Es dürfte kaum noch jemanden geben, der den Kurswechsel der letzten Jahre nicht mitbekommen hat: Prime Video will der Streamingdienst für den Mainstream werden. Also kein AppleTV+, keine Avantgarde oder Nische finden. Das spiegelt sich in familientauglicher Comedy wie „LOL“, Hochglanz-Soaps wie „Maxton Hall“, der Verpflichtung von Köpfen wie Bastian Pastewka und Anke Engelke, Verfilmungen von Fitzek-Bestsellern oder der Beauftragung von mehreren Realitys ebenso wie einer Quizshow. Und auch im dem Sportprogramm: Mit der Champions League und seit vergangenem Jahr eben auch Wimbledon hat Prime Video in tatsächlich nachgefragte Sportevents investiert. Das unterscheidet von NFL bei RTL+ bzw. Netflix oder der NBA, die Prime Video selbst künftig aufgrund eines internationalen Deals auch in Deutschland zeigt. Da regiert das Prinzip Hoffnung.

Clemens von Thielmann © Amazon Prime Video Clemens von Thielmann
Bei Wimbledon ist das anders. Mit der Komplexität der Programmplanung aufgrund von Wettereinflüssen und grundsätzlich der Parallelität der Matches ist das traditionsreiche Turnier im Südwesten Londons im Linearen schwer abbildbar, war daher vor Prime Video viele Jahre bei Sky zuhause. Und trotz der langjährigen Bezahlschranke hat Wimbledon in Deutschland nicht an Renommee oder Bedeutung verloren. Für Prime Video war der Erwerb der Übertragungsrechte ein Coup: Anders als bei gelegentlichen Fußballspielen lässt sich mit Wimbledon gezielt und über zwei Wochen für sich werben, noch dazu im Sommer wo das Gegenprogramm der linearen Sender in der Regel nicht von Highlights gesegnet ist. „Wir sind sehr stolz auf den Erfolg des ersten Jahres und werden auf vielem aufbauen, das von unseren Zuschauer:innen mit großer Begeisterung aufgenommen wurde“, sagt Prime Video-Sportchef Clemens von Thielmann. 

Überzeugen kann sich das Publikum ab heute davon. Katharina Kleinfeldt und Alex Schlüter - mit seinem letzten Einsatz für Amazon vor dem Wechsel zur ARD - begrüßen die Zuschauerinnen und Zuschauer aus dem Prime Video-Studio, gleich neben dem Centre Court. In diesem Jahr will man laut von Thielmann übrigens besser vorbereitet sein für das unberechenbare britische Wetter. Bei der Prime Video-Premiere in Wimbledon vor einem Jahr sorgte überraschend nasskaltes Wetter sogar für personelle Ausfälle, weil die ausgesuchte Moderationsposition zwar was her machte, doch den Elementen dann etwas zu sehr ausgesetzt war. Dieses Jahr startet man zwar mit über 30 Grad, doch Regen kündigt sich in den kommenden Tagen bereits an. Cayana Freeman und Moritz Lang nützt das alles nix: Sie sind wie im Vorjahr weiter bei egal welchem Wetter als Reporter vor Ort unterwegs. 

Wimbledon bei Prime Video 2025 © Prime Video Nicht einmal die Hälfte des OnAir-Teams von Prime Video

Größer als im ersten Jahr von Wimbledon bei Prime Video ist die Riege der Kommentatorinnen und Kommentatoren, um noch mehr Plätze und Matches abdecken zu können. Oder wie es Sportchef von Thielmann formuliert: „In diesem Jahr legen wir noch einen drauf, indem wir zwei weitere Courts ins Programm holen. Dadurch können Prime-Mitglieder in Deutschland und Österreich insbesondere während der ersten Woche noch mehr Action erleben und das hoffentlich auch lange von unseren deutschen und österreichischen Spielern.“ Das Kommentatoren-Team besteht diesmal aus Jonas Friedrich, Markus Theil, Marcel Meinert, Jan Platte, Nicola Geuer, Hannes Herrmann, Lukas Schönmüller, Markus Zoecke, Dennis Heinemann, Sascha Bandermann, Andreas Thies, Jens Huiber und Florian Heer. Eine lange Liste und das sind nur die, die zu hören oder sehen sind. Prime Video hatte schon im vergangenen Jahr hinter Lokalmatador BBC aber gleich auf mit dem US-Team von Disney/ESPN/ABC die zweitgrößte Crew vor Ort.

Christoph Schneider © Prime Video / Clou Media Christoph Schneider
180 Mitarbeitende waren es 2024 - und das Team ist in diesem Jahr nicht kleiner geworden. Selbst für einen globalen Konzern wie Amazon ist diese Sportübertragung ein Mammut-Projekt, wenn man bedenkt, dass man damit nur den deutschen und österreichischen Markt bespielt. Auch das unterscheidet die Wimbledon-Übertragung der kommenden 14 Tage beispielsweise deutlich vom angekündigten NBA-Deal. Der wurde nicht in Deutschland gemacht - und sieht weitgehend die Übernahme von US-Berichterstattung vor. "Wir haben nicht die Ambitionen ein Sportsender zu werden, aber mit dem Anspruch, reichweitenstärkster Streamingdienst in Deutschland zu sein, gehört natürlich Sport dazu", erklärte Prime Video-Deutschlandchef Christoph Schneider vor Kurzem im Interview mit DWDL.de. "wie übrigens auch Unscripted Programming, denn Streaming 2025 ist nicht mehr Streaming 2015. Wir sind im Sport sehr gut aufgestellt mit Wimbledon, Champions League und jetzt noch Basketball der NBA."

Interessanterweise zeigt Prime Video das sportliche Großereignis allerdings nicht auf seinem gerade im April erst neu gestarteten linearen Fernsehsender. Dort wird mittags nur das fünfminütige Magazin „Wimbledon - Der Tag“ laufen und das obwohl der eigentliche Trick dieses linearen Programms genau hier besonders gut zur Geltung kommen würde: Während manche in der Branche bei der Ankündigung rätselten, wozu es 2025 einen Prime-Sender brauche, rieb man sich bei Amazon schon die Hände: Mit dem linearen Programm hat Prime Video es in die immer noch millionenfach gedruckten Programmzeitschriften geschafft, erreicht gerade beim älteren Publikum, bei dem man wachsen will, neue Sichtbarkeit. Doch wer in diesen Heften nun nachschlägt, wird Wimbledon live nicht im Programmablauf finden.