Dieser Umzug war vor allem auch seiner Idee einer integrierten Sendergruppe geschuldet, die Bartl in der Folge Schritt für Schritt tatsächlich umsetzte. Die Senderstrukturen wurden nach und nach aufgelöst, stattdessen wurde nach Genres senderübergreifend gearbeitet. Seine Erklärung damals: "Die meisten Menschen können manches sehr ordentlich, haben aber oft eine ganz spezifische herausragende Begabung. Wenn sich einer zum Beispiel mit Castingshows überragend auskennt, dann ist es sinnvoll, sein spezifisches Können nicht auf einen Sender anzuwenden, sondern auf alle Sender. Es wäre nicht klug, solche Potentiale nicht zu nutzen. Also haben wir die Programmebereiche so aufgeteilt, und ich erhoffe mir davon einen Push für alle unsere Sender."
Ob das der richtige Schritt war, ist weiter Gegenstand von Diskussionen. Eine Folge daraus lässt sich nämlich in den letzten Monaten zunehmend beobachten: Die angeblich so klare Positionierung der Sender ist immer schwerer zu erkennen. Formate wurden wild von einem zum nächsten Sender verschoben - oder liefen wie im Fall diverser Serien oder auch der Show "The Voice of Germany" gar zur gleichen Zeit auf zwei Sendern. Ob das auf Dauer den Sendermarken gut tut?
Immerhin: Die wirtschaftlichen Kennzahlen stimmen inzwischen wieder. ProSiebenSat.1 gehört zu den profitabelsten TV-Konzernen, wie Ebeling freudig verkündete. Doch aus kreativer und inhaltlicher Sicht war von Bartls angekündigtem "Push für alle Sender" nicht viel zu sehen. Sat.1 etwa wurde durch das Heranholen an die Zentrale im Gegenteil nicht nur nicht gestärkt, sondern blieb trotz eines regelmäßig ausgerufenen Neustarts weiter in der Krise. Also besann sich Bartl 2010 noch einmal auf seine so oft erprobte Rolle als Retter in der Not, schasste den glücklosen Sat.1-Chef Guido Bolten und nahm die Zügel selbst in die Hand. Seine nicht gerade bescheidene Begründung: "Sat.1 ist unser wichtigster, weil in der Zielgruppenansprache breitester und damit auch umsatzstärkster Sender. Verlässlichkeit sowie das Vertrauen unserer Zuschauer und unserer Werbekunden haben höchste Priorität. Deshalb werde ich den Sender bis auf weiteres persönlich leiten."
An Sat.1 sollte sich allerdings auch Andreas Bartl die Zähne ausbeißen. Sicher: Mit "Danni Lowinski" und "Der letzte Bulle" gelang es, auf dem Serienfeld wieder Fuß zu fassen. Doch das waren geerbte Erfolge, entwickelt worden waren die Serien noch unter Vorvorgänger Alberti. Sonstige nachhaltige Primetime-Erfolge? Es bleibt kaum etwas im Gedächtnis. Am für den Sendererfolg so wichtigen Vorabend gelang es nicht, eine zweite erfolgreiche tägliche Serie zu etablieren. Zudem versank auch der Rest-Vorabend immer weiter in der Krise. Die traurige Ruine mit reihenweise Wiederholungen lässt sich derzeit begutachten. Harald Schmidt lotste er zum Sender - doch nach Pocher und Kerner erwies sich auch diese teure Verpflichtung bislang aus Quotensicht als nicht sehr einträglich.
Anfang Oktober 2011 gab er den Posten als Sat.1-Chef dann schließlich an Joachim Kosack ab - und sorgte für großes Erstaunen in der Branche mit seinen Sätzen "Als ich Sat.1 übernommen habe, habe ich versprochen, ein bestelltes Haus zu übergeben. Ich habe den Eindruck, es ist so weit." Als Andreas Bartl den Sender übernahm, lag Sat.1 bei 10,8 Prozent Marktanteil. In Monat 1 nach seinem Abschied Ende September fiel Sat.1 auf 10,0 Prozent, im Januar wurde gar die 10-Prozent-Marke nach unten durchbrochen. Dass selbst ein Quotenhit wie "The Voice of Germany" daran nichts ändern konnte, unterstreicht nur die vielfältigen Probleme, in denen Sat.1 steckt. Offenbar hat Andreas Bartl zum Ende hin ein wenig das glückliche Händchen als Programm-Macher verlassen.
Nun wird er also Medienunternehmer. Mit seiner neuen Firma Bartl Media kehrt Andreas Barl im übertragenen Sinne wieder in den "Maschinenraum" zurück, um neue Sender und Formate zu entwickeln. Man kann sicher sein, dass ihm diese Aufgabe Freude bereiten wird, auch wenn der Abschied nach zwei Jahrzehnten bei ProSiebenSat.1 nicht leicht gefallen sein dürfte. Und so ist es für beide Seiten eine Art Neuanfang. Für Bartl, weil er sich, wie er selbst sagt, jetzt "einen langgehegten Wunsch erfüllen" wird. Und für ProSiebenSat.1, wo es nun gilt, eine neue starke Persönlichkeit zu finden.