ProSiebenSat.1 © ProSiebenSat.1
Erst am Sonntag hat Wolfram Weimer, seit einigen Wochen Kultur- und Medienstaatsminister, in einem "Spiegel"-Interview von einer "Übernahmeschlacht" gesprochen, über deren Ausgang er sich Sorgen mache. Weimer meinte damit das Wettbieten von Media for Europe (MFE) und PPF um den deutschen Medienkonzern ProSiebenSat.1, das in diesem Sommer auf ein großes Finale zusteuert. Nur einen Tag nach den Äußerungen Weimers ging die Übernahmeschlacht in eine neue Phase: Am Montag haben die Italiener angekündigt, ihr Angebot zu erhöhen

Das ist vor allem deshalb so relevant, weil MFE damit wieder in die Offensive kommt. Das bisherige Angebot des Berlusconi-Konzerns war finanziell nicht sonderlich attraktiv, weil man deutlich unter dem blieb, was der tschechische Finanzinvestor bot. Nun zirkulieren unterschiedliche Zahlen: Von MFE heißt es, das eigene Angebot entspreche 8,62 Euro pro P7S1-Aktie, in Unterföhring spricht man von 8,15 Euro. Der Unterschied kommt zustande, weil MFE und ProSiebenSat.1 sich auf unterschiedliche Zeitpunkte der Bewertung der MFE-Aktie beziehen, die ja einen wesentlichen Anteil am Angebot hat. So oder so: Das MFE-Angebot liegt jetzt über dem von PPF, auch wenn die Tschechen bar weiterhin mehr bieten. 

Die Frage, die sich nach Montag am stärksten aufdrängt, lautet: Wie reagiert PPF? Gegenüber DWDL.de will sich der Konzern nicht zur erhöhten MFE-Offerte - und was das für das eigene Angebot bedeutet - äußern. Dass PPF das MFE-Angebot annimmt, erscheint unwahrscheinlich. Es ist für die Tschechen auch aufgrund der hohen Aktienkomponente nicht sonderlich attraktiv. MFE bietet den Aktionärinnen und Aktionären weiterhin 4,48 Euro pro Aktie in bar und darüber hinaus 1,3 eigene A-Aktien. Diese A-Aktien sind für institutionelle Anleger wie PPF deshalb unattraktiv, weil die B-Aktien, die vor allem die Berlusconi-Familie hält, zehn Mal so viele Stimmrechte haben. Für private (Klein-)Anleger sind die ausübbaren Stimmrechte oft kein K.O.-Kriterium. 

Branchen-Insider halten es vor diesem Hintergrund für durchaus möglich, dass auch PPF sein Angebot noch einmal nachbessern könnte. Bislang bieten die Tschechen 7 Euro pro ProSiebenSat.1-Aktie. Sollte man sich in Prag dafür entscheiden, den Bieterwettstreit weiter anzufachen, könnte es ganz schnell gehen: Noch bis diesen Mittwoch (30. Juni) läuft eine Frist, innerhalb derer man das Angebot erhöhen kann, ohne dass sich das Ende der Annahmefrist verschiebt. Der aktuelle Stichtag liegt beim 13. August. Nach aktuellem Stand wird an diesem Tag klar sein, wie viele Anteile an der deutschen Sendergruppe die zwei Großaktionäre künftig halten.

MFE lässt Interpretationsspielraum

PPF hat in der aktuellen Situation einen kleinen Vorteil: Die Tschechen wollen ProSiebenSat.1 nicht komplett übernehmen, sondern die Anteile nur bis 29,99 Prozent aufstocken. Sollte man das eigene Angebot erhöhen, müsste man nicht ganz so viel Geld bereit halten. Anders bei MFE, wo man mit dem Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle ein offizielles Pflichtübernahmeangebot für sämtliche Anteile machen musste. Theoretisch könnte man künftig 100 Prozent aller Anteile halten - doch das muss finanziert werden. Rund um das erhöhte Angebot hat MFE-Großaktionär Fininvest, kontrolliert ebenfalls durch die Familie Berlusconi, 12,5 Millionen MFE-A-Aktien über eine Treuhandvereinbarung bereitgestellt. Aktueller Gegenwert: Rund 35 Millionen Euro. 

Pier Silvio Berlusconi © IMAGO / aal.photo Pier Silvio Berlusconi
Trotz des erhöhten Angebots von MFE bleiben rund um die Offerte offene Fragen. MFE-CEO Pier Silvio Berlusconi erklärte in einer Stellungnahme, man ziele "nicht auf vollständige Kontrolle ab". Stattdessen wolle man Flexibilität, "die es uns ermöglicht, eine klare Richtung vorzugeben, die auf einer gemeinsamen Vision beruht". Gleichzeitig nennt MFE bis zu 419 Millionen Euro an Wertoptimierungen auf EBIT-Ebene (Gewinn vor Zinsen und Steuern), sollte das Angebot komplett angenommen werden - wobei die volle Höhe erst ab dem vierten Jahr der Übernahmen zu Buche schlagen soll. Branchenkenner bezweifeln, dass eine solche Höhe realistisch ist, selbst bei einer Vollkonsolidierung von P7S1 in den MFE-Konzern. Gleichzeitig erwartet MFE einmalige Kosten in Höhe von bis zu 145 Millionen Euro. Da man aber offenbar ja gar nicht 100 Prozent an ProSiebenSat.1 erwerben will, sind auch wohl zumindest die 419 Millionen Euro nicht darstellbar.

Und auch eine andere Aussage von Pier Silvio Berlusconi lässt Interpretationsspielraum. "Wenn es bessere Lösungen geben sollte, sind wir bereit, diese in Erwägung zu ziehen", so der MFE-Boss. Soll das heißen, wenn PPF deutlich mehr Geld bietet, ist man auch bereit, die eigenen Anteile zu verkaufen und sich von ProSiebenSat.1 zurückzuziehen? MFE will das gegenüber DWDL.de so nicht bestätigen. Stattdessen verweist man darauf, dass das eigene Angebot ein "industrielles" sei, kein finanzielles. Berlusconi betonte in seiner Stellungnahme, dass man eine "starke europäische Gruppe mit lokalen Wurzeln und einem angemessenen Potenzial, um auf globaler Ebene erfolgreich im Wettbewerb zu bestehen" schaffen wolle. 

Konsolidierung in vollem Gang

Ein Szenario, in dem ProSiebenSat.1 in einen anderen Konzern eingebunden werden könnte, ist derzeit nicht absehbar. "Gegenwärtig ist unseres das einzige konkrete Projekt für einen unabhängige, glaubwürdige und wettbewerbsfähige europäische TV- und Mediengruppe", so Berlusconi, der damit wohl auch ein Zeichen in Richtung deutscher Medienpolitik senden will: Alle stöhnen unter dem Druck der großen US-Konzerne, was spricht da eigentlich gegen eine Allianz aus europäischen Unternehmen? 

"Wenn es bessere Lösungen geben sollte, sind wir bereit, diese in Erwägung zu ziehen"
MFE-CEO Pier Silvio Berlusconi


Klar ist: Der Markt ist nach wie vor in Bewegung und die Konsolidierung in vollem Gange - das lässt sich auch in Deutschland sehr deutlich beobachten. RTL kündigte gerade erst die Übernahme von Sky Deutschland an, um im Wettbewerb auch gegen die internationalen Streamer und Big Techs konkurrenzfähiger zu sein. RTLzwei und Warner Bros. Discovery tun sich derweil in der Vermarktung zusammen. Da passt auch die Schaffung einer pan-europäischen Medien-Allianz ins Bild. 

Bert Habets © ProSiebenSAT.1 Media SE/Benedikt Müller Bert Habets
Die Aussagen des ProSiebenSat.1-Managements in Bezug auf MFE haben sich in den zurückliegenden Jahren spürbar verändert; spätestens seit Bert Habets in Unterföhring das Sagen hat, geht man nicht mehr so klar auf Konfrontationskurs zu den Italiener. Am Montag konnte man nun eine weitere Entwicklung in diese Richtung beobachten. Nachdem der CEO die Erhöhung des Angebots begrüßt hatte, erklärte er außerdem noch: "Wir unterstützen die Kooperationen innerhalb der Medienbranche und ein paneuropäisches Projekt, auch in enger Zusammenarbeit mit MFE und freuen uns auf die Fortsetzung der gemeinsamen Gespräche." Gerade im Hinblick auf MFE sind das frische Töne, auch wenn man zuletzt bereits europäische Allianzen geschmiedet hatte und auch mit MFE schon Gespräche führte. 

Angebote bislang nicht gut angenommen

Für den Konzern aus Unterföhring wird diese Woche für die weitere Zukunft möglicherweise die entscheidendste im gesamten Jahr. Nicht nur wird man mit Spannung darauf schauen, wie PPF reagiert. Am Donnerstag stellt Bert Habets auch die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2025 vor, parallel dazu könnte es zudem die sogenannte begründete Stellungnahme zum neuen MFE-Angebot geben. Darin geben Management und Aufsichtsrat den Aktionärinnen und Aktionären eine Empfehlung zum Angebot. Die ursprüngliche Offerte hatte ProSiebenSat.1 abgelehnt, beim PPF-Angebot sprach man von einem "finanziell nicht angemessenen" Angebot, gab aber keine eindeutige Empfehlung ab

Bislang laufen die Versuche von MFE und PPF, ihre Anteile an ProSiebenSat.1 zu erhöhen, übrigens ziemlich schleppend. Bis zum 24. Juli konnte sich MFE lediglich 0,49 Prozent zusätzliche Anteile sichern, damit hält man aktuell rund 30,16 Prozent der Stimmrechte. PPF konnte sich bis zum 23. Juli gar nur 0,13 Prozent Anteile an P7S1 sichern, die Tschechen stehen damit in Summe bei rund 16,48 Prozent. Das muss vorerst aber noch auf keiner Seite für Panik sorgen: In Verfahren wie diesen ist es üblich, dass sich die meisten Aktionärinnen und Aktionäre erst kurz vor dem Ende für ein Angebot entscheiden. Im Bieterwettstreit dürfte MFE nun aber erst einmal wieder die Nase vorn haben. Und trotzdem kann sich das Blatt in der Übernahmeschlacht schon in den kommenden Tagen wieder wenden. 

Oder wie es während der Corona-Zeit oft hieß: Die kommenden Wochen werden entscheidend sein! Im Poker zwischen MFE und PPF ist es diesmal wohl tatsächlich so.