonnier Tim Fischer treffen sollte. Was wir nicht wussten: Beide hatten sich zuvor geschworen, sich nie mehr im Leben zu begegnen. Und dann hatte ich die beiden da sitzen. (lacht) Ich weiß noch, wie Rosel Zechs Schritte immer langsamer wurden, als sie sah, mit wem sie sprechen sollte. Eine andere Sendung, an die ich mich gut erinnere, war jene mit Maria Schell. Heute weiß man, dass sie alkoholkrank war. Als ich sie zu Gast hatte, waren die Auswirkungen davon schon deutlich. 

Das merkt man als Moderatorin während der Sendung vermutlich relativ schnell.

Wir mussten da dann zusammen durch. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer war es sicher ein besonderes Erlebnis. Für mich allerdings auch.

Sind Sie froh gewesen, sich mit Ihren Sendungen in all den Jahren nicht in die politische Ecke entwickelt zu haben, wie es viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen taten, etwa Sandra Maischberger oder Markus Lanz?

Ich bin glücklich in der Unterhaltung, sage aber ganz selbstbewusst: Polittalk hätte ich auch gekonnt.

Aber hätten Sie es auch gewollt?

Ehrlich gesagt glaube ich, dass das, was ich gemacht habe, nicht nur unterhaltsamer, sondern auch spannender ist – und manchmal sogar konfrontativer. Damit will ich die Leistung meiner Kolleginnen und Kollegen nicht schmälern. Aber im Gegensatz zu ihnen weiß ich vorher in aller Regel nicht, was meine Gäste in der Sendung sagen werden. 

 

"Das, was heute beklagt wird – dass man sich nicht mehr zuhört, dass man andere Meinungen nicht gelten lässt, dass andere Erfahrungen uninteressant sind –, all das trifft auf uns nicht zu."

 

Nach welchen Kriterien werden die Gäste im "Kölner Treff" zusammengestellt?

Wir haben den Ansatz, die Runde bunt zu besetzen. Das betrifft das Alter und das Geschlecht. Außerdem sollen es nicht immer nur Promis sein. Wir haben in der Redaktion häufig ein geflügeltes Wort: "Die Papierlage ist gut – mach was draus!"

Wann ist die Papierlage besonders gut?

Die Papierlage ist immer dann besonders gut, wenn es gelingt, die gesamte Runde miteinander ins Gespräch zu bringen – über Grenzen hinweg. Das, was heute beklagt wird – dass man sich nicht mehr zuhört, dass man andere Meinungen nicht gelten lässt, dass andere Erfahrungen uninteressant sind –, all das trifft auf uns nicht zu. Wir machen das Gegenteil davon und haben vielleicht auch deshalb so einen großen Zuspruch.

Sie machen die Sendung seit 17 Jahren – trotz der Talkshow-Konkurrenz aus dem Norden und Osten. Anders als Ihre Kolleginnen und Kollegen moderieren Sie jedoch alleine. Wieso eigentlich?

Sie dürfen nicht vergessen, dass der Beginn des "Kölner Treff" vor 17 Jahren mit einer Doppelmoderation begann. Das war jedoch leider ein totaler Fehlschlag, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Die Quote der allerersten Sendung lag damals bei 2,8 Prozent. Das fällt in den Minusbereich, viel schlechter geht’s nicht. 

Woran hat's gelegen?

Das Konzept stimmte nicht und mein Kollege Achim Winter und ich passten vor der Kamera dann doch nicht so gut zusammen, wie wir es uns alle im Vorfeld erhofft hatten. Weil ich nach all den Jahren nicht als Verliererin vom Platz gehen wollte, habe ich damals wie eine Löwin um eine zweite Chance gekämpft, die mir der damalige Programmdirektor mir schließlich gab. Unter einer Bedingung: "Aber dann machen Sie es bitte alleine...". Ich habe mich in die Rolle der Gastgeberin hineingearbeitet und nach kurzer Zeit gespürt, wie toll es ist, die ganze Runde alleine zu dirigieren. 

 

"Ich habe aber auch deshalb den WDR in den 1990er als Festangestellte verlassen, weil es sehr viele homophobe Anfeindungen gegen mich gab. Das auszuhalten, war schwierig."

 

Aus der Notlösung ist also eine Ideallösung geworden. Aber die Idee, die Sendung "Kölner Treff" zu nennen und damit eine legendäre Talkshow aus den 70ern neu aufzulegen...

... fand ich anfangs komisch. Aber es gab auch gute Gründe, die dafür sprachen, die Sendung "Kölner Treff" zu nennen, schließlich ist der Name eine Marke und der WDR war gewillt, sie wiederzubeleben. Rückblickend betrachtet hat das ja auch gut funktioniert, auch wenn uns in all den Jahren immer mal wieder vorgeworfen wurde, wir seien zu Köln-zentriert. Dabei wollten wir das ganz bewusst nicht sein, wir wollten immer alle Regionen Nordrhein-Westfalens in der Sendung abbilden.

Sie bleiben dem "Kölner Treff" als Produzentin der Sendung mit ihrer Firma Encanto auch nach Ihrem Abschied treu. Wie blicken Sie von dieser Warte aus auf die Branche, die aktuell mit großen Herausforderungen zu kämpfen hat?

Das Marktumfeld ist schwierig. Überall muss eingespart werden und man hat im wahrsten Sinne des Wortes weniger Spielraum. 

Auch kreativ?

Beides hängt zusammen. Wenn Sie eine kreative Idee haben, dann brauchen Sie die finanziellen Möglichkeiten. Und wenn die nicht da sind, dann können Sie sich Ihre Kreativität in die Haare schmieren. Wir wollen meinen Rückzug beim "Kölner Treff" auch dazu nutzen, um uns im kommenden Jahr noch einmal neu aufzustellen. Aber niemand kann sagen, was in Zukunft mit den Öffentlich-Rechtlichen passieren wird. Darauf müssen wir uns mit einer gewissen Geschmeidigkeit einstellen.

Warum war es Ihnen eigentlich vor 30 Jahren so wichtig, diese Firma zu gründen?

Ich wollte nicht mehr nur für einen Konzern arbeiten und ließ mich von einem ARD-Hierarchen davon überzeugen, dass dieser Schritt in die Selbstständigkeit der richtige Weg für mehr Freiheit bei der Gestaltung meiner Sendungen bedeuten würde. 

Wie oft haben Sie in der Anfangsphase gut geschlafen?

Ich habe nicht so gut geschlafen, weil es sehr starke Proteste gegen meine Entscheidung gab. Ein Vorwurf lautete, dass ich den Schritt nur gehe, um Geld zu scheffeln. In Wirklichkeit war es aber so, dass ich eine Führungsposition innehatte, die unkündbar war. Ich bin also ins volle Risiko gegangen. Ich habe aber auch deshalb den WDR in den 1990er als Festangestellte verlassen, weil es sehr viele homophobe Anfeindungen gegen mich gab. Das auszuhalten, war schwierig. 

Wie hat sich das geäußert?

Es gab heftige Attacken. Eine Kollegin schleuderte mir den unvergesslichen Satz entgegen: "Für sogenannte Frauen wie Sie arbeite ich nicht."

Was hat das mit Ihnen gemacht?

Als ich 1986 beim WDR anfing, war ich so glücklich, in diesem Haus gelandet zu sein und dort arbeiten zu dürfen, dass ich davon ausging, das wird mein Leben bestimmen und in die richtige Richtung bringen. Es war daher schon eine Enttäuschung irgendwann festzustellen, dass doch nicht alles eitel Sonnenschein ist. Die Zeiten haben sich geändert, ich arbeite weiterhin sehr gerne für den WDR und bin dem Sender auch bis heute dankbar, dass ich über so viele Jahre hinweg Formate produzieren und Gastgeberin von solch wunderbaren Sendungen sein durfte. Das Konzept ist also aufgegangen. Nur vielleicht etwas anders als ich es anfänglich gedacht habe. 

Frau Böttinger, vielen Dank für das Gespräch.

"Kölner Treff", Freitag um 22:00 Uhr im WDR Fernsehen