Kurz vor dem Jahreswechsel sah es vorübergehend so aus, als gelänge es Kabel Eins, das Ruder noch herumzureißen. Doch der Dezember mit seinem Marktanteil von 4,6 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährige war dann auch schon der einzige, in dem der Privatsender erfolgreicher war als im Vorjahresmonat. In allen acht anderen Monaten der Saison stand ein Minus auf der Uhr – und in gleich fünf davon verfehlte Kabel Eins gar die Marke von vier Prozent, meist sogar ziemlich deutlich.
Noch liegt Kabel Eins in der Endabrechnung vor RTLzwei, doch in Stein gemeißelt ist das nicht, wie sich im Mai zeigte, als der Konkurrent aus Grünwald plötzlich einen halben Prozentpunkt in Führung lag. Zurückzuführen ist die jüngste Entwicklung von Kabel Eins nicht zuletzt auf die US-Fiction, allen voran auf Serien-Dauerbrenner wie "Navy CIS", die mit ihren unzähligen Wiederholungen mittlerweile längst nicht mehr die Quoten-Flughöhe erreichte, wie man sie noch vor wenigen Jahren gewohnt war.
Ein Alleinstellungsmerkmal sind stundenlange Wiederholungen von US-Serien ohnehin längst nicht mehr – kleinere Konkurrenten wie Nitro und Vox Up, aber auch Sender wie Sat.1 Gold oder Sixx aus der eigenen Sendergruppen, fahren ähnlichen Strategien. Die zunehmend wachsenden Quoten-Sorgen betreffen bei Kabel Eins aber nicht nur die Primetime, in der oft nicht mal mehr zwei Prozent Marktanteil erzielt werden, sondern auch die Daytime, also das Rückgrat des Senders. Für Kabel Eins ist das ein kaum zu lösendes Problem, weil es angesichts der zahlreichen Sendeplätze, die mit den Serien gefüllt werden, schlicht keine wirkliche Alternative gibt.
Der Versuch, am späten Nachmittag eine zusätzliche Stunde mit eigenproduzierten, aber eben nicht frischen Formaten zu füllen, hat sich bislang allenfalls bedingt in steigenden Quoten niedergeschlagen. Auch am Freitagabend hatte Kabel Eins in der zurückliegenden Saison zwischenzeitlich versucht, die Abhängigkeit von US-Fiction durch vermehrte Eigenproduktion im Zaum zu halten. Die Bilanz des True-Crime-Testlaufs fällt zwar mäßig aus, doch insbesondere "Deutschlands spektakulärste Kriminalfälle" zeigten mit bis zu 5,4 Prozent Marktanteil in der Spitze, dass auf diesem Feld durchaus etwas gehen könnte.
Viel Grundrauschen und ein Leuchtturm
Doch selbst auf seine Eigenproduktionen konnte sich Kabel Eins zuletzt nicht durchgehend verlassen. So fiel die neue Dokusoap "Yiehaa! Unser Traum vom Wilden Westen", in der deutsche Cowgirls und Cowboys bei ihrem Traum vom American Way of Life begleitet werden, beim Publikum komplett durch, und auch der Dauerbrenner "Rosins Restaurants" ist längst weit entfernt von einstigen Quoten-Höchstständen. Daneben sorgen "Die Reimanns" und "Trucker Babes" zwar für ein verlässliches Grundrauschen, aber meist auch nicht viel mehr.
Immerhin: "Achtung Abzocke" und "Roadtrip Amerika" sind verlässliche Anker, auch wenn Kabel Eins die dritte Staffel der Köche-Campingtour in diesem Jahr etwas unglücklich gegen das quotenstarke RTL-Dschungelcamp programmierte, was der Quote erkennbar schadete. Den größten Coup landete man aber mit einem Neuzugang von der Konkurrenz: "Morlock Motors", die Fortsetzung der langjährigen DMAX-Dokusoap "Steel Buddies", schlug von Beginn an ein und bescherte Kabel Eins bereits zwei Staffeln mit Spitzenwerten.
Doku-Star Michael Manousakis ist damit binnen kürzester Zeit zum programmlichen Aushängeschild aufgestiegen, doch die Marktanteilsentwicklung von Kabel Eins in der zurückliegenden Saison zeigt, dass "Morlock Motors" alleine kaum reichen wird, um das Ruder wieder herumzureißen. Dafür bräuchte es eine Reduzierung der Abhängigkeit von amerikanischen Serien in Dauerschleife – ein Wunsch, den sich Kabel Eins auf absehbare Zeit vermutlich allenfalls punktuell wird erfüllen können.