Eigentlich war schon alles angerichtet: Am 7. Mai sollte der Rundfunkrat der Deutschen Welle darüber entscheiden, wer neuer Intendant bzw. Intendantin des Auslandssenders wird. Die Wahl wurde allerdings verschoben, weil sich in Berlin eine noch wichtigere Personalie auftat: Friedrich Merz wurde nur einen Tag vorher zum Bundeskanzler gewählt. Und weil im Rundfunkrat des Auslandssenders eben auch Politikerinnen und Politiker sitzen, war schnell klar, welcher Termin die höhere Priorität hat.

Im Vorfeld des ersten Termins gab es noch reichlich Kritik an dem Auswahlverfahren, weil nach der öffentlichen Ausschreibung der Stelle quasi keine offiziellen Infos vom Sender kamen. Als "vollkommen aus der Zeit gefallen" kritisierte etwa der DJV-Vorsitzende Mika Beuster das Verfahren. Tatsächlich ist die Intransparenz bei der Deutschen Welle noch größer als bei anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Der Rundfunkrat der DW tagt nicht einmal öffentlich - am Freitag wird man also nur das Ergebnis verkünden. Niemand kann sich ein Bild davon machen, wie sich Barbara Massing vor dem Gremium vorgestellt hat und was ihre Visionen sind. Geschweige denn: Wieso die Findungskommission des Rundfunkrats Massing als einzige Kandidatin vorgeschlagen hat. Weil der gesamte Prozess wenig durchsichtig ist, sprachen Beobachter in der Vergangenheit immer wieder auch von einem "Konklave".
Ein Sender mit großen Herausforderungen
Verantwortlich für die Intransparenz beim deutschen Auslandssender ist in erster Linie der Vorsitzende des Gremiums, Prälat Dr. Karl Jüsten - passend zum Thema Konklave. Zwar ist im DW Gesetz festgehalten, dass der Rundfunkrat nicht öffentlich tagt, das Gremium kann aber sehr wohl auch eigenständig eine Öffentlichkeit beschließen. Daran hat man aber offenkundig kein Interesse. Karl Jüsten beantwortet keine Fragen zum Auswahlverfahren und auch Intendant Peter Limbourg zieht es vor, sich nicht einzumischen. Auf den letzten Metern seiner Amtszeit wäre es ein einfaches, noch einmal auf Missstände hinzuweisen.
Es gibt im Sender - unterhalb von Spitzen-Management und Gremien - aber durchaus auch relevante Strömungen, die den Status Quo befürworten. Hier heißt es, die Nicht-Öffentlichkeit der Rundfunkratssitzungen würde dazu führen, dass das Gremium offen und kontrovers diskutiere. Und es gibt Befürchtungen, dass das nicht mehr so wäre, sobald Pressevertreter mit im Raum wären.
So oder so: Die Deutsche Welle steht vor großen Herausforderungen. Peter Limbourg hat es in den vergangenen Jahren zwar geschafft, den Etat des Senders immer weiter zu steigern, zuletzt auf jährlich mehr als 400 Millionen Euro, dennoch war seine letzte Amtszeit zuletzt immer wieder von Negativschlagzeilen geprägt. Da war einerseits eine Antisemitismusdebatte vor wenigen Jahren und ein großes Sparprogramm 2023, das viele im Sender verunsichert hat. Hinzu kommen Herausforderungen, vor denen alle TV-Sender stehen (steigende Kosten, Druck durch Fake News etc.) sowie die Tatsache, dass mit Radio Free Europe und Voice of America zwei bekannte Sender durch Donald Trump unter Druck geraten - sie hinterlassen Lücken, die die Deutsche Welle füllen will.
Deutsche Welle soll mehr kooperieren

Es gehe darum, den Tanker Deutsche Welle gut in die Zukunft zu bringen, heißt es aus Regierungskreisen gegenüber DWDL.de. Dort ist man überzeugt davon, dass Barbara Massing die richtige Person für den Job ist. Es werde darum gehen, die Deutsche Welle als Stimme der Freiheit aufrechtzuerhalten und sie gleichzeitig effektiver aufzustellen. Gelingen soll das unter anderem mit vermehrten Kooperationen, etwa mit Partnern in Europa. Die Deutsche Welle solle stärker als bislang in einem demokratisch europäischen Prozess eingebunden werden, heißt es aus Regierungskreisen. Hier wünscht man sich vor allem eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Auslandssendern, allen voran dem französischen France 24.
Pragmatismus im Wahlprozedere
Die aktuelle Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag jedenfalls zur Deutschen Welle bekannt und darin auch erklärt, den Sender zu stärken und ihre gesetzliche Grundlage "zeitgemäß" zu novellieren. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass könnte womöglich zu einer Konkretisierung des Auftrags führen. Während aktuell recht allgemein festgehalten ist, dass die DW deutsche und andere Sichtweisen "sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten" ein Forum geben solle, könnten die Zielregionen des Senders künftig etwas konkreter genannt werden.
Nun muss Barbara Massing am Freitag aber erst einmal gewählt werden. Aus dem 17-köpfigen Rundfunkrat stammen sieben Mitglieder aus der Politik, die zehn anderen werden von verschiedenen Organisationen entsandt. Gewählt ist Massing, wenn sie die Stimmen von zwei Dritteln der Mitglieder erhält. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, wurde zuletzt beim NDR deutlich. Anders als im hohen Norden geht man es bei der Deutschen Welle allerdings pragmatisch an, sollte die Hürde in den ersten zwei Wahlgängen verpasst werden. Beim dritten Wahldurchgang reicht Barbara Massing die einfache Mehrheit der Stimmen. Damit sollte ziemlich klar sein: Am Freitag wird weißer Rauch über Bonn aufsteigen. Vermutlich wird es das kürzeste Konklave aller Zeiten.