Unglücklich auch, dass bei ProSieben am fortgeschrittenen Abend im Werbeblock noch ein Trailer für die Live-Übertragung der Loveparade auf MyVideo lief. Doch dort wurde der Livestream längst beendet, wie wenig später auch auf der offiziellen Website der Veranstaltung. Dort war dann stattdessen eine Beileidsbekundung der Veranstalter zu lesen. Aber zurück zu Twitter: Fotos und Videos von dem Unglück machten längst die Runde. Und auch der Screenshot des Kommentars von "klotsche". Binnen der ersten zwei Stunden gab es über 33.000 Zugriffe. Es ist schon beeindruckend, wie schnell Social Media funktioniert. Und besonders, weil es nicht einmal um sensationsgeile Bilder oder Videos der Katastrophe ging. Es war nur Text.
 
Kurz vor 22 Uhr bemerkte ich, dass das ZDF und andere Medien den prophetischen Kommentar in ihre Online-Berichterstattung übernommen haben. Aber jetzt interessierte mich, wie etwa das "heute-journal" im ZDF berichtet. Seit anderthalb Stunden hatte ich keine TV-Nachrichten mehr zu dem Thema verfolgt. Gerade eingeschaltet, klingelte das Telefon. Eine meiner SMS an meine Freunde schien durchgegangen zu sein. Alles sei gut bei Ihnen, sie hätten nur keinen Empfang gehabt und fragten gleich ganz verdutzt von welcher Katastrophe ich sprach. Von der Tragödie hatten sie, friedlich feiernd, nichts mitbekommen. Ich erzählte es Ihnen. Als wir auflegten hatte ich leider einen Teil des "heute journal" verpasst. Aber eine bemerkenswerte Kleinigkeit ist mir doch noch aufgefallen.
 
Das ZDF setzte im "heute journal" auf Fotos von Twitter und Videos von YouTube. Allerdings wohl dosiert und nicht die schlimmsten, an diesem Abend kursierenden Bilder. Zusätzlich wurden alle theoretisch erkennbaren Gesichter unkenntlich gemacht. Respekt für diesen klugen Umgang mit dem Material aus Social Media-Quellen. Und Claus Kleber informiert besorgte Zuschauer, dass die Nichterreichbarkeit von Angehörigen auch an Empfangsproblemen auf dem Gelände liegen kann und nicht automatisch Schlimmeres bedeutet. Ein kluger Hinweis. Nach der Sendung verfolgte ich weiter, was bei Twitter und auf den Nachrichtenseiten geschah.

Da gab es manche Überraschung. Etwa bei "Welt Online". In der Nacht veröffentlicht man dort eine Chronik der Katastrophe. Datiert schon auf 17.08 Uhr berichtet man über einen Twittereintrag eines Loveparade-Besuchers - es ist genau jener Kommentar unter dem DerWesten.de-Artikel. Erstaunlich lang für einen angeblichen Twitter-Kommentar.  Vermutlich hat man bei "Welt Online" nicht verstanden, dass das ein Screenshot war, den ich da verbreitet habe. Und dass der am 22. Juli, also zwei Tage vorher und nicht am heutigen Samstag getätigt wurde, hat dort offenbar auch niemand verstanden. Auch in der "Bild am Sonntag" wird der Kommentar übrigens als Twitter-Nachricht abgedruckt. Wenn man Social Media nicht versteht, passiert das wohl.
 
Über die Bilderstrecken von "Bild.de" will ich gar nicht unnötig viele Worte verlieren. Sie waren indiskutabel. Wobei das sicher auch für ein YouTube-Video gilt, welches ich zunächst spontan über unseren Twitter-Account weiterverbreitet habe. Entschuldigung dafür. Großes Lob hingegen gebührt dem WDR Fernsehen. Schnell schaltete man am späten Nachmittag von Party- auf Krisenberichterstattung um. Nicht auszudenken, RTL II oder Viva wäre der Übertragungspartner gewesen. Das Moderations-Duo des WDR, Thomas Bug und Catherine Vogel, hat dabei vorbildliche Arbeit geleistet: Sie waren für die TV-Zuschauer aufmerksame Beobachter vor Ort. Mehr konnten sie von ihrer Position und angesichts der Lautstärke der weiterlaufenden Party nicht leisten - und versuchten es auch nicht. Der WDR-Radiosender 1Live berichtete übrigens noch bis tief in die Nacht live.

Tief in der Nacht hat die prophetische Sorge des DerWesten.de-Kommentators, genauer gesagt der Screenshot davon, den wir via Twitter verbreitet haben, dann auch schon weit über 50.000 Menschen erreicht - und das innerhalb weniger Stunden. Ich hätte nicht gedacht, dass eine zufällige und von privater Neugier getriebene Recherche solche Folgen haben würde. Ein Tweet, nicht mal 140 Zeichen - und so eine Wirkung. Es ist ein wahrlich tragischer Anlass, aber ein interessantes Beispiel dafür, wie eine gute Information heute kein Massenmedium mehr braucht - sie verbreitet sich von selbst.