Frau Eck, Herr Fuchs. Fabiola ist vor einigen Wochen fünf Jahre alt geworden. Jetzt haben Sie den Standort des Unternehmens von Köln nach Potsdam verlagert. War das ein Geburtstagsgeschenk in eigener Sache?
Oliver Fuchs: Ja, das kann man so sagen. Wir sind jetzt in unserem fünften Jahr und die Entscheidung für Köln fiel damals, weil wir die Kolleginnen und Kollegen, die wir mitgenommen und die in der Stadt gewohnt haben, behalten wollten. Vordergründig gab es damals in Köln auch mehr freies Personal, hinzu kamen die vielen Sender. Nachdem wir jetzt aber schon insgesamt 10 Jahre zwischen Potsdam und Köln pendeln, haben wir uns auch ein bisschen aus egoistischen Gründen für den Umzug entschlossen.
Das mit dem freien Personal ist kein Problem in Potsdam?
Ina Eck: Es gab eine Zeit vor rund zwei Jahren, da war das anders. Heute ist es kein Problem. Es gibt hier in der Umgebung nicht so viele Entertainment-Produktionsfirmen wie in Köln und insgesamt hat sich die Personalsituation entspannt.
Oliver Fuchs: Wir haben da einen anderen Ansatz. Es würde der ganzen Branche gut tun, wenn wir beim Personal etwas variabler denken als bislang. Der Trend muss dorthin gehen, dass wir multifunktional einsetzbares Personal haben. Jemand, der eine Kamera bedient, kann auch ein Redakteur sein. Genauso kann ein Redakteur am Set aufnahmeleiterische Tätigkeiten erledigen. Viele junge Menschen haben dieses neue Verständnis schon in sich aufgenommen.
Ina Eck: Natürlich muss man sein Handwerk beherrschen. Es kann nicht jeder ein Profi-Kameramann oder eine Profi-Kamerafrau sein. Aber es geht darum, dass wir insgesamt flexibler werden.
Oliver Fuchs: Unser Ansatz hängt auch stark mit unseren belgischen Gesellschaftern zusammen.
Inwiefern?
Oliver Fuchs: Dort wird schon immer breiter gedacht, auch Genre-übergreifend. Es gibt in Belgien Personen, die arbeiten als Drehbuchautoren oder Regisseure und das sowohl in der Fiktion als auch im Entertainment. Da wird in Deutschland noch immer sehr stark unterschieden und es wird ungern gesehen. In diesem Punkt ist Berlin offener als Köln und bei vielen jungen Menschen stellt sich diese Frage gar nicht.
Aus Köln sind keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgekommen nach Potsdam. Für Sie ist das so etwas wie ein Neustart nach fünf Jahren, oder?
Ina Eck: Wir haben weiterhin ein kleines Büro in Köln und beschäftigen dort vor allem die Postproduktion und die Personen, die sich um unsere Dokus kümmern, den "Germinator" von DMAX zum Beispiel. Natürlich wollten wir die Leute, die gute Geschichten erzählen, behalten.
Oliver Fuchs: Wir haben vielen, aber nicht allen Kolleginnen und Kollegen aus Köln das Angebot gemacht, mit uns nach Potsdam zu wechseln. Für viele war das natürlich ein großer Schritt und ich verstehe alle, die das nicht machen wollten.
Ina Eck: Darüber hinaus ist es tatsächlich ein Neustart für uns, den wir ganz bewusst forciert haben. Wir wollten ein Büro haben, in dem wir jeden Tag sind. Mir persönlich hat der Büroalltag auch gefehlt, ich bekomme gerne mit, was passiert und spreche mich mit den Kolleginnen und Kollegen ab und sei es nur zwischen Tür und Angel. Das Pendeln hat dabei nicht geholfen und war zum Teil auch anstrengend.
Vor rund einem Jahr hat die belgische Fabiola-Gruppe, die ja auch zu den Gesellschaftern Ihrer Produktionsfirma gehört, selbst neue Gesellschafter bekommen. Was hat sich seither für Sie verändert, mit der Ausnahme, dass Fabiola auf neue Katalogformate zugreifen kann?
Oliver Fuchs: Der Ausstieg von Lecter Media hat uns nicht so stark getroffen, denn die sind immer stärker in den Bereich Scripted gegangen und haben sich auch nicht mehr wirklich um die Entwicklung von neuen Formaten gekümmert. Das war für uns ein Grund zu sagen, dass wir uns klarer positionieren müssen. Jetzt sind wir mit der neuen Aufstellung und unseren KollegInnen von Caviar und Roses are Blue total zufrieden, denn alle unsere Gesellschafter sind echte Film- und Fernsehmacher, die ihr Handwerk verstehen.
"Es ist tatsächlich ein Neustart für uns, den wir ganz bewusst forciert haben."
Ina Eck über die Verlagerung des Standorts von Köln nach Potsdam
Ina Eck: Neu ist, dass wir inzwischen sehr stark miteinander an Formaten arbeiten. Wir tauschen uns regelmäßig mit den belgischen Kollegen aus und arbeiten zusammen an den Konzepten. In Belgien ist es so, dass ein Format viel schneller auf den Sender kommt als in Deutschland. Das führt dazu, dass wir manchmal Ideen nach Belgien geben, die diese umsetzen und wir dann mit einem hoffentlich erfolgreichen belgischen Format bei deutschen Abnehmern werben. Das alles ist ein großer kreativer Austausch, manche Dinge machen die Belgier aber zum Beispiel nicht. Bikini-Realitys zum Beispiel.
Wie unterscheidet sich der belgische Markt vom deutschen sonst noch?
Ina Eck: Einer unserer belgischen Kollegen hat uns erst vor ein paar Tagen erzählt, dass sie bei einem Sender lediglich einen Creative Director haben, der Entscheidungen trifft. Dort gibt es nicht 700 Köche, die mitentscheiden wollen. Dadurch sind einige Prozesse deutlich schneller als in Deutschland.
Oliver Fuchs: Für unsere Gesellschafter ist es bisweilen unverständlich, dass es Redakteurinnen und Redakteure aus den Sendern gibt, die bei den Dreharbeiten am Set die ganze Zeit dabei sind. So etwas gibt es dort nicht. In keinem Land der Welt scheint das Redakteursfernsehen so groß wie in Deutschland.
Ina Eck: Das hat sicherlich auch Vorteile, aber viele internationale Kolleginnen und Kollegen sind sehr überrascht, wie viel hier mitgeredet und zum Teil ja auch an Büchern mitgearbeitet und verändert wird. In Belgien bestellen die Sender eine Produktion wie bei einem Architekten ein Haus. Man kann Wünsche abgeben, aber letztlich kümmert sich der Architekt um das Haus.
Das altbekannte und oft kritisierte Redakteursfernsehen…
Ina Eck: Es gibt noch andere Unterschiede. Der größte für mich ist, dass es in Belgien echte Stars im Fernsehen gibt. Stars, die als solche aufgebaut wurden. Es gibt immer wieder neue Köpfe, die durch Sendungen führen. Dass sich in Deutschland neue Stars entwickeln, passiert doch vor allen Dingen in den sozialen Medien von Youtube bis Twitch.
Oliver Fuchs: In Belgien ist entweder das Format getriggert durch den Kopf, oder aber es wird der perfekte Moderator oder die perfekte Moderatorin für eine Sendung gesucht. Bei uns wird bei der Suche nach einer Moderation oft zuerst gefragt, wen man denn wohl kennen könnte. Und oft hagelt es Absagen mit der Begründung: "Den kennt ja niemand", obwohl diese Person es vielleicht besser machen würde als das bekannte Gesicht. In Deutschland werden in der Unterhaltung keine Stars mehr gemacht, stattdessen bedient man sich aus dem ewig gleichen.
Ina Eck: Als Medienmensch ist es so wichtig, nicht nur in seiner eigenen Bubble zu bleiben. Wenn wir nur für unsere eigene Filterblase Fernsehen machen und uns damit zufriedengeben, dass wir untereinander darüber reden, werden wir die Massen nicht mehr erreichen.
"In Deutschland werden in der Unterhaltung keine Stars mehr gemacht, stattdessen bedient man sich aus dem ewig gleichen."
Oliver Fuchs
Die deutsche Branche ächzt aktuell an allen Ecken und Enden: Einige potenzielle Auftraggeber ziehen sich teilweise aus ganzen Bereichen zurück oder streichen ihr Angebot rigoros zusammen. Die großen Streaminganbieter schauen verstärkt auf das Geld, die privaten Sender leiden unter der Werbekrise und die Öffentlich-Rechtlichen führen Reformdebatten. Welche Auswirkungen hat das auf Fabiola?
Oliver Fuchs: Das letzte Jahr war hart, es war eine große Unsicherheit im Markt zu spüren. Die Ziele waren für niemanden mehr erkennbar. Und das halte ich für schwierig: Ohne eine strategische Zielsetzung sind keine mutigen Entscheidungen möglich. Kreativ hat das dem Markt sehr geschadet. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass sich das wieder fängt, weil viele Dinge klarer geworden sind. Auch personell.
Fabiola hat 2021 mit "99 - Eine:r schlägt sie alle" eine erfolgreiche Show in Sat.1 etabliert. Im letzten Jahr gab es nicht nur einen neuen Sendeplatz, sondern auch mehr Ausgaben. Darunter hat der Erfolg gelitten, wie sehr schmerzt Sie so etwas?
Oliver Fuchs: Da sind wir beim Thema Markenaufbau und das würde ich gerne etwas genereller besprechen. Ich habe den Eindruck, dass wir in Deutschland den Markenaufbau verlernt haben. Das betrifft sowohl Gesichter als auch Formate. Markenaufbau hat etwas mit Konsistenz zu tun und dazu muss man an die Dinge glauben, die man irgendwann mal entschieden hat und stetig daran arbeiten. Wenn man es nicht selbst entschieden hat, fällt das vielleicht schwer.
Und wie sieht es konkret mit "99" aus?
Oliver Fuchs: Wir glauben, dass Sat.1 und Marc Rasmus um die Stärke von "99" wissen. Wir arbeiten an einer möglichen Fortsetzung der Show, weil "99" eine starke Marke ist. Für die Zukunft wollen wir noch klarer herausstellen, was die Show ist, wie sie funktioniert und worum es geht.
"Ich habe den Eindruck, dass wir in Deutschland den Markenaufbau verlernt haben. Das betrifft sowohl Gesichter als auch Formate."
Oliver Fuchs
Ina Eck: "99" ist eine echte, lineare Fernsehshow. Wir können mit der Sendung ein Event schaffen, bei dem die Menschen live mit dabei sein wollen. Bei einer Fortsetzung werden wir den Live-Charakter noch mehr herausstellen, inklusive verstärkter Kommentierung in den Spielen.
Für DMAX produzieren Sie seit einiger Zeit sehr erfolgreich Manfred Gilow aka den "Germinator". Wie findet man eine solche Persönlichkeit eigentlich?
Ina Eck: Wir haben uns damals Berufe angesehen, von denen wir geglaubt haben, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr davon sehen wollen. Voraussetzung war, dass sie im Ausland sind. Wir haben dann alte TV-Beiträge über Manfred gefunden. Darin wurde einfach kurz gezeigt, dass er der erste Deutsche Chief of Police in Texas ist. Wir haben ihn dann angerufen und kurz darauf in den USA getroffen. Wir waren direkt ein Herz und eine Seele, auch wenn andere Produktionsfirmen damals an ihm dran waren.
Unter der Marke FabArtists betreibt Fabiola auch eine Art Künstlermanagement. Auf der Webseite steht aktuell aber nur eben dieser Manfred Gilow als Mandant. Was hat es damit auf sich?
Ina Eck: Bei den Künstlerinnen und Künstlern, mit denen wir eng zusammenarbeiten, kümmern wir uns gerne auch um das Management. Das macht in dem Fall Sinn, weil wir mit Manfred wirklich eine sehr enge Beziehung haben.
Oliver Fuchs: Insgesamt sehen wir uns nicht als Künstleragentur, das muss man schon ganz deutlich so sagen. KünstlerInnenpflege ist ein echter und sehr intensiver Beruf, als Ganztagsproduzent können wir so etwas nicht leisten. Insofern ist FabArtists ein Stück weit ein Überbleibsel.
Sie haben bereits recht ähnlich gelagerte Haustiersendungen bei RTL ("Wir lieben Tiere - Die Haustiershow") und dem Ersten ("Haustierprofis") untergebracht. Beide Formate gibt’s inzwischen nicht mehr. Was fasziniert Sie so sehr daran und kommt das irgendwann wieder?
Oliver Fuchs: Ich glaube nach wie vor daran, dass das funktionieren kann und wird. Unser größtes Hobby ist ja, nach thematischen Programmlücken zu suchen. Also: Welche Themen sind unterrepräsentiert? Bis auf das Wochenende fehlen Haustiere im deutschen Fernsehen. Aufgrund unserer zwei Versuche mache ich mir aktuell aber wenig Hoffnungen, dass da irgendjemand außer mir noch dran glaubt (lacht).
"Wenn wir nur für unsere eigene Filterblase Fernsehen machen und uns damit zufriedengeben, dass wir untereinander darüber reden, werden wir die Massen nicht mehr erreichen."
Ina Eck
Ina Eck: Wir glauben vor allem an Hunde und Katzen. In dem Thema Hundeerziehung steckt so viel mehr drin und da braucht es noch mehr als nur Martin Rütter, der einen tollen Job macht. Es geht ja auch nicht nur um die Hunde, sondern ganz stark auch um die Menschen im Hintergrund. Solche Sendungen werden zum einen geguckt, weil man den Menschen im Umgang mit dem Hund und dem Problem sehen will und zum anderen, weil man als Hundebesitzer immer denkt, dass man es besser kann.
Oliver Fuchs: Und deshalb heißt unsere neue Sendung "Das Dog-Camp".
Ist das ein Scherz?
Oliver Fuchs: (lacht) Nein! Wir haben die Sendung entwickelt und pitchen sie gerade vor potenziellen Abnehmern. Es geht darin um mehrere Hundebesitzer, die aufeinandertreffen und parallel versuchen, ihre Tiere zu erziehen. Wir geben dieses Thema nicht auf!
An welchen neuen Formaten arbeiten Sie sonst noch?
Oliver Fuchs: Wir glauben an Back-to-Back-Produktionen und da habe ich gerade ein Lieblingsformat von unseren Kollegen aus Belgien, das "The Way Out" heißt. Das ist die beste und überraschendste Escape-Room-Comedy-Show, die es gibt. Wir sind da immer wieder in Gesprächen mit möglichen Interessenten und werden hoffentlich im Sommer produzieren können.
Ina Eck: Auf Grund des Erfolgs unserer ZDF Mediatheks Sketch-Comedy "Einsame Herzen" mit Torge Oelrich, alias Freshtorge arbeiten wir an einer außergewöhnlichen Fortsetzung.
Vielen Dank für das Gespräch!