Dass Das Erste schon seit vielen Jahren aus Quotensicht nur das Zweite ist und von den je nach Betrachungsweise Kollegen oder Rivalen aus Mainz an den meisten Tagen nur die Rücklichter sehen, hat sich auch in der zurückliegenden TV-Saison nicht geändert. Doch es gelang der ARD, den Rückstand aufs ZDF ein ganzes Stück zu verkleinern. Hatte sich die Saison mit Blick auf die Marktanteile im September letzten Jahres noch mit einem ganz kleinen Minus angelassen, so liegt Das Erste nun seit November durchweg über den Vorjahreswerten - und zwar teils massiv mit bis zu 1,4 Prozentpunkten.

Dass es zum November zu diesem lang anhaltenden Aufschwung kam, gibt schon einen Hinweis darauf, wo man nach den Gründen suchen kann. Fündig wird man am 6. November: Die Wahl von Donald Trump stürzt die Welt ins Chaos, der Bruch der Ampel-Koalition stürzt Deutschland ins Chaos. Politisch so bewegte Zeiten sind gleichzeitig gute Zeiten für jene Anbieter, auf die die Deutschen in Sachen Nachrichten vertrauen - und da steht die ARD mit der "Tagesschau" und ihren anderen Informationsangeboten weiterhin ganz weit vorne.

Allein die "Tagesschau" im Ersten erzielte im Saison-Schnitt letztlich einen über zwei Prozentpunkte höheren Marktanteil als in der Vorsaison, auch die Talks von Caren Miosga, Sandra Maischberger und Louis Klamroth stießen in diesen Wochen und Monaten auf ein deutlich gestiegenes Interesse, dazu kamen etliche Sondersendungen, nicht nur nach dem Platzen der Koalition, sondern in gesteigerter Form nochmal rund um die Bundestagswahl. Auch bei den Info-Angeboten anderer Sender gab es einen Effekt, nirgends war er aber so stark wie beim Ersten. Unabhängig davon machte es sich aber aus Quotensicht auch bezahlt, dass die ARD auf ihrem Doku-Platz am Montag verstärkt auf bekannte Gesichter als Presenter setzt.

Starke Primetime-Bilanz - trotz ausgedünntem Film-Angebot

Doch auch abseits der Information gibt's bei der ARD mit Blick auf die Primetime nicht allzu viel zu meckern. Nur kurz erwähnt sei hier der Sport, mit dem der Sender immer punkten kann, sowohl live wie auch mit der "Sportschau" am Samstag. Im Show-Bereich kann unterdessen man auf jahrelang bestens etablierte Marken vertrauen wie "Klein gegen Groß", "Verstehen Sie Spaß", die Silbererisen-Shows oder die XXL-Ableger der Vorabend-Quizsendungen - ohne dass man sich hier nun allzu experimentierfreudig geben musste. Die Sendungen holen längst auch bei den Unter-50-Jährigen Quoten, von denen die Privaten häufig nur noch träumen können.

Und dann zahlte sich zudem die Zusammenarbeit mit RTL und Stefan Raab mit Blick auf den Eurovision Song Contest aus: Hatte man den Vorentscheid die letzten Jahre am späteren Abend versteckt, so trat man nun mit Raab an der Spitze wieder mit breiter Brust selbstbewusst auf. Mit Blick aufs Abschneiden des deutschen Acts beim ESC ist der Plan vielleicht nicht aufgegangen, doch die Kooperation brachte dringend nötigen frischen Wind, der sich auch in deutlich gestiegenen Quoten sowohl beim Vorentscheid als auch bei den Finalshows widerspiegelte.

Noch deutlich mehr Platz im Programm nimmt aber das Fiction-Angebot ein - und auch da kann man auf eine starke Saison zurückblicken. "Tatort" und "Polizeiruf" am Sonntag sowie die Donnerstagskrimis sind quasi Selbstläufer, auch die Freitagsfilme schlagen sich gut. Den Dienstag hat man mit "Die Kanzlei", "Tierärztin Dr. Mertens" und (trotz rückläufiger Werte) "Mord mit Aussicht" sowie dem Dauerläufer "In aller Freundschaft" gut im Griff. Und gleichzeitig gelang es, neben diesem seriellen Brot- und Butter-Geschäft trotzdem auch spitzere Stoffe mit Blick auf die Mediathek zu produzieren. Gleichzeitig schaffte es Das Erste, mit etlichen Miniserien nicht nur online, sondern auch linear zu punkten. "Spuren" wäre so ein Beispiel, "Die Augenzeugen", "Levi Strauss und der Stoff der Träume" oder die Fortsetzung von "Die Toten von Marnow".

Die im letzten Jahr noch höhere Zahl der Serien, die für die Mediathek produziert wurden und bei der linearen Ausstrahlung die Primetime verhagelten, war diesmal sehr überschaubar, vor allem "A better place" bleibt da in Erinnerung. Ansonsten lässt man solche Produktionen inzwischen lieber gleich im Spätprogramm versenden. Die Umschichtungen vom Film- und den Serienbereich reißen inzwischen trotzdem Löcher in den Programmplan, vor allem am Mittwochabend. Ganze drei Film-Erstausstrahlungen gab's da seit Jahresbeginn noch, sonst setzt die ARD ihrem Publikum inzwischen meist schlicht Archiv-Ware vor - fährt damit aber meist so ordentlich, dass es ein verschmerzbares Opfer scheint, wenn man zugleich mehr Spielraum für abseitigere Produktionen für ein Streaming-Publikum gewinnt.

Kein Fortschritt bei Baustellen, doch der Vorabend glänzt

Doch nicht nur in der Primetime bereitet die Fiction der ARD Freude: "Morden im Norden", "Großstadtrevier", die "WaPos", "Watzmann ermittelt" oder "In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte" zeigten allesamt mit Blick auf die Marktanteile eine steigende Form, zuvor sind "Wer weiß denn sowas?" und "Gefragt - Gejagt" eine Bank, auch das "Quizduell" kann freitags zulegen. Das tröstet darüber hinweg, dass Programmdirektorin Christine Strobl bei anderen Baustellen so gar nicht voran gekommen ist.

Nachdem man im Herbst mit dem Talk "Amado, Belli, Biedermann" spektakulär gescheitert ist und nach nur drei Folgen die Notbremse zog, scheint man die Ambitionen, den Sendeplatz um 16 Uhr aufzuwerten, inzwischen wieder aufgegeben zu haben, stattdessen behilft man sich mit Serien-Wiederholungen oder Wiederholungen anderer Formate aus den Dritten. Und zwischen 14 und 16 Uhr bleibt man bis auf Weiteres bei den Telenovelas, die zwischenzeitlich beabsichtigte Kürzung hat man ja bekanntlich schnell wieder einkassiert - mit Blick auf die dadurch nur wenig sinkenden Produktionskosten, die seit vielen Jahren vergebliche Suche nach anderen Erfolgen für den Nachmittag und vor allem: Die hohen Abrufzahlen in der Mediathek - war es ohnehin von vornherein eine Schnapsidee.

Auch mit einem anderen Vorhaben ist die ARD gescheitert: Den Sendeplatz freitags um 21:45 Uhr mit Comedy zu bespielen. "Smeilingen" erwies sich trotz namentlich sehr hochkarätiger Besetzung nicht nur aus Quotensicht als Totalausfall. Immerhin hat man mit "Extra 3" und auch "Nuhr im Ersten" donnerstags starke Anker für die spätabendlichen Satire- und Comedy-Plätze. Ein bisschen mehr frischer Wind in dem Bereich könnte freilich trotzdem nicht schaden.

Doch alles in allem gibt es aktuell nicht die ganz großen Problemstellen im Programm. Vielleicht kommt man in München ja auch deshalb auf manch abseitig wirkende Idee wie die einer Verlängerung der "Tagesschau" auf 30 Minuten. Kommt es dazu, werden nicht nur für Das Erste die Karten nochmal neu gemischt, sondern für den ganzen TV-Markt. Spannend wär's. Ob's auch klug wäre, steht aber auf einem ganz anderen Blatt.