Wie weit das Prinzip Hoffnung tragen kann, zeigt sich an einem kühlen, verregneten Maiabend im Kölner Rheinauhafen. Zwei Stunden, bevor Yvonne Pferrer und Jeremy Grube ihren Film im Open-Air-Kino vorführen wollen, gießt es wie aus Kübeln. Mit Besserung ist beim Blick auf die Vorhersage nicht zu rechnen. Doch die beiden Reiseblogger haben eine Wetter-App gefunden, laut der es kurz vor 22 Uhr aufhören könnte zu regnen. Sie sind nicht nur zuversichtlich, sondern sicher, dass es genauso kommen wird.
Tatsächlich klart der Himmel auf und die letzten Regentropfen versiegen, ehe das Content-Creator-Paar auf die Bühne stürmt und seine treuen Fans willkommen heißt, die mit Regencapes und Decken en masse angerückt sind. Ein Setting wie gemacht, um die emotional aufgeladene Stimmung auf der Leinwand noch zu verstärken und die beabsichtigte Botschaft des Films – dass Hoffnung "manchmal in kleinen Momenten" liege – dick zu unterstreichen.
Dass Pferrer und Grube sechs Monate mit der Kamera quer durch Südamerika unterwegs waren, um sich auf einer Entdeckungsreise im selbst umgebauten Camper zu filmen, wäre außerhalb ihrer Social-Media-Anhängerschaft nicht weiter erwähnenswert, wenn das dabei entstandene Resultat nicht herkömmliche Produktions- und Verwertungslogiken über den Haufen werfen würde. "Yabadu – Niemals erwachsen" hält sich seit drei Wochen in den Kinocharts, mit bislang knapp 10.000 Besuchern, 107.000 Euro Einspielergebnis und einer Höchstnotierung auf Platz 20 – obwohl der Film weder eine Produktionsfirma noch einen Verleih hat. Das abenteuerlustige Paar hat ihn in Eigenregie dorthin katapultiert und nimmt nun ebenso selbstbewusst die TV- und Streaming-Auswertung in Angriff.

Die Idee, neben dem üblichen Shortform-Content für ihre Kanäle auch einen längeren Film zu drehen, führte voriges Jahr schließlich zum Projekt "Yabadu", verbunden mit der Ambition, auf eigene Faust ein Produkt zu schaffen, das inhaltlich wie visuell im professionellen Entertainment-Angebot bestehen kann. "Wir haben uns von Anfang an bewusst entschieden, zu zweit loszuziehen, ohne weitere Unterstützung zu filmen und zu produzieren, damit wir freier sind", sagt Yvonne Pferrer im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Die Dramturgie des Films folgt Pferrers und Grubes Roadtrip durch Uruguay, Brasilien, Paraguay, Argentinien, Bolivien, Peru und Chile sowie ihren Begegnungen mit 21 Menschen, die als Wegweiser auf der Suche nach Glück und Hoffnung fungieren. Die rein dokumentarische Ebene durchbricht der 71-Minüter durch fiktive Elemente und eine Kinderstimme als Off-Erzähler.
Unsere Idee war vielen aus der Branche, mit denen wir im Vorfeld gesprochen haben, zu abstrakt.
Jeremy Grube, Content Creator und Filmproduzent
"Wir wollten vor allem einen Film machen, der Emotionen weckt – mit ganz viel Herz und Liebe und Leidenschaft", so Pferrer. "Wir haben uns nicht nach irgendwelchen filmischen Strukturen gerichtet, sondern uns einfach leiten lassen von dem Gefühl, das einen als Zuschauer durch den Film tragen soll." Die Reaktionen auf ihr Vorhaben fielen nicht gerade ermutigend aus, erinnert sich Jeremy Grube: "Worüber wir oft schmunzeln mussten: Unsere Idee war vielen aus der Branche, mit denen wir im Vorfeld gesprochen haben, zu abstrakt. Die Art und Weise, wie wir die Geschichte erzählen und die verschiedenen Elemente zusammenfügen wollten, war für viele nicht greifbar. Man hat gemerkt, dass es eine Unsicherheit ausgelöst hat."
Während Sender und Streamer zwecks Programmverjüngung zunehmend auf Protagonisten aus dem Creator-Ökosystem setzen und Produktionshäuser ihrerseits nach Wegen suchen, an der Creator Economy zu partizipieren, ist es spannend zu beobachten, dass zwei Social-Media-Stars mit eigener Reichweite, klarer Vision und moderner Aufnahmetechnik den klassischen Apparat nicht zwingend brauchen, um ihr Ziel zu erreichen. "Gehen wir mit dem Film ins Kino oder auf eine Streaming-Plattform? Wir hatten ja mit beidem keine Erfahrung", so Grube. "Viele Dinge im Leben kann man nicht planen und manchmal fügt sich das einfach. So war es auch in diesem Fall mit den Kinos."
Weil sie eine private Kinotour für ihre Community organisieren wollten, buchten Pferrer und Grube auf eigenes Risiko Leinwände bei CinemaxX. Die 2.700 verfügbaren Tickets waren innerhalb eines Tages ausverkauft. Das ließ sowohl CinemaxX als auch die Konkurrenz aufhorchen: Auch Cineplex, Cinestar und UCI trafen mit den beiden Neuproduzenten direkte Vereinbarungen, um "Yabadu" ab Mitte Mai ohne Verleih bundesweit ins Kino zu bringen. Im Juli und August sollen zudem etliche Open-Air-Kinos folgen. Weil Pferrer und Grube trotz ihres Erfolgs bislang kaum in klassischen Medien vorkamen, engagierten sie unlängst den früheren Kommunikations- und Marketingchef von RTLzwei, Carlos Zamorano, der mit seiner Münchner Agentur Purple Lemon Tree auch die Geissens oder Sopranistin Anna Maria Kaufmann betreut.
Es sollte nicht verwundern, dass die zu Filmproduzenten gewordenen Reiseblogger auch die Frage des nächsten Verwertungsfensters auf ihre ganz eigene Art angehen – nämlich tiefenentspannt und im Vertrauen auf eine gute Lösung. Sie warten einfach mal ab, welche Sender oder Plattformen im Laufe des langen Kinosommers auf sie aufmerksam werden und Interesse an "Yabadu" äußern. Unterschätzen sollte man Yvonne Pferrer und Jeremy Grube freilich auch diesmal nicht. Den Plan B eines kostenpflichtigen Abrufangebots auf ihrer eigenen Website haben sie längst in der Hinterhand.