"Voll auf die 12" wollte ProSieben angreifen, doch in der gerade zu Ende gegangenen Saison gelang es dem Sender nur selten, sein Ziel - ein Marktanteil von zwölf Prozent in der Zielgruppe - zu erreichen. Die gute Nachricht zuerst: Allzu viele Problemstellen hat ProSieben nicht, was auch daran deutlich wird, dass in den vergangenen Monaten nur wenige Neustarts in der Primetime versucht wurden und stattdessen überwiegend Bewährtes zu sehen war.
Anders ausgedrückt: Den Titel des Innovationsführers kann sich ProSieben derzeit sicherlich nicht anheften. An mancher Stelle wäre ein wenig Mut jedoch auch im eigenen Interesse wünschenswert, zumal es ProSieben nicht gelungen ist, eine neue Dramaserie im Programm zu etablieren. Erst kürzlich fiel "Human Target" beim Publikum ein zweites Mal durch. Weil "Fringe" inzwischen auch viel vom anfänglichen Glanz hat einbüßen müssen, fehlt nach wie vor ein frisches Zugpferd für den Montagabend.
Mut hat ProSieben allerdings bei seinen Sitcoms bewiesen, wobei man wohl eher aus der Not eine Tugend machte, als man am späten Mittwochabend inzwischen einen zweiten Sitcom-Sendeplatz einrichtete. "How I Met Your Mother" schlägt sich dort inzwischen wacker - ob das auch für die von Sat.1 geerbte Serie "Cougar Town" gilt, bleibt allerdings noch abzuwarten. Spannend wird auch die Beantwortung der Frage, wie es um die Zukunft von "Two and a half Men" steht. Noch ist nicht sicher, ob die Sitcom den Abgang von Charlie Sheen so problemlos verkraften wird, wie es manch einer derzeit hofft.
Immerhin: Sitcoms entwickelten sich in der vergangenen Saison zu einer Art Heilsbringer für ProSieben, denn auch der Nachmittag konnte damit deutlich aufpoliert werden - wenn auch auf Kosten der kleinen Schwester kabel eins. Dennoch will sich der neue ProSieben-Geschäftsführer Jürgen Hörner damit nicht dauerhaft zufrieden geben. "ProSieben braucht eine eigene, eigenproduzierte Daytime, die dem Sender Profil gibt", sagte er kürzlich im DWDL.de-Interview. "Dafür werden wir uns aber Zeit und Muße nehmen, mehr intern pilotieren als on air zu experimentieren."
Mit "Das Model und der Freak" kann man derzeit jedenfalls schon einmal einen ersten Erfolg am Nachmittag verbuchen. Eine erfolgreiche Eigenproduktion wird zudem auch für den Donnerstagabend gesucht: Auch in der vergangenen Saison hat ProSieben mal wieder kein Format gefunden, das die winterliche Castingshow-Lücke zwischen "Popstars" (oder dem im Herbst startenden "The Voice") und "Germany's next Topmodel" zu schließen vermag. Mit dem Designer-Casting "Fashion & Fame" und der "Model-WG" erlitt man vor wenigen Monaten bittere Bauchlandungen.
Und dann wäre da auch noch die ProSieben-Personalie des Jahres: Mit Matthias Opdenhövel hat der Sender zum Ende der Saison einen der besten Moderatoren an die Konkurrenz verloren. Auch wenn Steven Gätjen seine Sache bei seinem "Schlag den Raab"-Einstand sehr ordentlich machte, wird Opdenhövel dem Format ähnlich fehlen wie die Innovationen im derzeitigen ProSieben-Programm. Frischer Wind, insbesondere im Serien-Bereich, ist dringend geboten - dann klappt's womöglich auch wieder mit der 12.