Bis zuletzt haben es die Bundesländer spannend gemacht, erst vor einigen Tagen, und damit quasi kurz vor Toresschluss, hat Brandenburg als letztes Bundesland dem Reformstaatsvertrag zugestimmt. Die bereits vor mehr als einem Jahr von der Rundfunkkommission der Länder ausgehandelten Reformen von ARD und ZDF können damit nun endlich kommen. 

DWDL.de hat sowohl ARD als auch ZDF im Vorfeld einige Fragen zu den wichtigsten Punkten in dem Staatsvertrag zukommen lassen. Dabei ging es unter anderem um die Veränderungen bei den Spartenkanälen und die Verschärfungen in der Online-Berichterstattung (Stichwort: Presseähnlichkeit). Während sich das ZDF erst ab dem 1. Dezember zu den Fragen äußern will, hat die ARD auf eine Pressekonferenz verwiesen, auf der der Vorsitzende Florian Hager am Freitag einige Fragen beantwortet hat. 

Man habe aus den Vorgaben des Reformstaatsvertrages bereits rund 40 konkrete Aufträge abgeleitet, erklärte Hager da. Die meisten davon seien auch schon in der Umsetzung. Die größten Veränderungen stehen bei den Hörfunkprogrammen, den Spartenkanälen und den Onlineangeboten an. Bereits bekannt war ja, dass die ARD die Zahl ihrer terrestrisch verbreiteten Radioprogramme bis 2027 um mindestens 16 reduzieren will. Während einzelne Sender komplett wegfallen, kooperieren andere (DWDL.de berichtete). 

Die Gretchenfrage rund um die Spartenkanäle

Eine Entscheidung wird es mittelfristig auch bei den Spartenkanälen geben müssen. Zur Erinnerung: Ab 2027 sind die nicht gemeinsam verantworteten Kanäle nicht mehr beauftragt. Die Politik will, dass ARD und ZDF hier künftig Kanäle einsparen - und hat in einem Körbemodell schon einen Weg aufgezeigt, wo Streichungen möglich sind (Hier geht’s zum DWDL.de-Vorschlag zur künftigen Aufstellung). Er sei komplizierte Probleme gewohnt, erklärte Florian Hager auf Nachfrage von DWDL.de, wann mit einer Entscheidung in der Sache zu rechnen sei. Hier handele es sich aber um ein sehr komplexes Problem. 

Man müsse sich nicht nur innerhalb der ARD abstimmen und einig werden, sondern darüber hinaus auch mit dem ZDF. Das sei "Next Level Shit", so Hager. Er wolle erst kommunizieren, wenn es Ergebnisse gebe. Angesichts der Deadline 1. Januar 2027 stellte der ARD-Vorsitzende aber dennoch ein Ergebnis im ersten Halbjahr 2026 in Aussicht. Man arbeite mit Hochdruck an dem Thema. 

Gleichzeitig nutzte Florian Hager die Pressekonferenz am Freitag, um mit einem hartnäckigen Gerücht aufzuräumen. Anlässlich des Inkrafttreten des Reformstaatsvertrags zum 1. Dezember kam, getrieben durch Knallportale wie "Focus Online", das Gerücht auf, der Kika könnte schon bald von der Bildfläche verschwinden. Das Gegenteil ist der Fall: Der Kindersender ist noch bis ins Jahr 2033 als lineare TV-Kanal beauftragt. Die anderen Spartenkanäle müssen dagegen schon 2029 ins Digitale umziehen. 

Online-Texte: Was ändert sich?

Während die meisten neuen Regelungen im Reformstaatsvertrag noch Übergangszeiträume haben, in denen sie umgesetzt werden müssen, wird ein wichtiger Teil bereits zum 1. Dezember schlagend: So haben die Länder die Regeln für die Online-Berichterstattung von ARD und ZDF verschärft. Im Kern müssen die Angebote audiovisuell gestaltet sein. Gibt’s Texte, müssen die sendungsbegleitend sein - Ausnahmen sind in Einzelfällen möglich, wobei der genaue Wortlaut im Staatsvertrag Interpretationsspielraum lässt. 

Für das größte überregionale Angebot, tagesschau.de und die dazugehörige App, hat Florian Hager aber bereits einige Änderungen angekündigt. So soll es ab Montag eine neue Version der App geben, in der das Audiovisuelle im Mittelpunkt steht. Man werde hier, bis auf wenige Ausnahmen, zuerst Audios und Videos liefern, erst dann die Texte. Außerdem will man künftig verstärkt auf private Online-Medien verlinken. 

Florian Hager sprach am Freitag vor Journalistinnen und Journalisten vom "schwierigsten Thema im Reformstaatsvertrag". Man könne künftig nicht nur einige Inhalte nicht mehr machen, man werde durch die neuen Regelungen auch langsamer und verliere wohl Reichweite. Es werde zudem schwieriger, jederzeit die angestrebte Themen- und Perspektivenvielfalt herzustellen.

Wie genau die einzelnen Landesrundfunkanstalten die neuen Regelungen für die Online-Berichterstattung, insbesondere bei der gewollten Begrenzung der Texte, künftig auslegen, dürfte spannend zu beobachten sein. Schon heute gibt’s auf den verschiedenen Seiten lange Texte, die mal von längeren und mal von kürzeren Audio-Beiträgen begleitet werden. Hager betonte am Freitag, man wolle die neuen Regelungen nicht umgehen, indem man massenhafte Audio-Schnipsel produziere, nur um Texte zu veröffentlichen. Gut möglich, dass hier am Ende wieder Gerichte darüber entscheiden, was erlaubt ist - und was nicht. 

"Potenzial, die Medienlandschaft grundlegend zu verändern"

Mit Blick auf die Veränderungen, die der Reformstaatsvertrag mit sich bringt, sprach der ARD-Vorsitzende Hager von einer "Zäsur". Die neuen Regelungen hätten das "Potenzial, die Medienlandschaft grundlegend zu verändern". Neben den Veränderungen, die jetzt auf die ARD zukommen, regelt der Staatsvertrag in Teilen auch das Verhältnis zum ZDF neu. Und er öffnet auch die Tür zu verstärkten Kooperationen mit privaten Medienanbietern. Eine eigenmächtige Übernahme von Inhalten der Öffentlich-Rechtlichen in deren Streamingangebote, so wie Anfang des Jahres von Joyn ausgetestet, wird es aber wohl nicht geben. 

Im Reformstaatsvertrag sind auch die Sportrechtekosten gedeckelt. Mit 5 Prozent der Gesamtausgaben ist die Grenze aber so großzügig bemessen, dass sie wohl keine Auswirkungen haben wird. Der ursprüngliche Plan war es, die Grenze am Programmaufwand zu bemessen. Darüber hinaus soll der deutsch-französische Kultursender Arte zu einer "europäischen Kulturplattform" weiterentwickelt werden. Dort könnten perspektivisch auch die Inhalte von 3sat zu finden sein. Weil hier aber auch Sender in anderen Ländern betroffen sind, ist an dieser Stelle eher nicht mit schnellen Entscheidungen zu rechnen. Mit dem Reformstaatsvertrag hat die Politik aber in jedem Fall den Grundstein für weitgehende Veränderungen von ARD und ZDF gelegt - und die tatsächlichen Auswirkungen werden wohl erst nach und nach in den kommenden Monaten und Jahren sichtbar sein.