Stellen Sie sich doch bitte mal kurz ProSiebenSat.1-Mann Holger Andersen, VOX-Chefredakteur Kai Sturm, ZDFneo-Chefin Simone Emmelius und WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig beim gemeinsamen Backen von Plätzchen vor. Und das geschieht nicht hinter verschlossenen Türen sondern auf der Bühne zur Eröffnung eines Fernsehfestivals. Willkommen beim "Great German Bake Off" - sozusagen. Das Guardian Edinburgh International Television Festival begann am Donnerstag mit genau so einer Runde - und britischen Fernsehschaffenden, die in einer Live-Version der BBC-Hitshow "Great British Bake Off" antraten.

Bahnbrechende Erkenntnisse über den Zustand der britischen Fernsehbranche gab es dabei natürlich nicht. Genau genommen gab es überhaupt keine Erkenntnisse. Doch Hand aufs Herz: Ist das bei den immer gleichen Runden mit den immer gleichen Elefanten wesentlich anders? Doch während man aus diesen sich nicht selten wie Kaugummi ziehenden Veranstaltungen herausgeht und schon beim Gedanken fröstelt, dass nun noch ein, zwei oder drei weitere Tage mit noch mehr Panel-Diskussionen folgen, war die offizielle Eröffnung des International Edinburgh Television Festivals höchst unterhaltsam, weil die Branche ihre backenden Kollegen auf der Bühne von einer ganz anderen Seite kennengelernt hat - und so startete man beschwingt in die folgenden Diskussionsrunden, die sich dann auch ernsten Themen zur TV-Zukunft und -Gegenwart widmeten.

"Entertainment is no dirty word" - mit diesen Worten verteidigte einer der Produzenten der als "Poverty Porn" in Verruf geratenen Dokuformate über arme Menschen, die nicht immer als bierernste Reportage daherkommen, sondern Szenen auch mal ironisch kommentieren - schließlich könne man Menschen nur für Themen interessieren, wenn diese nicht von vornherein vom unzugänglichen Stoff abgeschreckt würden. Doch der Satz fasst die Erkenntnis zusammen, die die Macher deutscher Medienkongresse hier in Edinburgh lernen könnten. Kongress geht nicht nur trocken. Kongress kann sogar Spaß machen.

In Edinburgh gibt es viele solcher eingestreuten, nicht tiefschürfenden, aber unterhaltsamen Veranstaltungen. Wie etwa eine Live-Ausgabe des britischen Comedyformats Room 101, in dem TV-Macher über Dinge sprachen, die sie besonders am Fernsehen hassen. Das meiste Gelächter gab es aber fraglos bei "The Worst TV I ever made (and everything it taught me)". Produzenten redeten ganz ungezwungen über den größten Mist, den sie je fabriziert haben - inklusive Ausschnitten. Dass das alles so gelungen wirkt, lag auch daran, dass jede einzelne Veranstaltung professionell produziert war. Als Neuling staunt man noch, dass neben den Panel-Teilnehmern und Moderatoren auch Producer für jede Veranstaltung angegeben werden. Wenn man erst gesehen hat, wie professionell sie ablaufen und wie aufwändig teils Einspieler produziert werden, dann weiß man auch, warum.

Nun soll das nicht bedeuten, dass das Guardian Edinburgh International Television Festival das Nonplusultra ist. Über die Mischung der Veranstaltungen kann man - je nach Erwartungshaltung - geteilter Meinung sein. Womöglich mag es für den ein oder anderen manchmal zu flapsig zugehen. Doch eine Branche, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Menschen unterhalten zu wollen, hat mehr verdient als allzu trockene Kongresse deutscher Bauart. Etwas ähnliches wie in Edinburgh gibt es in Deutschland nicht - schon allein, weil es gar kein reines Fernsehfestival gibt. Wobei der Begriff Festival leicht in die Irre führt: An zweieinhalb Tagen wird in erster Linie in Panels, Talks, Keynotes und Präsentationen über die Zukunft des Fernsehens diskutiert.

Natürlich liegt es nicht allein an den Sendern und Produktionsfirmen selbst, ein solches Festival auf die Beine zu stellen. Aber schon die seit Jahren überschaubare Begeisterung der deutschen Fernsehbranche sich gemeinsam zu präsentieren und dafür auch das Geld in die Hand zu nehmen, stimmt zunächst einmal wenig optimistisch, dass sich eine lebhafte Plattform wie in Edinburgh in absehbarer Zeit auch in Deutschland etablieren ließe.

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