Eigentlich verkauft Red Bull Dosen. 12,67 Milliarden sind es im vergangenen Jahr gewesen, das ließ den Umsatz auf mehr als 11 Milliarden Euro ansteigen. Und auch wenn die Energydrinks das eigentliche Kerngeschäft sind, macht Red Bull aktuell auch abseits davon viele Schlagzeilen. Zuletzt vor allem mit der Trennung von Christian Horner, seines Zeichens Chef des Formel-1-Rennstalls von Red Bull. Das Team befindet sich aktuell in einer der größten Krisen der letzten Jahre. Vor wenigen Wochen musste man zudem mit Ole Werner einen neuen Trainer bei RB Leipzig installieren, nachdem man in der zurückliegenden Bundesliga-Saison die internationalen Plätze verfehlt hatte. 

Oliver Mintzlaff © IMAGO / Beautiful Sports Oliver Mintzlaff
Diese zwei Beispiele sind wichtig, um zu verstehen, an welchen Stellschrauben die Verantwortlichen um Oliver Mintzlaff aktuell drehen. Mintzlaff ist Geschäftsführer bei Red Bull und verantwortlich für alles bis auf die Getränkedosen - er führt also etwa die zahlreichen Sport-Aktivitäten, aber auch die Medien-Publikationen innerhalb des Konzerns. Auch ServusTV, das mittlerweile nur noch in Österreich als linearer TV-Sender existiert, fällt in den Zuständigkeitsbereich von Mintzlaff - und auch hier stehen Veränderungen an. 

Schon seit einiger Zeit ist bekannt, dass sich der umstrittene Senderchef Ferdinand Wegscheider im September aus dem operativen Tagesgeschäft zurückzieht (DWDL.de berichtete). Noch hat sich das Red Bull Media House, hier ist ServusTV angedockt, nicht zu einer möglichen Nachfolgeregelung geäußert. Zuletzt hatten sich hinter den Kulissen allerdings die Machtverhältnisse verschoben - und im Sender kursieren seither einige Spekulationen zur Zukunft. 

Matthias Brügelmann © Axel Springer Matthias Brügelmann
Erst vor wenigen Wochen verließ Matthias Schrom den Sender. Er kam erst Ende 2024 als übergreifender Redaktionsleiter zum Sender und galt als potenzieller Wegscheider-Nachfolger. In der vergangenen Woche ist nun die Verpflichtung von Matthias Brügelmann bekannt geworden. Er soll Global Head of Content im Red Bull Media House werden - dadurch würde er alle Inhalte der Red-Bull-Medien verantworten. Also nicht nur für die von ServusTV, sondern auch die der anderen Medien, etwa der Magazine "The Red Bulletin", "Bergwelten" und "Terra Mater". Zur Medien-Sparte gehören zudem noch diverse Online-Plattformen, ein Buchverlag, ein Plattenlabel sowie ein Film- und TV-Studio. Im Zuge der Brügelmann-Verpflichtung ist auch bekannt geworden, dass es zu einer Bündelung mehrerer Redaktionen und Plattformen kommen soll, wie in der vergangenen Woche "Medieninsider" zuerst berichtete. 

Kein neuer Senderchef für ServusTV?

Die Personalie Brügelmann könnte noch weitreichende Konsequenzen haben. Mal ganz davon abgesehen, dass unklar ist, was aus Dietmar Otti wird, der aktuell als Global Head of Media fungiert, könnte die Verpflichtung des langjährigen "Bild"-Mannes auch direkte Auswirkungen auf ServusTV haben. Seit der Bekanntgabe des Wegscheider-Abschieds ranken sich viele Gerüchte und Theorien um die Zukunft des Senders. Nach dem Abgang von Matthias Schrom gab es mit Goetz Hoefer, Marlene Beran und David Morgenbesser drei weitere Personen, bei denen ein Aufstieg denkbar erschien. 

Jetzt könnte es jedoch auch eine ganz andere Lösung hinauslaufen: Wenn Ferdinand Wegscheider ServusTV verlässt, könnte es gar keinen direkten Nachfolger geben. Mit Goetz Hoefer als Programmdirektor und Marlene Beran als kaufmännischer Direktorin wäre der Sender wohl ausreichend gut aufgestellt - wenn es mit Matthias Brügelmann übergeordnet ohnehin jemanden gibt, der für alle Medien zuständig ist. Einen eigenen Senderchef bräuchte es wohl gar nicht. Beim Red Bull Media House will man sich wie immer nicht äußern. 

Goetz Hoefer © ServusTV / Wolfgang Lienbacher Goetz Hoefer
Keinen Kommentar vom Unternehmen gibt es auch zur Person Goetz Hoefer, was Spekulationen anheizt. Der Programmchef ist im vergangenen Jahr zum General Manager befördert worden. Schon damals wollte das Red Bull Media House nicht erklären, was das eigentlich bedeutet und wie sich die Position von der des Intendanten (Wegscheider) unterscheidet. Nach dem Abgang von Matthias Schrom als übergreifender Redaktionsleiter ist intern bekannt gegeben worden, dass Hoefer dessen Agenden übernimmt. Mittlerweile hat sich im Sender die Sichtweise durchgesetzt, dass Hoefer gar kein General Manager mehr ist, sondern, wie schon zuvor, Programmdirektor. 

Wegscheider kokettiert mit möglichem Verbleib

Hinzu kommt, dass Ferdinand Wegscheider wie immer sein eigenes Ding macht und mehrdeutige Zeichen sendet. Als vor wenigen Wochen in der "Kleinen Zeitung" ein Artikel mit der Überschrift "Der letzte Sommer des Ferdinand Wegscheider" (Print: "Der letzte Sommer des Intendanten") erschienen ist, reagierte der daraufhin in seinem wöchentlichen TV-Kommentar und erklärte: "Ich hoffe, dass der Herrgott mir doch noch einige weitere Sommer vergönnt." Und man weiß dabei nicht, ob Wegscheider mit der Andeutung spielt, er könnte vielleicht doch noch länger beim Sender bleiben - oder sich einfach über die flotte Headline in der Zeitung geärgert hat. 

Ferdinand Wegscheider © Screenshot ServusTV Ferdinand Wegscheider
Menschen aus dem Senderumfeld, mit denen DWDL.de gesprochen hat, gehen nicht davon aus, dass der aktuelle Senderchef mittelfristig an Bord bleibt, Klarheit gibt es aber möglicherweise erst Ende August oder Anfang September. Fest steht: Oliver Mintzlaff gilt nicht unbedingt als Befürworter des umstrittenen Senderchefs. Auch die Verpflichtung von Brügelmann deutet darauf hin - der tritt sein Amt Anfang Oktober an. Zuvor soll Mintzlaff auch bereits Matthias Schrom zum Sender gelotst haben - hier hat der amtierende ServusTV-Chef einen potenziellen Nachfolger erfolgreich abgesägt. Wohl auch mit Hilfe von ganz oben: Wegscheider soll mit Mark Mateschitz einen Unterstützer haben - und der ist bekanntlich sehr mächtig. 

Und auch der Gesellschafterkreis rund um Mateschitz ist zuletzt in Bewegung gewesen. Seit dem Tod von Dietrich Mateschitz hält dessen Sohn bekanntlich 49 Prozent am Unternehmen. Weitere 49 Prozent liegen bei der thailändischen Familie Yoovidhya, zwei Prozent zusätzlich bei Chalerm Yoovidhya, dem Sohn des verstorbenen Familienpatriarchen Chaleo Yoovidhya. Diese zwei Prozent dienten bislang als eine Art neutraler Puffer: Während die Thailänder zwar die Mehrheit hielten, konnte Dietrich Mateschitz zu Lebzeiten nach eigenem Ermessen Schalten und Walten.

Diese Zeit ist vorbei, bei Red Bull ist nach dem Tod Mateschitz’ eine mehrköpfige Geschäftsführung installiert worden. Das hatte schon in den vergangenen Jahren Auswirkungen auf die verschiedenen Medien, die zwar nicht im klassischen Sinne sparen mussten, aber dennoch mehr auf das Geld achten mussten als noch zuvor. In der Belegschaft jedenfalls gibt es einige, die sich nach wie vor über die Größe und die damit verbundenen Kosten wundern. Oder anders formuliert: Auch intern sieht man die Zusammenlegungen von Redaktionen und Plattformen nicht unbedingt kritisch, weil damit ein ungezügelter Wildwuchs beendet werden könnte. Nur ein Beispiel: Die Marke Bergwelten entsteht als Buch, Magazin und als TV-Format - und das oft unabhängig voneinander. Diese Trennung leuchtet nicht allen im Konzern ein. 

Doch zurück zu den Gesellschaftern: Anfang Juni wurde bekannt, dass die zwei Prozent von Chalerm Yoovidhya auf den Schweizer Treuhänder Fides Trustees übertragen worden sind. Eine Sprecherin erklärte gegenüber den "Salzburger Nachrichten", dass es sich dabei um eine übliche Lösung handele, um "in erfolgreichen großen Unternehmen dauerhaft Kontinuität zu gewährleisten". Auch dieser Vorgang lässt Fragen offen. Vor allem ist unklar, wer bei Abstimmungen über die entscheidenden 2 Prozent bestimmen darf. 

Wer hat bei Red Bull das letzte Wort? 

Die Stellungnahme des Konzerns lässt sich so auslegen, als bleibe alles beim Alten. Im Unternehmen gibt es aber nicht wenige, die denken, Mark Mateschitz habe durch den Deal gehörig an Macht gewonnen. Befeuert wird diese Sichtweise durch die Tatsache, dass nur kurze Zeit nach Bekanntwerden des Deals Christian Horner das Formel-1-Team von Red Bull verlassen musste. Als gegen den Teamchef im vergangenen Jahr Vorwürfe (unangemessenes Verhalten) laut wurden, waren es die Thailänder, die Horner stützten - Oliver Mintzlaff wollte Horner da längst loswerden. 

Am Ende wird wohl nicht zuletzt auch das Verhältnis zwischen Mark Mateschitz und Oliver Mintzlaff darüber entscheiden, wie es bei Red Bull außerhalb des Dosengeschäfts weiter geht - sowohl im Sport, als auch in den Medien. Dass Mateschitz den umstrittenen Wegscheider gegen den Willen von Mintzlaff behält, gilt als nicht sehr wahrscheinlich. Es wäre ein Affront - und das in einem Bereich, der bei Red Bull eher ein Nebenkriegsschauplatz ist. Das alles aber zeigt sehr gut, dass es in der Debatte um eine mögliche Wegscheider-Nachfolge sowie die Installation von Matthias Brügelmann um weit mehr geht als um ServusTV. Red Bull befindet sich in vielen Ebenen aktuell im Umbruch. Noch ist nicht überall klar zu sehen, wohin das Dickschiff segelt. In den nächsten Wochen sollte mehr Klarheit herrschen.