Mit großer Geste wurde ProSieben Anfang des Jahres für eine Woche in ProAcht umbenannt – es war der Gewinn, den sich Joko und Klaas in der Neujahrsausgabe von „Joko & Klaas gegen ProSieben“ erspielt hatten. Doch letztlich blieb der nette Gag – anders als beispielsweise der erspielte Programmtag im Jahr zuvor - eine Randnotiz ohne größere Auswirkungen auf die Quoten. Und nach dieser Saison bleibt dann doch die bittere Erkenntnis, dass ProSieben inzwischen eher in Richtung ProSechs als in Richtung ProAcht tendiert.
Denn in vier Monaten (Dezember, Januar, Februar und Mai) stand beim ProSieben-Marktanteil nur noch eine Sechs vor dem Komma, in sechs von neun Monaten verpasste der Sender den Vorjahreswert – der Abwärtstrend hält also unvermindert an, wozu freilich auch beiträgt, dass ProSieben das jüngste der Vollprogramme ist und damit besonders stark von der sich ins Non-Lineare verlagernden Fernsehnutzung betroffen ist.
Raab-Angriff pariert
Dabei gelang es ProSieben, den größten Angriff von RTL ohne größere eigene Blessuren zu parieren. Denn während im Herbst die Veröffentlichung von Raabs „Du gewinnst hier nicht die Million“ auf RTL+ fünf Minuten vor der linearen Ausstrahlung von „TV Total“ bei ProSieben noch als kleine Provokation abgetan werden konnte, versuchten die Kölner im Frühjahr dann den Frontalangriff und wollten Raab in direkter Konkurrenz zu Sebastian Pufpaff ins Rennen schicken.
In einer auch senderintern nicht unumstrittenen Entscheidung reagierte man bei ProSieben mit einer fast schon panikartig wirkenden einmaligen Verschiebung von "TV Total" in den späten Abend – und ab der Folgewoche zu einem umfassenden Umbau mehrere Programmtage. "TV Total" wechselte auf den Dienstagabend, die bislang dort beheimateten Shows auf den Mittwoch. Eine durchaus riskante Variante angesichts teils gut etablierter Sendeplätze – doch letztlich ging das Vorgehen frei nach dem Motto "Der Klügere gibt nach" auf: "TV Total" nahm sein Publikum auf den neuen Sendeplatz mit - und Raab zog nach kurzer Zeit mittwochs regelmäßig den Kürzeren gegen ProSieben, erst gegen die "Topmodels", dann gegen Joko und Klaas.
"TV Total" und "GNTM"-Erfolge nicht beliebig erweiterbar
Und trotzdem fällt die Bilanz mit Blick auf "TV Total" nicht nur positiv aus. Als Antwort auf Stefan Raabs Comeback bei der Konkurrenz hatte man die "TV Total"-Dosis deutlich erhöht. Doch der neue Ableger "TV Total - aber mit Gast" lief montags allenfalls mittelmäßig. Und von den großen Primetime-Events konnte eigentlich nur das "Turmspringen" richtig überzeugen, während "Promi-Wrestling", "TV Total XXL" und selbst die "Wok-WM" diesmal mit einstelligen Marktanteilen in der Zielgruppe klar hinter den Erwartungen an solche Produktionen zurück blieben.
Und nicht nur mit Blick auf "TV Total" erwies sich, dass ein Ausbau erfolgreicher Programm-Marken nicht ganz so einfach ist: "Germany's Next Topmodel" schickte man in diesem Jahr erstmals regelmäßig an zwei Abenden pro Woche auf Sendung. Nachdem 2024 erstmals Männer um den Topmodel-Posten kämpfen konnten, wurde so nun in der ersten Phase der Staffel wieder eine Geschlechtertrennung eingeführt. "Germany's Next Topmodel" erreichte am zusätzlichen Abend nun zwar höhere Marktanteile als ProSieben wohl ohne die Topmodels dort hätte erzielen können - doch insgesamt ging das Interesse an dem Format in diesem Jahr im Gegenzug auch deutlich zurück.
Zunächst dürfte die Rechnung zwar angesichts der zusätzlich gefüllten Zeit aufgegangen sein, doch ProSieben muss aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen. Wozu das sonst führen kann, lässt sich bei "The Masked Singer" beobachten, das man so lange mit hoher Taktung überstrapaziert hat, dass es in dieser Saison nun nicht mal mehr zweistellige Marktanteile in der Zielgruppe erzielen konnte. Zur Erinnerung: Noch 2020 lag man teilweise über 30 Prozent und erreichte in der Spitze mehr als fünf Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. In diesem Winter rutschte man erstmals unter die Millionen-Marke.
Ein sehr gutes Quiz (mit hohen Quoten) - aber sonst?
Um so wichtiger wäre es also, neue Erfolge im Programm zu etablieren - und man kann ProSieben dabei nicht vorwerfen, nicht einiges versucht zu haben. Doch mit der Etablierung einstündiger Comedyshows abseits von "TV Total" tut man sich weiter schwer. "Fake News" konnte ebensowenig dauerhaft überzeugen wie "Chris du das hin?", "Bratwurst & Baklava" und die "Quatsch Comedy Show". Sie alle entwickeln sich aus Quotensicht eher in die falsche Richtung. Und "Experte für alles" mit Klaas Heufer-Umlauf läuft zwar besser als das linear schon länger völlig verloren wirkende "Late Night Berlin", hat aber nach einem zunächst erfolgreichen Einstand ebenfalls deutlich zu kämpfen.
Mehr Freude bereitete da schon ein anderes neues Format: Florida TV gelang es, das während des 24-Stunden-Events spontan in Serie geschickte "Sehr gute Quiz (mit hoher Gewinnsumme)" so weiterzuentwickeln, dass man es tatsächlich sinnvoll auf Strecke bringen konnte. Es ist zwar kein ähnlich durchschlagender Erfolg wie "Wer stiehlt mir die Show?" geworden (das nun allerdings auch erste Abnutzungserscheinungen zeigte), bescherte ProSieben aber vier erfolgreiche Samstagabende. Als Live-Shows an wechselnden Orten sind die allerdings auch mit entsprechendem Aufwand und Kosten verbunden.
Als große Flops müssen dafür andere Programmvorhaben abgehakt werden. Die "Superduper Show" mit den Kaulitz-Brüdern lief im September zum Auftakt so schwach, dass sie direkt wieder aus dem Programm genommen wurde. Die versprochene Suche nach einem neuen Sendeplatz dauert bis heute an. "Destination X" floppte ebenfalls und musste nach zwei Wochen den Platz mit dem "Promi-Büßen" tauschen, das man eigentlich schon vor allem für Joyn vorgesehen hatte und nur noch spätabends zeigen wollte. Apropos Joyn: Generell dient ProSieben am späteren Abend inzwischen großflächig als Abspielstätte für Formate, die eigentlich mit Blick auf Joyn produziert wurden und bei der linearen Ausstrahlung dann überwiegend katastrophale Quoten erzielen. Das mag nötig sein, um die Investitionen durch ein bisschen lineare TV-Werbung wieder reinzukriegen, dem Sendermarktanteil schadet es aber.
Experimentierfreude bleibt aber weiter gefragt. Denn auch wenn der neueste "Big Bang"-Ableger "Georgie & Mandy" sich ziemlich gut hält: Aus Hollywood ist keine allzu große Unterstüzung über die weiter solide laufenden Filmabende hinaus mehr zu erwarten, andere Serien sind Füllmaterial, das eher schlecht als recht performt. ProSieben wird also nichts anderes übrig bleiben, als auch in der nächsten Saison nach erfolgreichen Eigenproduktionen zu suchen.