Wenn, wie im vergangenen Jahr, die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele innerhalb weniger Wochen stattfinden, dann sprechen Verantwortungsträger beim Fernsehen gerne von einem "Supersportjahr". Super ist das Sportjahr dann meist vor allem für ARD und ZDF, die beide Events in aller Regel umfänglich übertragen. Für die Privaten bleibt meist nicht viel vom Kuchen übrig. Sie müssen für diesen Zeitraum nicht nur rückläufige Quoten hinnehmen, sondern auch geringere Werbeeinnahmen, weil viele Kunden mit ihren Spots aus nachvollziehbaren Gründen lieber in den reichweitenstärkeren Umfeldern stattfinden wollen.
In den vergangenen Jahren konnte man allerdings zunehmend den Eindruck gewinnen, dass jedes Jahr zum "Supersportjahr" mutierte. Das gilt erst recht für diesen Sommer. Denn auch ohne EM und Olympia scheint kaum ein Tag zu vergehen, an dem nicht doch ein Sportereignis im Fernsehen übertragen wird. Gerade erst sind die U21-Europameisterschaft und die zum XXL-Turnier aufgeblasene Klub-WM zu Ende gegangen, da ist die Fußball-EM der Frauen in vollem Gange - und mit elf Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern ließ das Viertelfinale der Konkurrenz am vergangenen Wochenende kaum Luft zum Atmen.
Der sportliche Terminkalender war zuletzt teils so straff, dass die Spiele mitunter sogar parallel stattfanden. Für Programmplaner stellt das bisweilen eine Herausforderung dar – gerade hinsichtlich der Verlässlichkeit, die im Linearen eine bedeutende Größe darstellt. Doch wenn immerzu mehr oder weniger quotenstarke Sportereignisse im Gegenprogramm drohen, dann wird besagte Verlässlichkeit auf die Probe gestellt. RTL etwa reagierte jüngst gleich doppelt und verschob wegen drohender Aussichtslosigkeit in Konkurrenz zur U21-EM erst seine "Bachelors" und schließlich die Jubiläumsshow von Cindy aus Marzahn.
Sat.1 zog dagegen jüngst seine Spielshow "99" auch gegen ein EM-Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft durch – und schrammte nur knapp an einem Allzeit-Tief vorbei. Das Beispiel zeigt: Wer in Konkurrenz zu Live-Sport auf frisches Programm setzt, wird nicht zwangsläufig vom Publikum mit guten Quoten belohnt. Und so überrascht es dann auch nicht, dass die Zahl der sommerlichen Show-Events zuletzt ein Stück weit zurückgefahren worden sind. Dabei dienten die warmen Monate in der Vergangenheit durchaus dazu, neue Shows zu starten, ohne sie direkt den härtesten Gegnern auszusetzen.
"Die Sommerpause haben wir abgeschafft"
"Ninja Warrior Germany" feierte einst bei RTL im Juli seine Premiere und auch "The Masked Singer" lief zunächst im Sommer, ehe sich die ProSieben-Show nach bestandener Feuertaufe schließlich in der regulären TV-Saison beweisen durfte. Blickt man zehn Jahre zurück, dann waren es Formate wie "Die Band", "Hartwichs 100", "Die große Revanche", "Prankenstein", "Tiere wie wir" oder das "Duell der Jahrzehnte" – allesamt von kurzer Lebensdauer gesegnet –, die von den großen Privatsendern im Sommer ausprobiert wurden. Und 2025? Bilden Neustarts wie die "Villa der Versuchung", die gerade in Sat.1 Premiere feierte, die Ausnahme. Experimente? Fehlanzeige.
Bei ProSiebenSat.1 in Unterföhring will man dem Eindruck, die sommerlichen Programm-Ambitionen zurückzufahren, gleichwohl entgegenwirken. "Die Sommerpause haben wir lange abgeschafft", sagt Sendersprecher Christoph Körfer. "Joyn, Sat.1 und ProSieben ist es wichtig, ihren Zuschauerinnen und Zuschauern insbesondere in der Primetime regelmäßig frische Programme zu bieten." Verwiesen wird auf 18 Fußball-Abende im Juni und Juli sowie Realityprogramme wie "Beauty & The Nerd" und besagte "Villa der Versuchung", die dem Publikum "sowohl linear als auch online viel Spaß bereiten". Dazu kommen in Sat.1 aktuell noch "Hast du Töne?", die Profi-Edition von "Das große Backen" und "99" – eher bekannte Marken also, die wenig Risiko versprechen.
Bei RTL scheint der Sommer dieser Tage meist auf Sparflamme zu laufen. So dominieren aktuell "Dünentod"-Wiederholungen, ältere Bühnenprogramme oder die teils rund 20 Jahre alte "Fluch der Karibik"-Reihe, mit der der Sender über Wochen hinweg den Donnerstagabend füllt. "Unser Anspruch ist klar: Wir wollen unseren Zuschauerinnen und Zuschauern jederzeit attraktives Programm bieten, auch im Sommer", sagt Florian Hellenkamp, Bereichsleiter strategische Programmplanung RTL & RTL+, zu DWDL.de. "Gleichzeitig verändert sich in der Ferienzeit das Nutzungsverhalten deutlich – viele sind unterwegs, lineare Angebote werden seltener genutzt und Werbekunden setzen ihre Budgets sehr gezielt ein. Deshalb werden Neustarts in dieser Phase traditionell dosiert eingesetzt."
Dennoch habe man gerade etwa frische Folgen von "Die Bachelors" oder "Undercover Boss" im Programm, so Hellenkamp. Doch augenscheinlich wird die Frische-Dosis erst im August mit "Top Dog", dem "Bullyparade"-Film oder der 2. Fußball-Bundesliga allmählich wieder spürbar hochgefahren. Einen teuren Sommer-Dschungel aber spart sich RTL diesmal, trotz starker Quoten im Vorjahr. Auf ein "Supersportjahr" ist das nicht zurückzuführen; eher schon auf die anhaltenden Herausforderungen, die der nach wie vor schwächelnde Werbemarkt mit sich bringt.