Ein Samstagabend im Dezember 1984. "Wetten, dass..?" ist seit drei Jahren auf Sendung und entwickelte sich in dieser Zeit zum echten Straßenfeger. Und doch bleibt diese Ausgabe bis heute in Erinnerung: Umweltaktivisten hatten die Halle in Bremen gestürmt und waren von Ordnern der Show fast schon aus dem Bild gedrängt worden, als Moderator Frank Elstner geistesgegenwärtig eine Entscheidung traf, die über Jahrzehnte hinweg als Vorbild für viele weitere Moderatoren dienen sollte. "In meinem Studio wird keiner rausgeschmissen", sagte er und gab den Demonstranten daraufhin die Gelegenheit, ihr Anliegen vor einem Millionenpublikum zu äußern.

Seither ist es immer wieder zu ähnlichen Zwischenfällen gekommen. Nur allzu gerne erliegen Demonstranten den Verlockungen einer Live-Show, um sich Gehör zu verschaffen. Doch gefühlt nahm die Zahl solcher Störaktionen zuletzt zu. Erst im April stürmten mehrere Aktivisten die "Stern TV"-Bühne - und auch hier lief es ganz ähnlich ab wie 30 Jahre zuvor bei "Wetten, dass..?": Erst schritten die Ordner ein, dann erteilte Steffen Hallaschka den Störenfrieden das Wort. "Mir wurde schnell klar, dass wir die Aktivisten unter Kontrolle haben und von ihnen keine Gewalt ausgeht. Und so schien es mir in diesem Fall das beste Ventil, durch ein kurzes Gespräch die Situation aufzuklären und zu deeskalieren", erklärt der Moderator nun mit etwas Abstand seine Entscheidung.

Zugleich fragt er, was passiert wäre, hätte er das nicht getan. "Hängen geblieben wären die Bilder vom beherzten Eingreifen unseres Sicherheitspersonals und möglicherweise der Eindruck, dass wir selbst mit gewaltfreien Störern keinen anderen Umgang wissen, als sie aus der Sendung zu drängen und damit mundtot zu machen", so Hallaschka gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "Auch wenn so ein Vorgehen berechtigt gewesen wäre, hätten sicherlich viele Zuschauer die Szene letztlich zu unserem Nachteil ausgelegt. Und noch viel entscheidender: Sie hätte sich wie ein Schatten über den weiteren Verlauf der Sendung gelegt, weil Fragen entstanden wären: Was war das Anliegen der Störer? Warum wurde der Anlass des Protests nicht aufgeklärt?"

Dass die Zahl solcher Zwischenfälle zuletzt zugenommen hat, führt der "Stern TV"-Moderator auch auf die prominenten Aktionen von Femen zurück, die ein großes Medienecho auslösten. "Soziale Bewegungen und Initiativen spekulieren darauf, dass ihr Protest in einer Livesendung mehr Menschen erreichet, als auf irgendeinem Marktplatz dieses Landes", sagt Hallaschka, der bezüglich der Wirkung solcher Auftritte jedoch skeptisch ist. "Allerdings unterschätzen die Aktivisten meines Erachtens den Umstand, dass sie so leicht das Gegenteil der erwünschten Solidarität hervorrufen. Aus Zuschauermails weiß ich, dass viele Menschen die Störaktion bei 'Stern TV' als aufdringlich und absolut unangemessen empfanden."

Neben Hallaschka hatte vor wenigen Monaten auch Markus Lanz in seiner Talkshow einen ganz ähnlichen Vorfall zu meistern und auch im ARD-Talk von Günther Jauch wurde vor laufender Kamera ein Störenfried von Sicherheitskräften überwältigt. "Alles Verarschung" schrie er, ehe Jauch schließlich am Ende der Sendung erklärte, der Mann habe offensichtlich private Probleme gehabt. Im Mai 2012 hatte bereits ein Zuschauer die Bühne gestürmt, weil er sich wegen des Streits über den Neubau einer Berliner Schauspielschule empörte. "An den Rahmenbedingungen in unserer Sendungen hat sich über die Jahre nichts geändert", sagt Jauch gegenüber DWDL.de, gibt gleichzeitig aber zu: "Jede Livesendung ist grundsätzlich 'angreifbar'."

Deshalb seien Sicherheitsmaßnahmen auch unumgänglich. "Sie haben sich in den Sendungen am Sonntag auch als wirksam erwiesen", so der Moderator mit Blick auf die Vorfälle der vergangenen Jahre. "Wir halten es nicht für sinnvoll, dass einzelne 'Störer“ mit ihren Anliegen die Sendung umfunktionieren. Jeder kann sich gern vorab mit Themenvorschlägen an die Redaktion wenden. Das wird dort geprüft. Bestimmte Themendiskussionen in der Sendung zu erzwingen, kann nicht der richtige Weg sein. Themen werden von unabhängigen Redaktionen gesetzt. Wer Sendungen stört, sollte nicht durch die prompte Behandlung  Themas 'belohnt' werden."

Doch genau so reagierten zuletzt sowohl Markus Lanz als auch Steffen Hallaschka, was jedoch die Frage aufwirft, ob man unerwünschte Auftritte dieser Art womöglich regelrecht herausfordert, indem den Störern Gelegenheit gegeben wird, sich zu erklären. "Möglicherweise könnten sich Nachahmer ermutigt fühlen", gibt Steffen Hallaschka zu. "Sie können aber nicht damit rechnen, die gleiche aufgeschlossene Behandlung zu erfahren. Es bleibt ein gewaltsamer Akt, eine Livesendung zu stürmen, um Sendezeit für ein Thema zu erzwingen. Niemand sollte darauf spekulieren, mit dieser Strategie durchzukommen."

In vergleichbaren Situationen würde er jedenfalls immer wieder betonen, dass die Redaktion die Hoheit über das Geschehen im Studio habe. "Das kann ebenso den sofortigen Platzverweis bedeuten", gibt Hallaschka zu bedenken. "Zum Schutz unserer Zuschauer und Gäste sowie unserer redaktionellen Unabhängigkeit werden wir Störaktionen auch weiterhin entschlossen begegnen." Ganz anders als Hallaschka, Lanz oder auch einst Frank Elstner handelte vor einigen Jahren übrigens Thomas Gottschalk, der es in "Wetten, dass..?" ebenfalls mit einem Störer zu tun bekam. Als ein Mann mit Zwischenrufen auffiel, rief Gottschalk ihm lapidar zu: "Solange du nicht aufhörst zu quatschen, höre ich auch nicht auf. Und im Gegensatz zu dir habe ich ein Mikrofon."

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