Wenn an diesem Wochenende die Comedyshow "Frei Schnauze" mit einer Neuauflage ins RTL-Programm zurückkehrt, dann sei auch an die "Schillerstraße" erinnert. Fast 18 Jahre ist es inzwischen her, dass Sat.1 mit dem Format den Grundstein für das Genre der Impro-Comedys legte. Weil das, was Cordula Stratmann und zahlreiche Mitwirkende - darunter Annette Frier, Martin Schneider, Michael Kessler oder Ralf Schmitz - machten, so ungewöhnlich war, entstand schnell ein Hype um die "Schillerstraße", deren Quoten so rasant anstiegen, dass Sat.1 nach kurzer Zeit entschied, die Show vom späten Abend in die Primetime zu verlegen.

Das Besondere: Die Komikerinnen und Komiker auf der Bühne kannten im Vorfeld nur die grobe Rahmenhandlung und mussten schließlich spontan auf das reagieren, was ihnen ins Ohr geflüstert wurde. Auch oder gerade weil es kein Drehbuch gab, entwickelte sich in schöner Regelmäßigkeit eine wunderbare Situationskomik. Einst entwickelt von Produzentin Maike Tatzig, die in späteren Folgen sogar Spielleiter Georg Uecker ablöste, brachte die "Schillerstraße" in Deutschland einige Nachahmer hervor. Bis zuletzt versuchten sich diverse Sender immer wieder daran, ein ähnliches Format zu etablieren - so wie jüngst Sat.1 mit dem "Hotel Verschmitzt".

Während keines der Formate in Deutschland letztlich an den Erfolg der "Schillerstraße" anknüpfen konnte, zog die Idee, die der Show zugrunde liegt, in den folgenden Jahren auch ins Ausland. Schon 2004 brachte ein italienischer Privatsender eine Adaption on air, ein Jahr später versuchte sich Kanal1 in der Türkei an einer eigenen Version, ehe die Show 2010 auch in Südafrika landete. 2014 hat Red Arrow die Impro-Comedy schließlich auch noch nach China und Russland verkauft. Dabei gab's mehrfach internationale Preise, darunter den Rose d'Or Press Prize, den italienischen TV-Award Telegrolle für die "beste Sitcom" und den "SAFTA", den südafrikanischen Film- und Fernsehpreis für das "beste Comedy-Ensemble".

Rue King © Club illico Die kanadische "Schillerstraße" hört auf den Namen "Rue King" und wurde 2020 ausgestrahlt.

Seither wurde es etwas stiller um die "Schillerstraße", die international unter dem Titel "Schiller Street" vermarktet wird - bis 2019 bekannt wurde, dass Club illico in Kanada sich die Rechte für eine weitere internationale Adaption sicherte. Ein Jahr danach brachte der französischsprachige Streamingdienst schließlich eine Staffel an den Start: Zehn Folgen liefen unter dem Namen "Rue King". Und auch wenn das Straßenschild-Logo und die Grundidee freilich an die deutsche "Schillerstraße" erinnerten, so erhielt die kanadische Version doch einen eigenen Dreh, der stellenweise etwas mehr nach klassischer Sitcom aussah als das Original.

Ohnehin war das Format deutlich jünger angelegt: Die Show folgte drei Bewohnerinnen, während sie zusammen in eine Loft-Wohnung über ein Café ziehen. Pier-Luc, ein Student in den frühen Zwanzigern, Marie-Eve, eine pansexuelle Studentin und Sophie, die eine Pause vom Erwachsenenleben macht, müssen lernen, zusammen zu leben. Dazu kommen unterstützende Charaktere - und ein Spielleiter, der deutlich näher am Geschehen sitzt als das einst bei Uecker und Tatzig in der "Schillerstraße" der Fall gewesen ist. Der Eindruck verstärkt sich noch, indem das Publikum noch vor dem Start einer jeden Folge Zeuge wird, wie der Spielleiter das Ensemble hinter den Kulissen brieft, was schöne Reaktionen hervorruft, wenn den Schauspielerinnen und Schauspielern dämmert, wie sich ihre Rollen weiterentwickeln.

Mit Blick auf die Länge hat sich "Rue King" unterdessen an der ursprünglichen Version der "Schillerstraße" orientiert, sprich: Kaum mehr als 20 Minuten dauerte eine Folge - hierzulande hatte Sat.1 die Impro-Comedy dagegen recht schnell auf eine Stunde ausgeweitet. Dazu kommt, dass "Rue King" innerhalb einer Folge mehrfach die Szenen wechselte: Mal im Café, mal im Wohnzimmer, mal an der Uni - das bringt Abwechslung, ebenso wie auch die gelegentlichen Split-Screens, mit sich. Wie gut "Rue King" beim kanadischen Publikum ankam, ist indes nicht klar: Genaue Abrufzahlen existieren nicht. Dass nach zwei Jahren noch keine Fortsetzung erschienen ist, dürfte jedoch kein allzu gutes Zeichen sein. Und doch zeigt die Adaption, dass das wunderbare Impro-Format deutschen Ursprungs auch nach knapp zwei Jahrzehnten seinen Reiz noch nicht vollends verloren hat.

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