Schon Anfang Dezember feierte die ARD in Hamburg im festlichen Rahmen das Jubiläum der "Tagesschau": Seit 60 Jahren informiert die alte Dame unter den Fernsehnachrichten über das Weltgeschehen. Diesem runden Geburtstag konnte in den vergangenen Wochen kaum jemand entgehen. An Berichterstattung über die zunächst wenig glanzvollen Anfänge mit eher boulevardesken als nachrichtlichen Themen und die über Jahrzehnte erfolgte Entwicklung zu der Instanz der TV-Information in Deutschland mangelte es nicht. Und oft genug konnte man auch bereits die lustigsten Pannen aus 60 Jahre "tagesschau" lesen, sehen oder hören. Deswegen widmen wir uns nicht der Sendung selbst - sondern ihrem Sendeplatz.

Wer wissen will, wie sehr die "Tagesschau" nicht nur die Fernsehnachrichten sondern das deutsche Fernsehen insgesamt prägt, braucht sich nur einmal mit einem US-Amerikaner über das deutsche TV-Programm unterhalten. Es lassen sich stundenlange Unterhaltungen darüber führen, wie eine Nachrichtensendung einer ganzen Fernsehlandschaft den Primetime-Beginn um 20.15 Uhr diktiert. Für uns ist "Viertel nach acht" Gewohnheit und Selbstverständlichkeit. Doch warum so eine krumme Zeit? Das können US-Amerikaner mit ihren auf volle Stunde getakteten Fernsehprogramm nicht nachvollziehen. Programmierung zur halben Stunde ist dort schon das höchste der Gefühle.

In Großbritannien kann man 20.15 Uhr schon eher verstehen. Im dortigen Fernsehen gibt es die vermutlich uneinheitlichsten Startzeiten aller großen TV-Märkte. Sendetermine wirken mitunter gewürfelt und willkürlich festgelegt. Dabei folgt die TV-Programmierung unter den wenigen FreeTV-Sendern in Großbritannien einem einfachen Muster: Stärker als in Deutschland orientiert man sich an Konkurrenzprogrammen. Wann endet wo eine zuschauerstarke Sendung? Dort ließe sich Publikum einsammeln. Dass aber eine einzige Nachrichtensendung seit Jahrzehnten einen festen Starttermin für die Primetime aller anderen TV-Sender definiert - dafür erntet man auch auf der Insel mal amüsierte, mal irritierte Blicke.

Die "Tagesschau" um 20 Uhr prägt somit das Fernsehverhalten aller Deutschen, egal ob sie ihnen geguckt wird oder nicht. Ob sich das mal ändern wird? Es sieht nicht danach aus. Zu oft wurde es probiert, zu oft ist man gescheitert. Legendär ist etwa Fred Kogels geplante Revolution gegen die "Tagesschau" 1995. Mit dem Claim "Volle Stunde, volles Programm" verlegte er den Start der Sat.1-Primetime und seinen damaligen Quotengaranten wie den Serien "Kommissar Rex" oder "Anna Maria" auf 20 Uhr. Doch auch durch Schützenhilfe von ProSieben und Kabel Eins hielt man kein Jahr durch. In den darauf folgenden Jahren machten diverse PayTV-Sender ähnliche Erfahrungen. Sie wurden oftmals aus den USA heraus geplant.

Doch einmal in Deutschland auf Sendung gegangen, haben zumindest die PayTV-Sender, die wirkliche Ambitionen haben, ihre Startzeiten den TV-Gepflogenheiten angepasst. Oder anders ausgedrückt: Sich an der "Tagesschau" orientiert. Die vielleicht charmanteste Lösung fand hier NBC Universal, dessen Sender "13th Street" aus der Not eine Tugend machte und um 20.13 Uhr in die Primetime startet. Ein Revolutiönchen in der Sparte. Aber selbst FreeTV-Sender, die sich im Tagesprogramm an voller und halber Stunde orientieren, wie die beiden privaten Nachrichtensender n-tv und N24, verkündeten schon vor langer Zeit unabhängig voneinander die Verlegung ihres Primetime-Starts auf 20.15 Uhr.

Kaum ein Satz dürfte im Phrasenschwein der deutschen Fernsehbranche so die Kasse klingeln lassen wie der Mythos "Das deutsche Fernsehen hat seine eigenen Gesetze". Er ist die voreilig verteidigende Antwort auf manche (zu leichtfertig gemachte) Ankündigung aus dem Ausland, den deutschen Fernsehmarkt aufrollen zu wollen. Zu lange sei fast jeder daran gescheitert. Den Satz mit den eigenen Gesetzen des deutschen Fernsehmarktes, den kennt auch Sky-Vorstandschef Brian Sullivan. Doch er weist ihn zurück: "Er unterscheidet sich nicht so sehr von anderen Märkten", sagt er. Und ergänzt im Off lachend: "Nur die 'tagesschau' ist Gesetz".