Kennen Sie dieses unangenehme Gefühl, wenn man im Wartezimmer des Arztes nicht weiß, wohin man schauen soll, weil man den Augenkontakt mit anderen Patienten vermeiden will? Einer davon hat immer ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis und redet einem das Ohr voll, sobald man Augenkontakt hat. So ähnlich fühlt es sich an diesem frühen Juli-Morgen in Los Angeles an. DWDL.de zu Besuch bei "The price is right". Nicht, dass wir krank gewesen wären, aber an mitteilsamen Mit-Kandidaten mangelte es nicht. Schon zu diesem Zeitpunkt konnten wir zum Beispiel James nicht mehr ertragen. Bloß nicht angucken, sonst fängt er wieder an! Aber dazu später mehr. Wir sitzen immerhin schattig unter einem Vordach auf Bänken vor der CBS Studio City, es ist 9 Uhr morgens. Es sind noch über drei Stunden bis zur Aufzeichnung.

Aufgestanden sind wir bereits drei Stunden zuvor. Dank Jetlag war das kein Problem, doch das bevorstehende Programm demotivierte beim Aufstehen dann doch: Sechs Stunden vor der Aufzeichnung sollten wir uns einfinden, um eine der legendärsten Gameshows selbst zu erleben. "The price is right" hat Fernsehgeschichte geschrieben. Keine Gameshow ist länger auf Sendung. Ursprünglich 1956 erfunden, pausierte sie in den 60er Jahren eine Weile und kam 1972 dann in der Form auf den Bildschirm, die noch heute im US-Fernsehen zu sehen ist und um die Welt ging. In diesem Jahr feiert man in den USA den 40. Geburtstag des Gameshow-Klassikers in seiner weltbekannten Form. In Deutschland kippte RTL die Sendung 1997 aus dem Programm - das Publikum war zu alt geworden.

Trotzdem gehört diese Gameshow für eine ganze Generation in Deutschland zur Erinnerung an die wilden Privatfernseh-Zeiten der 90er Jahre. Und wir stellten uns die Frage: Warum nur überlebte die Show in den USA bis heute? Die Antwort wollten wir in Los Angeles finden. In Absprache mit Produzent FremantleMedia sind wir angereist um einen Blick hinter die Kulissen der Show zu werfen. Doch zunächst einmal - das sei Pflicht, wurde uns gesagt - müsse man halt einmal die Show als Kandidat miterlebt haben. Und so saßen wir nun in der Warteschlange vor dem Studio an jenem Juli-Morgen. Mit unseren großen Namensschildern auf der Brust. Thomas und Christian, ein TV-Kollege aus Deutschland. Immer ganz in unserer Nähe: James, der hyperaktive Zauberer. Wir wurden ihn einfach nicht los. Und das hatte einen Grund.

Nach anderthalb Stunden Warten auf dem Bürgersteig vor dem Studio begann der Einlass, wobei das vielleicht eine irreführende Formulierung ist. Es ging auf das Gelände, doch es sollte nur der erste von drei Wartebereichen sein. Man hatte noch viel vor mit uns. Jeder Kandidat bekam in der Reihenfolge der Ankunft eine Nummer. Schon in der Schlange auf dem Bürgersteig zuvor fiel uns James auf. Ein unscheinbarer Mittvierziger, der wohl niemandem aufgefallen wäre, wenn er nicht als Einziger bei dieser Aufzeichnung alleine angereist wäre und er nicht schon auf dem Bürgersteig allen, die es sehen wollten - und denen, die nicht weggucken konnten - seine Zaubertricks vorgeführt hätte. Wir waren 116 und 117. James hatte die 111. Das allein fand er schon witzig.

Eigentlich hätte man erst um 8.30 Uhr vor Ort sein müssen. Das sagen zumindest die Ticket-Websites, die die kostenlosen Karten für die sechs Aufzeichnungen pro Woche herausgeben. Montags, dienstags und mittwochs werden je zwei Episoden in der CBS Studio City aufgezeichnet. Doch wer erst um 8.30 Uhr kommt, kann Pech haben. Anders als in Deutschland, wo notfalls leere Plätze an gerade vorbeikommende Passanten vergeben oder die letzten Stuhlreihen im Studio abgedeckt werden, geht man in den USA auf Nummer sicher und vergibt mehr Tickets als Plätze. Die Tickets sind immerhin umsonst, aber garantieren so eben keinen Einlass, denn nur wer zu den ersten knapp 300 in der Warteschlange gehört, kommt auch rein ins Studio 33, seit 1998 auch in Ehrung des langjährigen Moderators "Bob Barker Studio" genannt.

Und so steht man schon um kurz nach 6 Uhr morgens auf der Straße und ist um 9 Uhr froh, mit Nummer einen Sitzplatz im ersten Wartebereich zu bekommen. Um uns herum: Familien, Paare, Vereine - kaum einer kommt in normaler Garderobe. Wir fallen da schon auf, denn wohin wir schauen nur selbstgebastelte T-Shirts, Gesichtsbemalungen oder (un)lustige Hüte - und natürlich James. Er ist ein professioneller "The price is right"-Kandidat, erzählt er irgendwann. Über 40-mal sei er schon bei einer Aufzeichnung gewesen, aber habe noch nie die magischen Worte gehört, die man an diesem Morgen in fast allen Unterhaltungen der wartenden Kandidaten hört: "Come on down". Man merkt, James will dem Glück auf die Sprünge helfen und sich bei den Produzenten beliebt machen. Er folgt dabei nur einer "Anweisung" der hier in Uniformen auftretenden Produktionshelfer.

Sie erklären mal mit, mal ohne Megafon die Prozedur, die alle Kandidaten in den kommenden Stunden durchlaufen: Namensschild malen lassen, Kandidatenvertrag unterschreiben, Social Security-Number parat halten, ein Interview mit den Produzenten führen und immer wieder: Geduldig warten. Dabei, so der Hinweis der Helfer in Uniform, solle man sich gut benehmen und am Besten gute Stimmung verbreiten. Denn man wisse ja nie, sagen sie ganz geheimnisvoll, die Produzenten könnten uns mit Hilfe der Überwachungskameras beobachten und so entscheiden, wessen Name später im Studio unter lautem Jubel ausgerufen wird. Denn wer die Show nicht kennt: Die Kandidaten der Gameshow werden aus dem Studio-Publikum rekrutiert. Gerade als wir uns über diesen billigen Trick schmunzeln, legt James los. Die gleichen Zaubertricks wie auf dem Bürgersteig. Genommen wird, wer auffällt, scheint die Devise zu sein.