"Die 4 vor dem Komma steht", konnten wir nach der Saison 2023/24 an dieser Stelle noch konstatieren - ein Halbsatz, der sich diesmal nicht so einfach wiederholen lässt. Tatsächlich stand die 4 nur in gerade mal zwei von neun Monaten zwischen September 2024 und Mai 2025 vor dem Komma. Und das Tröstlichste daran ist, dass das neben dem Oktober zu Beginn immerhin auch zum Abschluss der Saison nochmal gelang. Doch dazwischen lagen viele ziemlich schwierige Monate für den Sender, der nach dem Kartellamtsbeschluss, der das Schlüpfen unters Dach der Ad Alliance untersagte, bis auf Weiteres weiterhin als Einzelkämpfer in der Vermarktung unterwegs bleibt und daher um so mehr um Aufmerksamkeit kämpfen muss.
Nun ist es natürlich zunehmend unfair, einen Sender nur nach seiner linearen Performance zu beurteilen, wenn doch die Streaming-Nutzung einen wachsenden Anteil ausmacht. Das gilt für jeden Sender, es gilt aber für einen wie RTLzwei, zu dessen Markenzeichen betont junge Formate gehören, in ganz besonderem Maße. Trotzdem gilt aber eben weiterhin, dass viele der Werbe-Euros nach wie vor mit dem linearen Angebot verdient werden - ein gutes Abschneiden in beiden Welten ist dementsprechend die Königsdisziplin.
Reality wird zum zweischneidigen Schwert
Und so entwickelt sich das Reality-Genre, das RTLzwei lange Jahre sehr gute Dienste erwiesen hat und das in Teilen auch immer noch tut, langsam zu einem zweischneidigen Schwert. Bei der etwas überraschenden Neuauflage der "CoupleChallenge" bejubelte RTLzwei zwar die hohen Nutzungszahlen auf RTL+ - doch mit im Schnitt nur 2,7 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der TV-Ausstrahlung (selbst schon unter Berücksichtigung der zeitversetzten Nutzung) riss das Format eben zugleich auch ein tiefes Loch in die Primetime-Bilanz.
Bei "Love Island" hat man die Strategie gewechselt und zeigt nun weniger Folgen in der Primetime statt tägliche Ausgaben am späten Abend. Rechnet man die zeitversetzte Nutzung mit ein, dann holte das Format so immerhin wieder 4,8 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen, "Kampf der Realitystars" liegt bei im Schnitt knapp über 5 Prozent. Es sind noch immer sehr ordentliche Werte, die aber nicht mehr den einstigen Leuchtturm-Charakter haben und den Sender somit auch nicht mehr kräftig nach oben ziehen. Solange man linear auf diesem Niveau bleibt und gleichzeitig im Streaming punktet, geht die Rechnung aber auf. Bleibt angesichts des Trends nur die Frage: Wie lange noch?
Größere Probleme bereitet dem Sender unterdessen weiterhin der Versuch, im Entertainment- und Show-Bereich richtig Fuß zu fassen. Mit "Genial daneben" hat man hier zwar einen Anker, der immer mal wieder beweist, dass damit richtig gute Quoten zu holen sind - in anderen Wochen dann aber auch wieder unter die Räder gerät. Was aber vor allem fehlt sind weitere Formate, die man im Umfeld erfolgreich platzieren könnte. Zuletzt versuchte man es mit "Nobody's perfect", zog nach zwei Folgen mit ganz schwachen Quoten aber die Notbremse und sucht nun nach einem neuen Sendeplatz. Auch "Nightwash" sendet vor ganz kleinem Publikum. Im Vergleich zur Vorsaison hat man die Ambitionen in diesem Bereich aber ohnehin schon merklich zurückgefahren.
"Die Geissens" punkten - und sonst?
Um so stärker konzentrierte man sich auf die Suche nach den nächsten Geissens. Nicht, dass man die bisherigen loswerden möchte, ganz im Gegenteil: Sie sind längst die prominentesten Gesichter des Senders und angesichts der noch immer verlässlich guten Quoten unverzichtbar für den Sender, zumal inzwischen ja auch die Töchter mit eigener Dokusoap (bei einigen Schwankungen) ihr Publikum finden. Doch abgesehen von der ebenfalls seit vielen Jahren etablierten Großfamilie Wollny gelang es die letzten Jahre schon nicht, weitere Protagonisten mit solcher Zugkraft beim Publikum zu finden.
Auch diesmal fällt die Bilanz ernüchternd aus, obwohl man viel probiert hat. "Diese Büchners" startete zwar gut, kam im Herbst dann aber allzu schnell unter die Räder. Eine zweite Staffel startet trotzdem in Kürze. Stark gestartet, stark nachgelassen gilt auch für "Willkommen bei Familie Weiß" (bei denen man erstaunlicherweise den Titel "Die Weissens" liegen ließ). "Herr Glööckler sucht das Glück" bekam seine zweite Chance und verschwand nach zwei ganz schwachen Folgen direkt wieder. Die Hochzeit von Cosimo ("My Big Fat Italian Wedding") interessierte kaum jemanden. Noch nicht mal das altgediente Rezept "Sex sells" funktionierte: "Texas Patti - Mein Leben am Höhepunkt" enttäuschte ebenfalls.
Obendrein gelang es auch nicht, dem erfolgreichen "Reeperbahn privat" einen Ableger aus Las Vegas zur Seite zu stellen. Die Pilotfolge von "Las Vegas privat" lief jedenfalls so mau, dass eine Fortsetzung kaum wahrscheinlich ist. Und es gab noch mehr Enttäuschungen: Die Wiederbelebung der "Kochprofis" fiel durch, der für eine "Schatzjagd durch Europa" in die Primetime beförderte "Trödeltrupp" unterstrich, dass er nicht für die Hauptsendezeit geeignet ist (am späteren Abend aber durchaus sein Publikum findet). Und Gülcan wird angesichts der schwachen Quoten wohl nicht häufiger "Mallorcas Traumhäuser" präsentieren.
Sozialdokus als Fels - und Lichtblicke in der Daytime
Wie ein Fels in der Brandung wirken da die Sozialdokus, die zwar ihren Zenit auch schon vor einiger Zeit überschritten haben, RTLzwei aber noch immer regelmäßig richtig gute Quoten bescheren - und zwar, weil RTLzwei damit etwas gelingt, womit man sonst Probleme hat, was aber angesichts der abgesackten TV-Nutzung in jüngeren Altersgruppen inzwischen essentiell ist: Die Formate wie "Armes Deutschland" und "Hartz und herzlich" sprechen auch die etwas Älteren in größerer Zahl an.
Und das nicht nur am Abend, auch in der Daytime funktionieren Wiederholungen der Formate teilweise recht gut. Doch auch abgesehen davon hat RTLzwei in den letzten Monaten schöne Erfolge im Tagesprogramm gefeiert. "Unser Supermarkt" entwickelte sich im Herbst zu einem echten Hit im Nachmittagsprogramm, auch wenn sich Staffel 2 aktuell etwas schwerer tut. Und es kommen auch aus dem Vorabend positive Signale: "Berlin - Tag & Nacht" hat sich nach einer zwischenzeitlichen Schwächephase dort wieder gefangen und holte zuletzt die besten Marktanteile seit Langem - dank eines treuen Publikums, das auch die anziehenden Temperaturen nicht vom Fernseher weglocken konnte. Um die 4 vor dem Komma wieder dauerhaft in Angriff nehmen zu können, wäre ein Verstetigen dieses Erfolgs schon sehr hilfreich.