In Deutschland feiert "Berlin – Tag & Nacht" im September seinen elften Geburtstag. In diesen elf Jahren ist die Idee aus dem Hause filmpool unter dem Namen "Day & Night" in gleich mehrere Länder adaptiert worden. Vertrieben über All3Media International ist es Felix Wesseler, der COO von Filmpool Entertainment, der dann in den jeweiligen Ländern mit den örtlichen Produktionsteams eng zusammenarbeitet und "die Maschinerie" zum Laufen bringt. Die Maschinerie, das ist ein Zusammenspiel aus meistens zwischen 120 und 150 Mitarbeitenden, das aufeinander abgestimmt sein will. Die örtlichen Teams profitieren nicht nur in diesem Punkt vom deutschen Know-How, sondern auch davon, dass die "Berlin – Tag & Nacht"-Bücher übernommen werden dürfen. In den allermeisten Fällen passierte das auch, wenn auch in manchmal etwas abgewandelter Form. Bis auf einen Ableger, den kurzlebigen aus Wien, beginnen alle auch mit der Figur Meike, die die neue Stadt aus ihrem Blickwinkel erkundet.



Die erste internationale "Day & Night"-Adaption läuft auch heute noch – sie ist beim ungarischen RTL Klub beheimatet und startete rund eineinhalb Jahre nach "BTN" bei RTLzwei. "Sämtliche große Future-Bögen werden dort 1:1 übernommen. 'BTN'-Fans werden bei 'Ejjel Nappal-Budapest' Vieles erkennen, beispielsweise Joes Hochzeit oder die Knast-Geschichte", sagt Wesseler. Joe heißt obendrein in Ungarn ebenfalls Joe. Lokale Anpassungen sind möglich, dann aber freilich mit Zusatzarbeit der Produktion verbunden. So behielten die Ungarn die Figur Ceylan, die in Deutschland nach 60 Folgen ausstieg, weil die Darstellerin auf eine Schauspielschule gehen wollte, länger im Cast.

Gestartet sind von "Day & Night" in Folge auch Versionen in Russland, Serbien, Frankreich, Slowakei, Litauen, Österreich und Bulgarien. Sie alle laufen heute aber nicht mehr – teils waren sie langlebig, mitunter reichte es aber auch nur für ein kurzes Gastspiel. Bei "Moskau – Tag & Nacht" sorgte etwa ein Wechsel des Senderchefs für ein schnelles Ende, das Programm sollte daraufhin deutlich männlicher ausgerichtet werden. Bereits 2014 ging eine litauische Version on air, die zunächst bestellten 100 Episoden wurden alle gezeigt – mit ordentlichen Quoten, die aber eben nicht so gut waren, dass sich eine weitere Staffel finanziell wirklich gelohnt hätte. Auch in Serbien war nach einer einzigen Staffel Schluss.

Deutlich länger lief die im bulgarischen Sofia verortete Variante, die es auf über 1000 produzierte Folgen brachte und die Wesseler als die zweiterfolgreichste Adaption bisher bezeichnet. Eine besondere Geschichte hat "Kiew – Tag & Nacht", das Nova TV 2016 startete und vor gar nicht langer Zeit erst beendete. Die Politik spielte hier eine wesentliche Rolle. Die Serie war russischsprachig und russischsprachige Produktionen wurden in der Ukraine untersagt. Eine Umstellung auf ukrainische Sprache wäre nach mehreren Jahren und auch vor dem Hintergrund der nicht allzu prickelnden wirtschaftlichen Situation im Land schon vor dem Ausbruch des Krieges nicht sinnvoll gewesen. Die ukrainische Version hatte sich übrigens etwas deutlicher von den dennoch übernommenen deutschen Büchern verabschiedet. Sie sei "krasser" gewesen, wie es Wesseler umschreibt. Figur Ceylan, schon in Deutschland nicht gerade ein Kind von Traurigkeit, sei in der Ukraine deutlich extremer gewesen, wie etwa eine Sex-Szene im allerersten Take der Figur zeigte. Ebenfalls ein Unterschied: Weil es in der Ukraine eher unüblich ist, dass Menschen unterschiedlichen Alters in einer WG zusammenwohnen, lebte WG-Urgestein Joe in der dortigen Version nie mit den jungen Leuten unter einem Dach. Dort gehörte ihm die Wohnung lediglich, während er einige Straßen weiter sein eigenes Zuhause hatte.

Der Look der Version in der Ukraine unterschied sich ebenfalls. Deutlich filmischer und somit wertiger sei die Serie dort umgesetzt worden. "Das war eine sehr gute Produktion", lobte Wesseler. Von "Yolo" kann man das nicht behaupten. Die französische Adaption darf als wohl schlechteste angesehen werden – sie war auch die einzige, die sich vom Titel her deutlich unterschied und fiel unter anderem auch dadurch auf, dass sie die Grenzen zum Fiktionalen brach, etwa in dem das Sendungslogo an einer Wand in der Haupt-WG prangte. Gedreht in Paris bespielte "Yolo" zudem nicht das Zentrum, sondern eher ein "Irgendwo im Nirgendwo", wirkte showiger und offenbarte auch Schwächen im Casting.

"Yolo" hielt nur wenige Wochen auf dem eigentlich angedachten 19-Uhr-Sendeplatz bei B9 durch, dann ging man der mitunter starken Vorabendkonkurrenz aus dem Weg und legte die Produktion auf 17 Uhr. Kurz danach war schon klar, dass die Produktion nicht fortgesetzt und die Serie nach 100 Folgen enden werde. Die Quoten steigerten sich – ähnlich wie in Deutschland – nach acht Wochen – da war die Produktion allerdings schon eingestellt worden. Ein ganz anderes Problem hatte "Wien – Tag & Nacht", das bis heute die einzige Adaption ist, die sich komplett von "BTN" loslösen musste, weil das Original in Österreich bekanntlich ebenso zu sehen ist.



So erzählte diese Serie für einige Monate also eine komplett eigene Geschichte, scheiterte ganz offenbar aber an der Existenz des Originals und daran, dass sich die Sendezeit bei ATV zudem zumindest teilweise sogar überschnitt. Neben dem Berliner Original und der Version aus Ungarn läuft die Serie seit wenigen Wochen noch in einem weiteren Land, Tschechien, und ist dort zudem mit einem Novum gestartet. Nova ist der erste Anbieter, der die Daily exklusiv für seinen Streamingdienst bestellt hat. Entsprechend sind Reichweiten und Quoten des Neustarts auch streng geheim.

Praha - Den & Noc © Filmpool Logo und CI der neuesten "Day & Night"-Variante in Tschechien erinnern stark an das Original.
 

Für die neueste Adaption sind nach elf Jahren auch etwas stärkere Umarbeitungen der ursprünglichen Bücher notwendig, grundsätzlich aber erzähle man die Geschichten nochmals von Beginn an. Klassische Soap-Plots wie Dreieckbeziehungsgeschichten, etwa die zwischen Meike, Marcel und Ceylan einst, würden natürlich auch heute noch funktionieren, erklärt Wesseler. In der tschechischen Version aber ist nun etwa eine echte Influencerin Teil des Casts, wodurch die Produzenten, wie manchmal auch beim Original-Format bei RTLzwei, Realität und Fiktion miteinander verschwimmen lassen. "Diesen Beruf der Influencer gab es 2011 so noch gar nicht", sagt Wesseler lachend. Genauso wenig wie die Vielzahl an Streamingdiensten. Grund für die reine Auswertung über den neuen Streamingdienst sei die starke Social-Media Strategie, die Teil des "Day & Night"-Konzepts ist und im besten Fall eine Community aufbaut, die auch in Deutschland zu einer ständigen Präsenz des Originals in den Top Ten der meistgeschauten Programme von RTL+ führt. Die exklusive Auswertung haben die Prager Geschichten allerdings nun allen anderen Versionen voraus.