Es gibt nicht wenige in der Branche, die halten das, was Acunmedya und Highlight Communications aktuell beim Sportsender Sport1 versuchen, für ein einziges Himmelfahrtskommando. Der Sender soll sich bekanntlich mit Unterhaltungsformaten neue Zielgruppen erschließen. Bislang hat das eher mäßig funktioniert. Ja, Harald Glööckler ist für lustige Clips auf Social Media gut. Aber sonst? Die TV-Quoten von "Exatlon", "My Style Rocks" oder auch "Power of Love" sind größtenteils ziemlich überschaubar. Und auch die Neuauflage von "MasterChef" reiht sich nahtlos in diese Liste ein. 

MasterChef Germany © Acunmedya/Sport1
Die 40 seit Ende Februar ausgestrahlten Ausgaben der von Brainpool und Acunmedya produzierten Kochshow erreichten zur besten Sendezeit im Schnitt 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Der Marktanteil in der klassischen Zielgruppe lag bei 0,2 Prozent. Für elf Ausgaben weist die AGF Videoforschung einen offiziellen Marktanteil in Höhe von 0,0 Prozent aus. Das sind mehr als ein Viertel aller Episoden, für die kein messbarer Marktanteil ausgewiesen wurde. Sowas gilt in der Branche als unvermarktbar. 

Und es ist ja nicht so, als hätte es im Vorfeld keine Warnungen gegeben. Zwei Versuche wurden in der Vergangenheit bereits, die Show im deutschen Fernsehen zu etablieren. Ein großer Erfolg war das Format aber weder bei Sky im Pay-TV, noch vor fast 15 Jahren im Free-TV bei Sat.1, wo es noch unter dem Titel "Deutschlands Meisterkoch" zu sehen war. 

Doch Sport1-Geschäftsführer Matthias Reichert zeigt sich auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de trotz der katastrophalen Quoten "zufrieden" mit der Performance der Kochshow. "MasterChef" sei Teil der strategischen Neuausrichtung des Senders hin zu einem vielfältigeren, unterhaltungsorientierten Programmangebot, so Reichert. "Auch wenn die Durchschnittsreichweiten bei Z3+ noch verhalten sind, sehen wir in den für uns neuen relevanten Zielgruppen klare Fortschritte."

Reichert verweist gegenüber DWDL.de auf die Tatsache, dass die Show einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil von 52 Prozent habe. Im Durchschnitt kommt Sport1 nur auf 30 Prozent. Aber: 52 Prozent von 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauern sind eben auch eine verschwindend geringe Gesamtanzahl. Ob man sich so dauerhaft neue, weibliche Zielgruppen erschließen kann, die dann auch in Zukunft bei anderen Formaten einschalten, ist zumindest fraglich. 

"Die Performance bestätigt unseren Kurs"

Matthias Reichert © Sport1 Matthias Reichert
"Die aktuellen Quoten spiegeln die erwartbaren Effekte unserer senderweiten Neupositionierung wider und sind Teil eines langfristig angelegten Transformationsprozesses. Unser Fokus liegt auf strategischem Zielgruppenwachstum und Markenpositionierung", sagt Sport1-Chef Matthias Reichert zu DWDL.de. Abrufzahlen von "MasterChef" auf der noch recht jungen Plattform show1.tv will Sport1 noch nicht veröffentlichen. Aber: "Insgesamt bestätigt die Performance von ‘MasterChef’ unseren Kurs sowohl inhaltlich als auch strategisch."

"Die aktuellen Quoten spiegeln die erwartbaren Effekte unserer senderweiten Neupositionierung wider und sind Teil eines langfristig angelegten Transformationsprozesses."
Sport1-Geschäftsführer Matthias Reichert


Der Sport1-Geschäftsführer verweist auch auf mehr als sechs Millionen Menschen, die zumindest mal eine Minute lang "MasterChef" gesehen haben. Im Umkehrschluss heißt das aber natürlich auch: Die meisten davon waren offenkundig wenig begeistert von dem, was sie gesehen haben - und blieben nicht lange dran. Und das hat auch inhaltliche Gründe: Wer schon einmal eine Folge der Sport1-Version von "MasterChef" gesehen hat, kennt das. Die Folgen sind rund drei Stunden lang - und ziehen sich wie Kaugummi. 

Inhaltliche Schwächen durch XXL-Folgen

Da werden sinnlose Gespräche geführt, die das Geschehen überhaupt nicht weiterbringen und man muss den Kandidatinnen und Kandidaten minutenlang bei stupiden Vorgängen in der Küche zuschauen, die bei anderen Shows im Schnitt mit einiger Sicherheit herausgefallen wären. Jeder Schritt wird genauestens unter die Lupe genommen und ständig müssen alle erzählen, wie stolz und glücklich sie sind, es schon so weit geschafft zu haben. 

Auch die Verkostung der verschiedenen Gerichte und die Beschreibung dessen, was dafür verwendet wurde, zieht sich einige Male in die Länge. Das Jury-Team bestehend aus Felicitas Then, Robin Pietsch und Mike Süsser hat sich sein Honorar in jedem Fall redlich verdient. Sie sprechen so viel und sind so häufig zu sehen wie wohl keine anderen TV-Köche im deutschen Fernsehen. Wenn man vergleichbare Shows sieht, muss man zwangsläufig das Gefühl bekommen, dass es sich bei "MasterChef" um eine Rohfassung einer Sendung handelt, die im Schnitt noch locker um die Hälfte gekürzt werden könnte. Dazu kommt eine unglückliche Programmierungsstrategie: Oft begann "MasterChef" schon vor 20:15 Uhr - keine idealen Voraussetzungen, um Gewohnheiten zu schaffen. 

Vor allem die langen Kaugummi-Folgen sind natürlich so gewollt gewesen. Zusammen mit der hohen Anzahl an Ausgaben konnte Sport1 dadurch in den zurückliegenden Wochen große Teile seiner Primetime bespielen. Und das mutmaßlich für einen relativ geringen Minutenpreis. Das ging sehr deutlich auf Kosten der Dramaturgie innerhalb des Formats und hier muss man sich in Ismaning und Istanbul mittelfristig wohl eine zentrale Frage stellen: Will man auf Strecke weiterhin möglichst günstig produzieren und Sendezeit füllen, oder können Formate auch mal kürzer sein, wenn man das Publikum damit besser ansprechen kann? Mag sein, dass das Publikum in der Türkei gewohnt ist, XXL-Staffeln mit nicht enden wollenden Folgen zu sehen - aber vielleicht gibt es ja einen guten Grund, wieso deutsche Sender das bislang anders machen? 

Ein Format wie eine Geburt

Die Grundidee, die Acunmedya und Highlight für Sport1 haben, ist dadurch aber natürlich nicht automatisch schlecht - im Gegenteil. Durch die Produktionshubs von Acunmedya sind die Voraussetzungen für deutsche Adaptionen internationaler Formate gut. Auch "MasterChef" hatte einen starken Look & Feel, es hakte an anderen Stellen. Eine Entscheidung über eine mögliche Fortsetzung steht übrigens noch aus. "Gemeinsam mit Acunmedya werden wir den weiteren Verlauf evaluieren – die Produktionsvoraussetzungen in Istanbul wären in jedem Fall gegeben", sagt Sport1-Geschäftsführer Matthias Reichert. 

Einige Tage vor dem Finale verglich eine Kandidatin die Show mit einer Schwangerschaft und in der Folge auch mit einer Geburt. Das war ein etwas schiefer Vergleich, aber sie meinte das ausschließlich positiv. Man kann ihr nur zustimmen: Auch eine Geburt tut verdammt weh und zieht sich oftmals viel länger, als das für alle Beteiligten schön wäre. Und am Ende sind nur noch ganz wenige Menschen im Raum bzw. vor dem TV-Gerät. Die nächste Schwangerschaft aka. Himmelfahrtskommando steht übrigens schon an, Sport1 hat bereits eine Neuauflage von "Survivor" angekündigt. Also eine Abenteuershow, die hierzulande bereits bei ProSieben und Vox scheiterte.