Grafik: DWDL.de; Logo: EndemolEs ist erstaunlich ruhig auf den Gängen der Produktion. Von Hektik keine Spur. Das mag wohl auch daran liegen, dass das Team mittlerweile viel Know-How und vor allem Routine gesammelt hat. Ein guter Redakteur erkenne ein Item für die Sendung schon an der ersten Regung im Gesicht eines Kandidaten, scherzt Müller.

Schaut man den Redakteuren bei der Arbeit über die Schulter, so ist kaum vorstellbar, wie noch vor wenigen Jahren, als noch mit Bändern gearbeitet wurde, täglich eine Sendung entstehen konnte. Aufzeichnung, Schnitt und Verwaltung des Materials erfolgen auf Festplatten. Das spart viel Zeit, die man früher für das Auffinden von Bildern und O-Tönen aufwenden musste.
 
Dank Fortschritt die Zeit besser nutzen
 
„Die Zeit, die wir durch die technischen Verbesserungen der letzten Jahre einsparen, können wir jetzt in die redaktionelle Bearbeitung des Materials stecken“, erklärt Müller. „Pimpen“ nennt das die Redaktion und meint damit das Unterlegen mehr oder minder lustiger Geräusche oder optischer Effekte, die die jeweilige Szene aufwerten.
 


Was abends über den Sender gehen soll, muss zunächst von RTL II abgenommen werden. Auch der Sender hat eine eigene Redaktion - die es ebenfalls Dank der Technik inzwischen einfacher hat und in München bleiben kann. Mittels einer Software lässt sich jedes Modul der Sendung einzeln aufrufen und freigeben.
 
Jugendschutz schaut mit
 
Neben den Redakteuren begutachtet auch ein Mitarbeiter vom Jugendschutz das Material und gibt frei - oder sperrt, wenn es zum Beispiel für den Sendeplatz am Vorabend zu deftig zugeht. Damit die Sendung dann auch um 19:00 Uhr bei RTL II laufen kann, sollte das Team gegen nachmittags halb fünf damit beginnen, die fertige Sendung nach München zu überspielen. Bislang hat es immer geklappt.

Die Kandidaten liegen den Machern sehr am Herzen - auch oder gerade weil deren Leben im zum Haus umgebauten Fernsehstudio weiter geht. Die wohl ernsthafte Liebesgeschichte zwischen den derzeitigen Kandidaten Naddel und Hassan zum Beispiel hielt Redaktion und Zuschauer schnell und lange in Atem - zu lang, ist zu hören.
 
Keine unbemerkten Schwangerschaften
 
Doch wenn ein Kandidat sich nicht an die Regeln hält, kann das den Rauswurf bedeuten. So musste in der aktuellen Staffel, die am 7. Januar begonnen hat, Kandidat Adrian bereits nach einer Woche die Sendung verlassen, weil er nachts einen Pädophilen-Witz erzählt hatte. Am vergangenen Wochenende flog Kandidatin Rebecca umgehend aus dem Haus, nachdem sie - wohl eher unbedacht - laut und deutlich "Sieg Heil" gesagt hatte.

Dabei legen die Macher der Sendung großen Wert auf Kandidaten, auf die man sich verlassen kann. Zwar ist die Zahl der Bewerber für die Sendung auf regelmäßig „nur“ mehrere Tausend geschrumpft - zum Deutschland-Start im Jahr 2000 waren es noch 80.000 -, doch die Auswahl ist hart. Ein Allgemeinmediziner und der Diplom-Psychologe Ulrich Schmitz befassen sich eingehend mit den Kandidaten, um Krankheiten, unbemerkte Schwangerschaften - auch das soll bereits vorgekommen sein - und „Leichen im Keller“ auszuschließen, wie Müller erklärt.
 
Hobby-Psychologen und Fernseh-Profis
 
„Ist ein Teilnehmer erst einmal im Haus, haben wir in ihn schon viel Zeit und Geld investiert. Da wäre es schade, wenn er schnell wieder gehen müsste“, sagt sie. Jeder im Team sei daher über die Jahre zum Hobbypsychologen herangereift. Wer sich als Redakteur bei „Big Brother“ bewährt habe, habe es nicht schwer, einen Job in der Branche zu finden, erklärt Müller. Man mache schließlich nicht nur eine Reality-Soap, sondern könne innerhalb des „Big Brother“-Rahmens alle Facetten von Fernseh-Inhalten umsetzen.
 
Zu Weilen geht das auch recht schnell, zumal Sendeplatz und die entsprechende Logistik bereits vorhanden sind. So wird das Team in der Live-Show am Ostermontag den Rauswurf von Rebecca zum Anlass nehmen, um mit den Bewohnern über den Nationalsozialismus zu sprechen. Dafür wurden eigens ein Holocaust-Überlebender und ein Historiker eingeladen. Das Vorhaben ist sicher kein leichtes Unterfangen. Doch es zeigt das Bemühen, seinem eigenen Anspruch vom „wahren Leben“ als zentralem Thema gerecht zu werden - und wird sicher auch damit wieder polarisieren.