Sabine de Mardt wirkt zufrieden, wenn man mit ihr spricht. Sie ist verantwortlich für die Fiction bei Warner Bros. International Television Productions Deutschland - und damit ist nicht „Schwiegertochter gesucht“ gemeint. Das ist nicht so ihr Fernsehen, also das non-fiktionale. Für die in Köln ansäßige Produktionsfirma - kurz Warner Bros. ITVP Deutschland - verantwortet de Mardt Serien und Filme und das fällt ein bisschen leichter mit dem weltbekannten Label Warner Bros. als noch unter Eyeworks, hört man aus ihren Ausführungen heraus. Die ursprünglich holländische Produktionsfirma war in der Branche stets ein Synonym für eher lautes und freches non-fiktionales TV-Entertainment. Dabei kommen aus dem Hause gleich drei der großen ZDF-Krimireihen: „Wilsberg“, „Marie Brand“ und „Friesland“.

„Wir konzentrieren uns sehr aufs Serielle. Dabei setzen wir klar auf Procedurals, weil danach im deutschen Markt eine enorme Nachfrage besteht“, erklärt de Mardt im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Sie weiß, dass durchgehend erzählte Geschichten gerade en vogue sind. Aber massenwirksamer seien die abgeschlossenen Storys. „Das ist die Realität. Die große horizontal erzählte Serie gehört in den Bereich der Leuchtturm-Projekte, die es selten gibt. Natürlich entwickeln wir auch weiter horizontale Serien und Einzelstücke, aber eben nicht als unser Hauptfokus. Bei jeder Programmform ist es wichtig, dass es eine kreative Vision gibt. Nur so entsteht besonderes und erfolgreiches Programm. Ich bin sehr dankbar für ein tolles Team, das bereits seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet.“

Der andauernde Erfolg von „Wilsberg“ liege in der Tatsache, dass es eben eigentlich gar nicht mal so sehr ein Krimi sei. „Die Stärke von Wilsberg liegt neben Krimi und Humor im Familiären. Ich vergleiche das Zusammenspiel der Charaktere oft mit den Figuren aus ‚Ice Age', die am Ende des ersten Films sagen: ‚Wir sind die krasseste Familie der Welt‘. Trotz der unterschiedlichsten und z.T. gegeneinander kämpfenden Charaktere halten sie zusammen und bilden eine Art dysfunktionale Familie. So auch bei Wilsberg. Er nutzt seine Freunde oft aus und instrumentalisiert sie, ramponiert Eckis Auto, hintergeht Hauptkommissarin Springer etc., aber am Ende des Tages ist er immer für sie da und der beste Freund, den man sich wünschen kann.“

Als „Joker“ bezeichnet de Mardt wiederum „Marie Brand“, die Reihe mit Mariele Millowitsch in der Hauptrolle. Es ist ein kleiner, zarter Seitenhieb gegen das ZDF. „Seit Jahren erfolgreich und das ohne festen Sendeplatz. Stattdessen wird ‚Marie Brand‘ beim Sender immer als ‚Joker‘ bei starkem Gegenprogramm eingesetzt.“ Dass die Fans die Reihe dennoch finden, spreche auch hier für kontinuierliche Qualität. „Friesland“ ist die jüngste der drei ZDF-Reihen von Warner ITVP Deutschland. Wobei das mit dem Alter so eine Sache sei. „Interessant ist, dass die Sender sich immer verjüngen wollen und das es ausgerechnet einer seit 20 Jahren laufenden Reihe wie ‚Wilsberg‘  besonders gelingt mit um die 14 Prozent bei der jungen Zielgruppe. Und auch bei ZDFneo ist ‚Wilsberg' Quotenstar.“

Die Mainzer sind bislang der Hauptpartner für Fiction, aber es kommen neue Partner hinzu. Bekanntlich produziert Warner Bros. für Amazon die erste deutsche Auftragsproduktion „You are wanted“ zusammen mit Matthias Schweighöfers Produktionsfirma Pantaleon. Viel verraten kann de Mardt dazu aber nicht. Wann immer deutsche Produktionsfirmen derzeit für Netflix oder Amazon arbeiten, verfallen sie in andächtige Schockstarre. Bloß nichts Falsches sagen; nicht zu viel verraten - es könnte den neuen Partner ärgern. So demütig hat man die deutsche Produzentenlandschaft selten erlebt. Und das trotz - oder gerade weil - aus dem schrulligen Eyeworks das international bekannte Warner Bros. geworden ist. „Die Dreharbeiten in Berlin sind abgeschlossen“, bleibt aus dem Gespräch hängen. Mehr zu sagen liegt an Amazon.

Wie neu und anders „You are wanted“ wird, bleibt noch abzuwarten. Aber wie viel Wert legen eigentlich die klassischen Sender wirklich auf neue Stoffe? Oder wollen sie mehr vom Gleichen? „Ich würde schon sagen, die Grenzen werden ausgetestet“, analysiert de Mardt. Allerdings sehr langsam. Immerhin: „Man muss schon sagen, dass zum Beispiel der Mittwochsendeplatz der ARD experimentierfreudig ist und es mir leid tut, wenn besonders mutige Produktionen da Schelte bekommen, weil sie Quotenerwartungen nicht erfüllen.“ Und bei den Privatsendern? „Die beklagen oft, dass der attraktive Programmnachschub aus USA fehle. Ganz unabhängig davon bin ich überzeugt, dass die Senderidentität eines deutschen Senders auch nur über originäres, einheimisches Programm entstehen kann. Ich freue mich darüber, dass neben den öffentlich-rechtlichen Sendern nun auch die Privaten wieder mehr produzieren.“

"Nur wenn man auf einem Sendeplatz auch auf Strecke Kontinuität bietet, wird das vom Zuschauer honoriert"

Weiter sagt de Mardt: „Zwar gibt es bei beiden großen Privatsendern nur einen Primetime-Sendeplatz für Eigenproduktionen, aber auch der wurde lange Zeit nur spärlich bespielt. Jetzt wollen ja sowohl RTL als auch Sat.1 wieder verstärkt produzieren. Wir hoffen sehr, dass diese Entwicklung auch längerfristig gemeint ist und die Sendeplätze perspektivisch ausgebaut werden. Nur wenn man auf einem Sendeplatz auch auf Strecke Kontinuität bietet, wird das vom Zuschauer honoriert. Da muss man einfach Durchhaltevermögen beweisen.“ RTL will es beispielsweise mal wieder mit einem Schwung neuer Sitcoms probieren. Eine davon kommt von Warner ITVP Deutschland. Mirja Boes und Sina Skotsch spielen die Hauptrollen in „Beste Schwestern“. Generell sieht de Mardt in der Comedy auch Wachstumschancen.

Für den WDR entstand gerade die zweite Staffel von „Die Mockridges“ - eines der überlebenden Formate aus der Innovationsoffensive des WDR Fernsehens vor ziemlich genau einem Jahr. Die Serie entsteht - ebenso wie das in Budapest abgedrehte „Sketch History“ für das ZDF - in Koproduktion mit HPR Bild und Ton. „Überhaupt lieben wir komödiantische Formate und probieren gern mal etwas Neues aus. Beispielsweise entwickeln wir u.a. mit Youtubern wie Fabian Siegismund (Das Netzwerk, Battle Bros), Joseph Bolz (DeChangeman) und Marti Fischer (theclavinover) eine komödiantische Web-Serie“, verrät Sabine de Mardt. „Hier entstehen kreative Netzwerke und interessante Synergien zwischen fiktionalen und Entertainment-Formaten.“

Etwas konventioneller aber auch vielversprechend ist eine neue Serie für den Dienstagabend im Ersten. „Mit dem WDR/ARD produzieren wir ‚Frau Temme sucht das Glück’, geschrieben von Benedikt Gollhardt und Dietmar Jacobs. Dieses Projekt hat eine lange Entwicklungsgeschichte und auf die Ausstrahlung dieser besonderen Serie bin ich sehr gespannt.“ Es geht um Carla Temme, Risikoanalystin der Secura-Versicherung - einer Versicherungsgesellschaft, die in Schieflage geraten ist und sich jetzt ein neues Businessmodell ausdenken muss, damit die Abteilung nicht geschlossen wird. Es entsteht die Idee ‚Wir versichern gegen alles!‘. Die Hauptrolle der Carla Temme spielt Meike Droste. „Die Serie spielt mit den Ängsten der Deutschen und amüsiert sich auf charmante Art und Weise über den Versicherungswahn. In der ersten Folge möchte sich ein Kunde gegen Erschlagung durch ein gefrorenes Hähnchen versichern“, erklärt Sabine de Mardt. Sechs Folgen gibt es zunächst. Sie sollen aber erst 2017 auf Sendung gehen.

Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet de Mardt im Produktiongeschäft, das neben kontinuierlicher Beschäftigung mit neuen Inhalten auch die Vergütung beschäftigt. Ein ewiger Streitpunkt in der deutschen, immer noch weitgehend von klassischen Auftragsproduktionen geprägten Fernsehlandschaft. Ein Problem, dass sich für Endkonsumenten am ehesten in der Debatte um längere Online-Verfügbarkeit für öffentlich-rechtliche TV-Produktionen verdeutlicht. „Dass TV-Inhalte dem Zuschauer auch langfristig zum Abruf zur Verfügung gestellt werden, halte ich für zeitgemäß. Das betrifft auch die viel diskutierte Mediathekennutzung. Der 7-day catch up ist zu kurz“, sagt Sabine de Mardt.

"Wir sind noch weit davon entfernt, die kreative und finanzielle Leistung der Produktion angemessen anerkannt zu sehen"

„Aber so notwendig eine Verlängerung dieser Frist ist, so wichtig ist eine angemessene Vergütung dieser Nutzung. Im Moment möchten die Sender den Zeitraum ohne Vergütung verlängern. Das lehne ich entschieden ab.“ Weit über die Mediatheken-Frage hinaus hat die Deutsche Produzentenallianz im Frühjahr eine umfassende neue Eckpunkte-Vereinbarung mit der ARD ausgehandelt. „Es ist durchaus eine positive Entwicklung eingeleitet, um Produzenten und die Kreativteams fairer zu vergüten. Dennoch sind wir noch weit davon entfernt, die kreative und finanzielle Leistung der Produktion angemessen anerkannt zu sehen.“ Und solange, ergänzt Sabine de Mardt, würden deutsche Kreative kräftezehrend an zwei Fronten kämpfen: Um die besten Ideen auf der einen Seite und eine vernünftige, angemessene Entlohnung auf der anderen.