Es ist ein kühler und regnerischer Freitagmorgen, als ich mit erlöster Miene in ein von außen anmutendes Lagerhaus gelotst werde. Das englische Wetter zeigt sich auch für einen Set-Besuch der neuen Serie "Snatch" nicht gnädig und lässt Manchester in dem grau erstrahlen, dass es wie so oft im Jahr trägt. Später sollte sich herausstellen, dass Engländer dies eigentlich gar nicht so sehen und finden, dass die Sonne sehr wohl öfter mal vorbei schaut. Nun, dann war der Regen möglicherweise ein Omen dafür, dass das Team von Crackle und der – wortwörtlich - kleinen Produktionsfirma Little Island Productions eine Adaption des Filmklassikers "Snatch – Schweine und Diamanten" auf die Beine stellt, die die Erwartungen vielleicht nicht so ganz erfüllen kann.

Doch dieses Skepsis verdrängte sich binnen des Moments, als ein paar andere internationale Journalisten und ich diese "Lagerhalle" betraten. Sie entpuppte sich als Sonny Castillos Nachtclub, der unfassbar lässig wirkt. Wie eine gedimmte und sehr viel kuscheligere Version der Partylocation von "The Great Gatsby". Wenn man den Raum betritt hat man eine Tanzfläche vor sich, an den Seiten kleine Lounges. Doch das, was den Blick wirklich fängt, sind große, jeweils links und rechts verlaufende Treppen, die oben in einem Eingang münden. Dahinter verstecken sich Sonnys Privatgemächer, die mit Teppichen an Wänden, Decken und Böden, sowie Jacuzzi und herzförmigem Bett noch mal so einiges toppen.

Hier merkt man sofort, dass sich die Macher Gedanken um ihre Figur gemacht haben.  Reicht doch alleine schon diese Location aus, um sich ein Bild von Sonny machen zu können. Wenn man dann erfährt, dass er in der Serie tatsächlich ein temperamentvolles, kubanisches Kartell-Mitglied darstellt, fühlt man sich schnell bestätigt. Dargestellt wird er von Ed Westwick, der seinen großen Durchbruch vor 10 Jahren mit "Gossip Girl" hatte.

Wer den originalen "Snatch"-Film mit Jason Statham, Brad Pitt und Vinnie Jones kennt, weiß, dass es dort kein Sonny Castillo gab. Dort gab es auch keinen Charlie Cavendish, Albert Hill oder Billy Ayers. Tatsächlich gibt es in Hinsicht auf die Charaktere keine einzige Übereinstimmung zwischen den alten und neuen Figuren, nicht mal ein Cameo, das überrascht. Das muss nicht zwingend ärgerlich sein, ist es doch eine gesunde Abwechslung, wenn man seine Vorlage nicht zu 100 Prozent kopiert. Doch wo liegen dann die Parallelen zum Vorbild "Snatch" von Guy Ritchie? Ist es die Story? Ebenfalls komplett neues Szenario. Ist es der Drehstil? Ritchie hatte nichts mit der Produktion zu tun und man sieht es der Serie an, dass der Regisseur Alex De Rakoff sich weitestgehend an seinen eigenen Stil gehalten hat. Was ist es also, das die Titelübernahme rechtfertigen kann? Diese Frage bleibt wohl so offen, wie die, wo die Gypsys geblieben sind.

Damit meine ich nicht nur im Film, sondern auch in der Serie. Denn dort tauchen sie nämlich gar nicht erst auf, was man vor allem daran merkt, dass jeder in dieser Produktion sehr deutliches englisch sprechen kann. (Wir erinnern uns an einen Brad Pitt, der mit größter Bravour das wohl abgefuckteste Straßenenglisch aller Zeiten abgeliefert hat). Das ist zwar in der Hinsicht schön, dass man die Serie auch ohne Untertitel schauen kann, sorgt aber ebenfalls dafür, dass etwas an Sympathie eingebüßt werden muss. Diese wird stückchenweise aber damit wieder reingeholt, dass De Rakoff genauso wie Ritchie sehr händisch gearbeitet hat. Ob man nun über den facettenreichen Markt schlendert, verschiedene Läden besichtigt oder in den Boxring steigt – hier wurde alles mit viel Liebe zum Detail so zusammengeschustert, damit der Zuschauer wirklich denkt, er sei gerade in London. Aus Kostengründen hat sich das Produktionsteam die 300 Kilometer reisen gespart und in Manchester gedreht. Improvisiert wurde unter anderem mit Straßenschildern. 

Der Cast findet das verständlich. Vor Ort waren nämlich auch Luke Pasqualino ("Die Musketiere") und Lucien Laviscount ("Scream Queens"), die neben Rupert Grint ("Harry Potter") die Protagonisten mimen und - natürlich - begeistert von den Vorstellungen des Drehteams waren. Sie selbst spielen Albert Hill, einen smarten und charmanten Mann, der immer wieder neue Wege sucht, um Geld zu machen und Billy Ayers, ein Boxer der nicht auf das Geld aus ist, sondern auf den Adrenalinkick. Auf die Frage, um was es bei "Snatch – Die Serie" denn nun eigentlich genau geht, meinte Pasqualino sehr knapp zusammengefasst, dass sich "alles um Gold dreht". Die Bande, bestehend aus ihnen und Rupert Grint, der als Charlie Cavendish zu sehen ist, das genaue Gegenteil von Albert Hill, gerät nämlich zufällig in den Besitz einer ziemlich großen Menge Gold und muss nun ein Fettnäpfchen nach dem anderen ausbaden, um es nicht auch direkt wieder zu verlieren. Das erklärt auch die Schokotaler, die am Set verteilt zu finden waren. An manchen Ecken merkt man der Produktion dann doch an, dass kein gigantisches Budget zur Verfügung stand. 

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Man merkte den jungen Männern deutlich an, dass sie Spaß am Dreh hatten und auch außerhalb der Reichweite einer Kamera Freunde sind, doch fehlte in Hinsicht auf das Original trotzdem ein ordentlich Portion Ausstrahlung. Statham und Co. spielten Figuren, die kantig wirkten, dreckigen britischen Humor zelebrierten, zitierwürdig waren und eine so passende Chemie hatten, dass man in einer Adaption wie dieser Protagonisten gebraucht hätte, die mindestens genauso interessant sind. Diese Mammutaufgabe konnte - ohne große Überraschung – nicht erfüllt bzw. nur von Sonny Castillo aka Ed Westwicks Performance angekratzt werden und so stellt sich auch zum Schluss noch einmal die Frage: Warum nennt man diese Serie "Snatch"? Es wird den Klickzahlen auf Crackle und den Einschaltquoten auf AXN anfangs zwar gut tun, aber nicht der ausfallenden Kritik. Der ausweglose Vergleich mit dem großen Bruder kann zu keinem Zeitpunkt gewonnen werden. Wäre Crackles "Snatch" jedoch Einzelkind, hätte man sich viel Häme sparen und Lob für eine jung und kurzweilige Produktion abholen können.