Mit Erfolgsbilanzen von Streamingdiensten ist das so eine Sache. Offizielle Zahlen lassen sich nur selten in Erfahrung bringen - und wenn es mal doch eine Ausnahme gibt, dann sind sie kaum vergleichbar mit den klassischen TV-Quoten, die die Branche seit Jahrzehnten gewohnt ist. Klar ist: Neben Netflix ist Prime Video der Platzhirsch auf dem deutschen Streamingmarkt. Doch in ihrer Ausrichtung könnten beide Anbieter hierzulande kaum unterschiedlicher sein. Während Netflix zuletzt ziemlich selektiv agierte, zeigte sich Prime Video in Angriffslaune und machte keinen Hehl daraus, verstärkt auf den Mainstream zu blicken.
Erkennbar ist das an der Vielzahl an Formaten, die man jüngst in Köln mit Blick auf die kommende Saison vorstellte - und der Annäherung an das klassische Free-TV, wie die Zusammenarbeiten mit ProSieben und Sat.1 im Falle von "Stromberg" und "Der letzte Bulle" zeigen. Und mit Wimbledon, vor allem aber mit der Champions League setzt Prime Video inzwischen auch im Live-Sport zunehmend Akzente.
Um eine Bilanz des zurückliegenden Jahres ziehen, muss die Bewertung freilich ohne konkrete Abrufzahlen auskommen. Und doch lässt sich bei einigen Projekten erahnen, ob sie von den Verantwortlichen um Christoph Schneider als Erfolg betrachtet worden sind oder nicht. Hilfreich ist der Blick zurück in den Februar 2024, als der Streamingdienst anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums auf dem deutschen Markt eine höhere Schlagzahl deutscher Projekte ankündigte. Nicht jedes davon, wie etwa die bildstarke Doku-Serie "German Cocaine Cowboy", eignete sich für eine Fortsetzung - doch einige der Formate hätten durchaus das Zeug gehabt, in Serie zu gehen.
So etwa die Promi-Show "Licht aus", moderiert von Steven Gätjen. Acht bekannte Köpfe stellten sich darin dem Experiment, 120 Stunden in absoluter Dunkelheit zu verbringen. Oder "Dinner Club", eine Mischung aus Kochshow und Roadtrip mit dem Schweizer 3-Sterne-Koch Andreas Caminada, die allerdings von ihrer Machart schon weit weniger mainstreaming anmutete als etwa "Licht aus". Gleiches gilt für "Star Kitchen" mit Tim Raue, der auftrebende Köchinnen und Köche auf ihrem Weg zum Michelin-Stern begleitete. Offiziell will sich Amazon zwar nicht zur Zukunft der drei genannten Formate äußern, doch nach DWDL.de-Informationen gilt in allen Fällen eine Fortsetzung als nicht wahrscheinlich - was die Vermutung nahelegt, dass die Abrufzahlen niedriger ausfielen als erhofft.
Mit "The Way Out" hat Prime Video indes erst vor wenigen Wochen eine weitere Promi-Spielshow an den Start gebracht - verspielt und bisweilen schrill, ganz im Stile beliebter Escape-Rooms. Hier ist nach DWDL.de-Informationen von Prime Video bislang noch keine Entscheidung bezüglich einer Fortsetzung getroffen worden. Anders als bei "LOL", dem Comedy-Dauerbrenner, der es inzwischen auf sechs Staffeln und zwei Specials bringt. Neue Rekord-Meldungen hat Prime Video diesmal zwar nicht veröffentlicht, doch auch in diesem Jahr belegte die Produktion von Constantin Entertainment wieder über Wochen hinweg den Spitzenplatz im deutschen Ranking des Streamers. Kein Wunder also, dass 2026 eine siebte Staffel folgen wird.
Einen ähnlichen Dauerbrenner etabliert zu haben, erhofft sich Prime Video zugleich mit Blick auf "The 50" - dem ersten Reality-Hit der Plattform. Trotz nicht gerade geringer Konkurrenz in diesem Genre hat sich die Show, produziert von Endemol Shine Germany und Rainer Laux Productions, inzwischen einen festen Platz in der Reality-Welt erobert, sodass auf die zweite Staffel im kommenden Jahr eine dritte folgen soll. Bei Amazon ist man vom Erfolg sogar so berauscht, dass man jüngst sogar ankündigte, mehr Shows dieses Genres an den Start bringen zu wollen, allen voran eine deutsche Version von "FBoy Island", für die man die bisherige "Tempatation Island"-Moderatorin Lola Weippert als Host gewinnen konnte.
Die Serien-Strategie geht auf
Und dann ist da natürlich noch "Maxton Hall" - jene Serie, die kaum weiter entfernt sein könnte von der Verfilmung des Bestsellers "Der Greif", mit dem es Prime Video noch vor gar nicht allzu langer Zeit versucht hatte. Tatsächlich erwies sich "Maxton Hall" nicht nur in Deutschland als Hit, sondern auch weit über die Grenzen hinaus: Der UFA-Produktion war im vergangenen Jahr sogar der erfolgreichste Start einer nicht-englischsprachigen Serie bei Prime Video gelungen. Da überrascht es freilich nicht, dass der Streamingdienst nicht nur zwei weitere Staffeln in Aussicht gestellt hat, sondern mit "Superior" gerade erst noch eine Serie ankündigte, die im Young-Adult-Sektor spielt.
Im fiktionalen Bereich war es aber nicht nur "Maxton Hall", das den Geschmack des Prime-Publikums traf - auch Bastian Pastewka und Anke Engelke trafen mit der btf-Serie "Perfekt verpasst" einen Nerv. Mit "Perfekt zusammen" wird schon an der Fortsetzung gearbeitet - und Pastewka ist darüber hinaus bald auch noch in dem Spielfilm "Fabian und die mörderische Hochzeit" zu sehen. Produktionen wie diese zeigen, dass es Prime Video ernst meint mit seinem Versuch, auf Mainstream zu setzen. Perspektivisch will der Streamingdienst dem linearen Fernsehen sogar mit Liveshows Beine machen.
Und so bleibt mit Blick auf die zurückliegende Saison vor allem eine Erkenntnis: Mag sein, dass nicht alle Neustarts zündeten - jene, die erfolgreich waren, werden die Verantwortlichen von Prime Video darin bestärken, den eingeschlagenen Weg noch zielstrebiger zu bestreiten. In Köln und Unterföhring, ist man gut beraten, diese Entwicklung genau im Auge zu behalten, zumal Amazon auch im Werbemarkt eine wachsende Rolle spielen will und die Länge der Werbeblöcke seit deren Einführung vor eineinhalb Jahren bereit auf bis zu sechs Minuten pro Stunde verdoppelt hat.