Die aufgrund der Werbekrise spürbare Zurückhaltung klassischer TV-Sender in der Beauftragung von neuen Formaten auf der einen und das gestiegene Kostenbewusstsein bei den Streamingdiensten auf der anderen Seite machen derzeit vielen Produktionsfirmen Probleme. Hinzu kommen höhere Kosten in nahezu allen Gewerken und politische Vorhaben wie die Einführung der Investitionsverpflichtung oder die Verdopplung der Filmförderung, die nach wie vor nicht unter Dach und Fach sind. Das alles führte zuletzt bereits zu einem Konsolidierungsdruck.
Da passte es wie die Faust aufs Auge, dass YouTube zuletzt bei der Fernsehmesse MIPCOM erstmals groß präsent war. Die Videoplattform positioniert sich verstärkt als Partner für klassische Produktionsfirmen und Medienhäuser, fährt dabei aber eine risikoarme Strategie, zumindest wenn es um die Inhalteproduktion geht. So beauftragt man keine eigenen Formate, stellt stattdessen aber die Plattform und ihre riesige Nutzerschaft, zudem teilt man Werbeeinnahmen mit erfolgreichen Produzentinnen und Produzenten. Eine echte Partnerschaft sei das nicht, unken viele - bei YouTube sieht man das anders. Andere wiederum setzen voll auf Plattform und schlagen sogar Angebote von etablierten Anbietern aus, auch wenn sie damit ein finanzielles Risiko eingehen.
© Manhunt.at
Peter Rautek (links) und Karol Choma
Joyn wollte das Format
"Wir sind schnell gewachsen und haben extrem viel gutes Feedback aus der Community erhalten. Das war der ausschlaggebende Punkt, weshalb wir nicht zu Joyn gegangen sind. Wir sehen noch viel Potenzial, das wir selbst heben wollen. Mit einer Zusammenarbeit mit Joyn oder einem anderen Streaminganbieter hätten wir viele Fans verärgert", sagt Rautek. Was er damit meint: Viele Streamer oder Sender fordern heute verständlicherweise ein Exklusiv-Fenster, in dem auch YouTube-Produktionen nur bei ihnen zu sehen sind. Das ist der Preis, den Produzenten oft zahlen, wenn sie das finanzielle Risiko verringern wollen. Joyn, Prime Video & Co. stemmen in dem Fall einen hohen Teil der Produktionskosten.
Die "Manhunt"-Macher wollten sich darauf aber nicht einlassen. Dabei hatten Rautek und Choma zu Beginn im Jahr 2023 eigentlich noch andere Pläne. "Wir wollten an Streamingdienste herantreten und ihnen ‘Manhunt’ verkaufen", sagt Choma. Aber bis heute will niemand auf das exklusive Vorab-Fenster verzichten. "Bei unserem Projekt ist es aber so, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht miteinander diskutieren können, wenn sie nicht auf demselben Stand sind."
"Mit einer Zusammenarbeit mit Joyn oder einem anderen Streaminganbieter hätten wir viele Fans verärgert."
Peter Rautek, Spielleiter "Manhunt", kreativer Kopf des Formats und Geschäftsführer der Manhunt Media GmbH
Bei "Manhunt" werden verschiedene Influencerinnen und Influencer in einer Stadt ausgesetzt und fortan für 96 Stunden von mehreren Huntern gejagt. Sie sind dabei auf sich alleine gestellt und haben zu Beginn auch kein Geld. In Staffel drei sind unter anderem Flying Uwe, Fabio Schäfer, Sabrina Outdoor und Daniel Ngl mit dabei. Die Hunter bekommen in regelmäßigen Abständen die Aufenthaltsorte der Spielerinnen und Spieler mitgeteilt, dazu kommen weitere Challenges und der sogenannte Speedhunt, bei dem die Jäger die Standorte der Influencer mehrmals abfragen können. Überwacht wird das umfassende Regelwerk von der Spielleitung, die ebenfalls Teil der Folgen ist. Das Besondere: Gedreht wird überwiegend mit GoPro-Kameras von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst.
Der Erfolg war zunächst überschaubar. Nach der ersten Staffel, die aufgrund des Wohnortes der "Manhunt"-Macher in Wien in der österreichischen Hauptstadt angesiedelt war, hatte man lediglich knapp 30.000 Abonnentinnen und Abonnenten auf YouTube. "Die Resonanz auf Staffel eins war okay, aber nicht gut", sagt Choma heute. Staffel zwei war trotzdem schnell fixiert, denn Wien war eigentlich nur der Testlauf für Bangkok. Und tatsächlich kam der Erfolg: Die durchschnittlichen Abrufzahlen der insgesamt 16 Folgen lagen bei mehr als einer halben Million, teilweise erreichten die Ausgaben mehr als eineinhalb Millionen Views. Mittlerweile steht "Manhunt" bei rund 220.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Mittelfristig will man auf 750.000 bis 1 Million Abos wachsen.
"7 vs. Wild" macht es anders
Doch kommt es bei solchen Zahlen wirklich darauf an, dass ein paar tausend Zuschauerinnen und Zuschauer online intensiv über die verschiedenen Folgen diskutieren? Peter Rautek verweist im Gespräch mit DWDL.de darauf, dass viele Menschen das Format nur aus Reaction-Videos kennen würde. Fritz Meinecke etwa, Erfinder von "7 vs. Wild", dem Vorbild-Format schlechthin, wenn es um selbstentwickelte YouTube-Produktionen geht, hat "Manhunt" mit solchen Reaction-Videos begleitet und damit regelmäßig mehr als 100.000 Views erzielt.
"7 vs. Wild" ist vor einiger Zeit noch einen anderen Weg gegangen als "Manhunt". Ab der dritten Staffel war das Outdoor-Survival-Format zunächst bei Freevee zu sehen, dem damals kostenlosen Streamingdienst von Amazon. Erst nach einigen Wochen erfolgte die Veröffentlichung auf YouTube. Heute sind die Folgen zunächst bei Prime Video zu sehen, zwei Wochen später auf der Videoplattform.
Die aktuelle Staffel ist dort erst vor einigen Tagen gestartet, deshalb kann man dazu noch keine seriösen Angaben machen. Aber auch zuletzt erreichte "7 vs. Wild" regelmäßig mehr als eine Million Views pro Folge. Das sind gleichzeitig viel weniger als früher. In der Vergangenheit kamen gleich mehrere Ausgaben auf mehr als 10 Millionen Abrufe. Es ist davon auszugehen, dass viele Fans das Format heute erst bei Prime Video sehen - und später bei YouTube all diejenigen zuschauen, die sich kein Abo leisten wollen. Abrufzahlen für das Format bei Prime Video gibt es keine. Klar ist: Den Fans stößt die veränderte Distributionsstrategie sowie die zunehmende Kommerzialisierung immer wieder sauer auf, wie man anschaulich in den Kommentarspalten auf YouTube nachlesen kann.
Die "Manhunt"-Macher versuchen es jetzt bewusst anders. Ihnen geht es nach eigenen Angaben nicht darum, alles teurer und größer zu machen. Sie wollen "die Erwartungen und Wünsche der Community erfüllen und nicht am Zielpublikum vorbei produzieren", sagt Peter Rautek. Ab einem gewissen Punkt gehe es vor allem darum, neue Locations zu finden, andere Influencerinnen und Influencer zu engagieren und den Ablauf der Show zu perfektionieren.
Neuartige Kooperationsmodelle sind im Trend
Wenn sich das so rentiere, wolle man "auf jeden Fall auf YouTube bleiben", sagt Rautek. Möglich sei dann beispielsweise auch noch ein weiteres Format, das man in der Manhunt Media GmbH umsetzen könne. Und doch lassen sich die "Manhunt"-Macher eine Hintertür offen, wenn es um eine potenzielle Zusammenarbeit mit Streamern oder Sendern geht: Wenn diese keine zeitliche Exklusivität verlangen würden, könne man gerne reden. Auch Auftragsproduktionen seien denkbar.
"Wir haben die große Hoffnung, mit der dritten Staffel die schwarze Null zu erreichen. Das hängt aber auch von den Abrufzahlen ab."
Karol Choma, Spielleiter "Manhunt" und kreativer Kopf des Formats
Ganz ausgeschlossen ist es übrigens nicht, dass sich mögliche Partner in der Frage der Zusammenarbeit noch bewegen und auf ein Exklusiv-Fenster verzichten. Aktuell werden von verschiedenen Unternehmen Kooperationsmodelle ausgetestet - auch solche, bei denen ein Format wie ProSiebens "Cooking Academy" zeitgleich bei Disney+ zu sehen ist. Was das für negative Folgen haben kann, hat DWDL.de-Kolumnist Peer Schader hier aufgezeigt.
Für Karol Choma und Peter Rautek steht nun aber erst einmal die dritte Staffel von "Manhunt" an - auf YouTube. Am vergangenen Wochenende gab es eine Kino-Premiere von Folge eins in Berlin, veröffentlicht wird diese am 2. November. Bereits seit dem 29. Oktober ist die sogenannte Folge 0 zu sehen, darin gibt’s einen Einblick hinter die Kulissen und die Fans werden auf die eigentlichen Folgen eingestimmt.
Nachdem die Staffeln eins bis zwei noch keinen Gewinn eingebracht haben (Rautek: "sehr weit weg von einer schwarzen Null"), könnte das jetzt anders werden. Mehr als zehn Werbepartner sind mit dabei, die in den kommenden Wochen in einer oder mehreren Folgen der dritten Staffel auftauchen werden. Darunter sind beispielsweise Amazon Alexa, Clark, Trade Republic, Finanzguru, Holy, Snocks, Emma Matratzen und einige mehr. Die Einbindung erfolgt über Shoutouts, das sind recht klassische Werbeclips, die als Einspieler in den Folgen vorkommen, oder als Produktplatzierung und Bannerwerbung. Während Snocks den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter anderem Unterwäsche und T-Shirts gestellt hat, ist der Sprachassistent Alexa von Amazon die elektronische Hilfe der Spielleitung. Dazu kommen ein Podcast und Livestreams auf Twitch, die gesondert vermarktet werden.
Welche Werbeeinnahmen mit YouTube drin sind
"Wir haben die große Hoffnung, mit der dritten Staffel die schwarze Null zu erreichen. Das hängt aber auch von den Abrufzahlen ab", sagt Karol Choma gegenüber DWDL.de und gibt einen kleinen Einblick in die Werbeeinnahmen, die alleine mit YouTube drin sind. Die erste Folge der zweiten Staffel, die es auf der Plattform auf rund 1,7 Millionen Aufrufe brachte, war für Werbeeinnahmen in Höhe von rund 13.000 Euro gut.
Die teilnehmenden Influencerinnen und Influencer sehen davon übrigens nichts, sie erhalten bei "Manhunt" keine Gage. Möglich wird das, weil in der Aufmerksamkeitsökonomie der Creator Economy vor allem das zählt: Aufmerksamkeit. Die YouTuber sind durch das Format rund eine Woche während des Drehs gebunden, hier übernimmt die Produktion für sie alle Kosten. Später sind sie im Idealfall über einen längeren Zeitraum hinweg zweimal die Woche bei "Manhunt" zu sehen. "Und das in einem hochqualitativen Umfeld", sagt Choma, der von einer "logischen Entwicklung" spricht.
Es ist eine Entwicklung, die das klassische TV im Bereich Reality auch durchmacht. Im Dschungelcamp oder bei "Promi Big Brother" sitzen ja nicht nur deshalb so viele Influencer und Reality-Sternchen, weil sie so viele gute Geschichten zu erzählen hätten - sie sind auch schlicht billiger als andere Promis, weil sie durch diese Formate ihre Reichweite steigern - was sie später im besten Fall kapitalisieren können.
Wenn über neue Produktionsweisen diskutiert wird, wie zuletzt beispielsweise bei den Medientagen München, ist "Manhunt" vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie es fernab ausgetrampelter Pfade klassischer TV-Produktionen auch gehen kann. Dass sich der Ansatz rechnet, muss sich mittelfristig aber erst noch zeigen.
Der Bedarf nach gutem Content wird auf absehbare Zeit jedenfalls groß bleiben, sei es bei TV-Sendern oder Streamingdiensten. Und für alle Produktionsfirmen, die aufgrund des Kostendrucks bei klassischen Inhalteabnehmern nach Alternativen suchen, hat Peter Rautek eine gute Nachricht: "Guter Content zieht auf YouTube. Immer", so der "Manhunt"-Macher. Nur das finanzielle Risiko tragen die Produzenten dabei eben selbst. Landet man einen Hit, wandern etwaige Werbeeinnahmen aber natürlich auch in die eigene Tasche - und nicht in die von RTL, Joyn, Prime Video oder anderen Auftraggebern.
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