An zu wenigen FAST-Sendern hat es in den vergangenen Monaten wahrlich nicht gemangelt. FAST steht für Free Ad-Supported Streaming TV, die Sender sind also klassischen TV-Kanälen nachempfunden und finanzieren sich über Werbung. Einziger Unterschied: Sie werden ausschließlich online ausgespielt und zu sehen gibt es entweder immer die gleichen Inhalte zum Beispiel einer Serie oder ähnlich gelagerte Inhalte. Das sorgt im Idealfall dafür, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer möglichst lange dran bleiben. Und so entstand zuletzt eine ganze Schwemme an FAST-Sendern.

Die Themen der Podcasts reichen von Gesellschaft und Popkultur bis zu Mental Health und queeren Perspektiven, von True-Crime und PoC bis zu Freundschaft und Business. Als Köpfe mit dabei sind Annabelle Mandeng, Bambi Mercury, Su Holder, Jonas Lorbeer, Julian FM Stoeckel oder auch Kevin Albrecht, Sandra Kuhn und Jurassica Parka. Ein bunter Strauß also, den es nun in FAST-Form als TV-Sender zu sehen gibt.
"Wir nehmen die Zuschauerinnen und Zuschauer mit durch den Tag", sagt Co-Gründer Maurice Gajda im Gespräch mit DWDL.de. Er ist selbst Podcaster, auch seine beiden Formate "Dachboden Revue" und "In kleiner Runde - Der Medienpodcast" sind Teil von TalkNow. "Wer TalkNow einschaltet, wird mehr das Gefühl haben, einen klassischen Fernsehsender zu schauen, als wenn er bei einem anderen FAST-Kanal wäre", so Gajda. Man habe ein On-Air-Design mit Trailern, Programmtafeln und Spots, die die jeweils nächsten Programme ankündigen. So sollen die Nutzer bei der Stange gehalten werden.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die ganz großen Podcasts fehlen aktuell noch im Angebot. Das ist auch darauf zurückzuführen, weil die sehr erfolgreichen Angebote mit hohen Abrufzahlen schon heute sehr professionell agieren und sich beispielsweise selbst sehr gut vermarkten können. Da stellt sich für diese Podcasterinnen und Podcaster zum aktuellen Zeitpunkt wohl noch die Frage, wer mehr von einer Kooperation profitieren würde: Sie oder das neue TalkNow. Mittelfristig hoffen die beiden Gründer aber, dass sich auch großen Namen aus der Podcast-Welt anschließen.
Erste Streaming-Genossenschaft?
Generell ist das Programm getrennt zwischen Werktagen und Wochenende. Unter der Woche werden Podcasts ausgestrahlt, die einen wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus haben. Am Wochenende sind solche Formate zu sehen, die nur alle zwei Wochen oder vielleicht auch nur monatlich veröffentlicht werden. "Für jedes Format gibt es einen Stammplatz für die Erstausstrahlung, die liegt meist einen Tag nach der Veröffentlichung bei Spotify & Co.", sagt Gajda. Weil man 24 Stunden am Tag sendet, ist sichergestellt, dass alle 35 Podcasts, die aktuell mit dabei sind, zu unterschiedlichen Zeiten ausgestrahlt werden. Kern ist die Zeit zwischen 17 und 21 Uhr, hier sind die Folgen erstmals zu sehen. In den Tagen danach werden sie zu unterschiedlichen Zeiten wiederholt. Ab dem späten Abend und nachts laufen True-Crime-Podcasts oder andere Inhalte, bei denen man FSK-Regelungen beachten muss - "Geschichten aus der Schwulenbar" beispielsweise.
"Wir streben die Liberalisierung der großen Plattformen an."
Maurice Gajda, Co-Gründer von TalkNow
TalkNow soll aber viel mehr sein als nur ein Stand-Alone-FAST-Sender. Geht es nach Britta Schewe und Maurice Gajda, ist der Kanal nur der Auftakt zu einem Umbruch in der gesamten Branche. "Wir wollen die erste Genossenschaft im Streaming-Bereich auf dem europäischen Markt sein", erklärt Schewe gegenüber DWDL.de. Man wolle in vielen Bereichen neu denken, so die Co-Gründerin. Sie spricht von einer "grassroots Bewegung". Man wolle unabhängige Content-Produzenten zusammenbringen und ihnen die Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit sich diese unabhängiger machen können von einzelnen Plattformen. "Wir wollen dem klassischen Investoren-Modell etwas Neues entgegensetzen", sagt Schewe.
"Skalierungsmöglichkeiten sind da"
Sollte das Projekt abheben, gibt es schon Ideen, das Modell auszuweiten. "Wenn wir einen FAST-Sender haben, können wir auch zehn machen", sagt Britta Schewe. Die könnte man dann auch inhaltlich stärker aufeinander abstimmen, als das aktuell noch der Fall ist. "Skalierungsmöglichkeiten sind da", sagt Schewe. Mittelfristig soll es auch eine eigene Plattform geben, auf der die (Video-)Podcasts in VoD-Form angeboten werden. Jetzt folgt aber erst einmal die harte Aufbauarbeit des ersten Produkts. Und bis die Genossenschaft Realität wird, steht Schewes vor vielen Jahren gegründete Firma Grete Grote Internetproduktion UG hinter dem Sender.
Dass ihr Vorhaben kein Selbstläufer wird, wissen auch die beiden Gründer. "Wir sind schon glücklich, wenn wir erst einmal die technischen Kosten refinanzieren können", sagt Schewe. Man wolle sich jetzt aber mindestens ein Jahr Zeit geben, um den Sender weiter auszubauen und eine relevante Masse zu erreichen. "Wir glauben daran, müssen das jetzt aber unter Beweis stellen."
Um Geld zu verdienen, will man als Vermittler für Werbedeals fungieren. Geplant sind auch Merch-Artikel und ein Unterstützer-Modell sowie mittelfristig, sollte es eine Plattform mit VoD-Angebot geben, ein Freemium-Modell. Das dürfte für die beiden Gründer mit viel Koordinationsaufwand verbunden sein. Einerseits mit potenziellen Werbekunden, dann aber immer auch mit den einzelnen Podcastern. Schewe und Gajda wissen das und wollen diesen Weg nun gehen. Die beiden Gründer kennen sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit beim damaligen Sender Joiz, der sich an ein junges Publikum richtete. Schewe war damals Geschäftsführerin, Gajda Moderator. Während sie sich danach unter anderem bei den Rocket Beans um Distribution, Sales und Marketing kümmerte, arbeitete er als Moderator für Sender wie RTL, ProSieben, RTLzwei und Eurosport.
"Wir sind schon glücklich, wenn wir erst einmal die technischen Kosten refinanzieren können."
Britta Schewe, Co-Gründerin von TalkNow
Um es mit dem Sender auf die großen Plattformen zu schaffen, müssen die Gründer einige Hürden überwinden. Die vielleicht größte ist die, dass man den Sender komplett in Eigenregie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Streaming Allianz (DSA) aufgebaut hat - und nicht auf einen der großen technischen Dienstleister setzt, über die heute schon ein Großteil der FAST-Sender kommen. Einige Plattformen setzen Anlieferungen über diese Dienstleister jedoch voraus, um neue Kanäle aufzuschalten. Dadurch werden vor allem kleinere Produzentinnen und Produzenten ausgeschlossen, weil mehr Parteien in der Wertschöpfungskette natürlich auch mehr Geld kosten. "Wir streben die Liberalisierung der großen Plattformen an", sagt Gajda. Man will mehr aus einer Hand liefern, um auf neuen Plattformen überhaupt zu erscheinen und angemessen verdienen zu können. Um das umzusetzen, benötigen die beiden Gründer nach eigenen Angaben vor allem: Zeit.
Die Videoisierung von Podcasts schreitet voran
Neben den 35 Podcasts, die man bereits im Programm hat, gibt’s bei TalkNow auch einige kleinere Eigenproduktionen, die ebenfalls als Podcasts veröffentlicht werden. Diese "TalkNow News" werden den ganzen Tag über hinweg immer mal wieder ausgestrahlt und setzen sich mit den Themen Reality, Games sowie Film und Kino auseinander. Ein Host sitzt hier vor der Kamera und macht eine kleine Rückblicksshow über den jeweiligen Bereich. Eine weitere Ausgabe zum Thema Musik ist geplant.
Auch wenn Britta Schewe und Maurice Gajda auf ihrem Weg zum FAST-Imperium für Video-Podcasts noch einen weiten Weg zu gehen haben und jetzt erst einmal unter Beweis stellen müssen, dass es für ein solches Projekt eine genügend große Nachfrage gibt, haben sie bereits jetzt etwas erreicht: Die Videoisierung von Podcasts. Jurassica Parka und Margot Schlönzke haben ihren Podcast "Parka & Schlönzke" bislang nur in Audio-Form veröffentlicht, mit TalkNow gibt es jetzt auch Bewegtbild dazu. Und auch Aleks Bechtel stellt ihren Podcast "Family Affairs" demnächst auf Video-Format um.
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