Gut möglich, dass so mancher Mitarbeiter in der Grünwalder Sendezentrale von RTLzwei vor wenigen Tagen beim Blick auf die Quoten vom Vortag einmal tief durchatmen musste. 0,7 Prozent - so niedrig wies die AGF den Marktanteil einer Folge der "#CoupleChallenge" aus, einer Realityshow, die vor einigen Jahren schon einmal exklusiv beim RTL+-Vorgänger TVNow zu sehen war und nun ein einigermaßen überraschendes Comeback bei RTLzwei feierte.

Dass RTLzwei angesichts der desolaten Quoten dennoch schnell eine weitere Staffel in Aussicht stellte, mag überraschen, zeigt allerdings gleichzeitig, dass die Bestimmung von Erfolg und Misserfolg in Zeiten des Streamings eben nicht mehr so einfach vorgenommen werden kann wie noch vor einigen Jahren. "Es ist ein spannender Case für den Shift von Linear zu Streaming, der ja im Grundsatz niemanden überrascht", sagt Malte Kruber, Programmdirektor Entertainment bei RTLzwei, gegenüber DWDL, angesprochen auf die Quoten der "#CoupleChallenge".

Tatsächlich entfielen 77 Prozent des Nutzungsverhaltens im Falle der Realityshow auf RTL+. "Das ist enorm und trifft so natürlich nicht auf alle Formate zu." Es sei jedoch eine Realität, mit der man es künftig öfter zu tun haben werden, so Kruber. "Aber: Wir finden unser Publikum." Daher sei der große digitale Erfolg dann auch "ein ausreichendes Argument" für die Fortsetzung. Gleichwohl stellt sich freilich die Frage der Monetarisierung. "Natürlich bleibt TV absehbar eine zentral wichtige Erlösquelle. Deshalb ist das Austarieren der Budgets und inhaltlichen Konzepte eine große Herausforderung, denn die müssen ja auch an den Ausspielweg angepasst sein", betont der RTLzwei-Programmchef. Daher müsse die Frage nach dem Formaterfolg "im Multichannel-Zeitalter anders beantwortet werden als früher".

Tatsächlich will RTLzwei das Reality-Genre trotz des starken Shifts Richtung Streaming sogar noch ausbauen. So läuft an diesem Mittwoch die neue "Kampf der Realitystars"-Staffel an und auch "Love Island VIP" mit Sylvie Meis soll fortgesetzt werden. "Zusätzlich starten wir eine weitere Realityshow, in der wir Promis aufs Land schicken und sie mit vielen Situationen konfrontieren, die sie als Stadtmenschen ziemlich herausfordern", kündigt Malte Kruber im Gespräch mit DWDL an. "Damit können wir im schwierigen Markt selbstbewusst sagen: Wir bieten 2025 satte 100 Prozent mehr Reality-Leuchttürme."

Kampf der Realitystars © RTLzwei "Kampf der Realitystars": Dennis Lodi, Hati Suarez, Anouschka Renzi, Annina Semmelhaack, Jens Hilbert, Ailton, Giuliana Farfalla, Martin Semmelrogge, Daymian Weiß, Stephen Dürr und Linda Nobat gehören zum diesjährigen Cast.

Verglichen mit früher, als RTLzwei mit "Big Brother" noch ein echtes Alleinstellungsmerkmal  besaß, hat der Reality-Boom inzwischen derart große Ausmaße genommen, dass der kleine Privatsender nur noch ein Player unter vielen ist. "Wir waren lange Zeit der einzige Sender mit einer derart überzeugenden Reality-Kompetenz. Jetzt bedienen alle das Genre, die Öffentlich-Rechtlichen inklusive", räumt Kruber ein. "Abheben wollen wir uns, indem wir zwar jung und frech sind, aber nicht zynisch und krawallig – gerne mit selbstironischer Reflektion des ganzen sympathisch durchgeknallten Reality-Zirkus."

Neue Impulse durch Arabella Kiesbauer

Gleichzeitig gilt es, auch erfolgreiche Dauerbrenner wie den "Kampf der Realitystars" weiterzuentwickeln. "Etablierte Formatmarken brauchen immer die richtige Mischung aus Vertrautheit, Berechenbarkeit, Überraschungen und neuen Impulsen", betont der RTLzwei-Programmchef. Bei der neuen "KDRS"-Staffel, die in der ersten Woche im Streaming bereits über 600.000 Views erzielte, ist nun Moderatorin Arabella Kiesbauer die größte Veränderung. Mit ihr wolle man die Show auf "ein neues Reality-Level" heben, sagt Kruber. "Wir sind begeistert von ihrer Schlagfertigkeit, Intelligenz und ihrem Charme. Beim Thema Reality ist kaum jemand so erfahren wie sie."

Die "Stunde der Wahrheit" etwa, ein zentrales Element im "Kampf der Realitystars", haben RTLzwei und die Produktionsfirma Banijay Productions Germany nun etwas besser auf Kiesbauer zugeschnitten, indem die Protagonisten - ihre frühere Talkshow lässt grüßen - nun mehr miteinander sprechen. Beim Cast wiederum habe man darauf geachtet, nicht ausschließlich bekannte Reality-Gesichter zu verpflichten, "sondern Promis mit ganz unterschiedlichem Background und Alter", wie Kruber sagt. "So erhoffen wir uns linear wie digital neue Zielgruppen."

Wie all die Veränderungen beim Publikum ankommen, werden nicht zuletzt die Quoten offenbaren, auf die man in Grünwald freilich auch weiterhin blickt. Auf Reality will RTLzwei jedenfalls auch weiterhin setzen, auch wenn sich die Sehgewohnheiten insbesondere in diesem Genre rasant verändert haben. "RTLzwei bleibt die Bank im Realitybereich", stellt Malte Kruber klar, "und auf der sitzen wir verdammt gern."