Nach der 2:3-Niederlage der Bayern gegen den russischen Verein FK Rostow hatte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des Rekordmeisters, Ende des Jahres im Eifer des Gefechts schnell einen Sündenbock ausgemacht. "Ich glaube, dass Jérôme wieder ein bisschen zur Ruhe kommen muss", sagte Rummenigge damals am Sky-Mikrofon über seinen Abwehrstar Boateng. "Seit dem letzten Sommer ist mir das ein bisschen zu viel." Es wäre auch in seinem Sinne, "wenn er da ein bisschen wieder back to earth runterkommt."
Deutliche Worte, die man auch in der Medienallee in Unterföhring vernommen haben dürfte. Dort, nur wenige Kilometer entfernt von der Allianz-Arena, hat ProSiebenSat.1 bekanntermaßen seinen Sitz. Weniger bekannt dürfte dagegen die Tatsache sein, dass der Medienkonzern mit SAM Sports eine Sport-Management-Agentur betreibt. Diese hat seit ihrer Gründung vor zwei Jahren rund 40 Profispieler und Trainer unter Vertrag, darunter auch den berühmten Fußball-Weltmeister, der eine eigene Brillen-Kollektion betreibt und kurz vor der lautstarken Rummenigge-Kritik vom "GQ"-Magazin noch als "Mann des Jahres" ausgezeichnet wurde.
Geleitet wird die Agentur von Sven Müller und dem ungleich bekannteren Christian Nerlinger, einst selbst Profi-Fußballer und später Sport-Direktor bei den Bayern. Das Beispiel SAM Sports zeigt, dass bei ProSiebenSat.1 in der jüngeren Vergangenheit ein erstaunlicher Gemischtwarenladen entstanden ist, den der Konzern im Sport-Bereich seit rund einem Jahr mit der Gründung der Tochterfirma 7Sports zu bündeln versucht. Das erscheint angesichts einer großen Bandbreite, die vom Management bis hin zum Aufbau neuer Online-Plattformen reicht, auch nötig.
Locken will man Profis wie Boateng nicht zuletzt mit der Nähe zum Digitalgeschäft der Gruppe, wie Stefan Zant – einer der Geschäftsführer von 7Sports – kürzlich bei einem Pressegespräch in der Münchner Fußball-Arena verdeutlichte. Dabei wurde auch klar, dass es für ProSiebenSat.1 eben längst nicht mehr nur darum geht, große Sportrechte zu erwerben. Kein Wunder also, dass der Name des Unternehmens derzeit weder mit Bundesliga noch Champions League in Verbindung gebracht wird. Stattdessen zeigt man neuerdings lieber Drohnen-Rennen bei ProSieben Maxx, wo seit einiger Zeit schon die amerikanische Football-Liga NFL einen beachtlichen Höhenflug erlebt.

Beim Bundesliga-Poker soll ProSiebenSat.1 daher im vorigen Jahr zusammen mit einem anderen großen Medienhaus um die Online-Zusammenfassungen gebuhlt haben, die sich letztlich der neue Player DAZN schnappte. Ärgerlich für Port, aber offenbar verkraftbar. "Wir haben, besonders im digitalen Bereich, unsere Sport-Strategie verändert – von der Fokussierung auf eine Sportart hin zu einem breit aufgestellten Sport-Portfolio", erklärt er. Deutlich mehr als im TV hätten Werbekunden digital die Möglichkeit, neben Fußball auch andere Sportarten zu fokussieren. "Sie können die zur Marke am besten passende Sportart als Werbeumfeld auswählen", so Port.
Davon wiederum sollen viele Sportarten profitieren, die sich bislang unter der medialen Wahrnehmungsgrenze befanden. So erklärt sich dann auch, weshalb ProSiebenSat.1 vor knapp zwei Jahren die Mehrheit an der DOSB Media GmbH übernahm. Diese steht hinter dem Portal Sportdeutschland.TV, das wiederum mittlerweile ebenfalls Teil von 7Sports ist. Hier finden sogar – ohne Witz – Übertragungen von Quidditch-Spielen statt, jener Sport, die in den Harry-Potter-Romanen ihren Ursprung hat. "Die Kunst besteht darin, die im Verhältnis zum Spitzensport kleineren Reichweiten und zersplitterten Zielgruppen wieder für den Werbekunden zu aggregieren – und das machen wir", sagt der SevenOne-Mann.
Bei all den Engagements bleibt dann allerdings doch ein Stück weit der Eindruck haften, dass sich ProSiebenSat.1 – einst immerhin Heimat der Bundesliga-Show "ran" und später der Champions-League-Übertragungen – im Sportbereich inzwischen im Klein-Klein aufhält, während andere versuchen, um jeden Preis am großen Rad zu drehen. Wie gut, dass Jérôme Boateng zwischen Quidditch und Drohnen-Rennen für den dringend notwendigen Glamour sorgt. 7Sports-Chef Stefan Zant stellt aber schon mal vorsorglich klar, dass man auch im Sportler-Management keineswegs jeden nimmt: "Wenn fünf Anwälte drumherum stehen", sagt er, "lassen wir in der Regel die Finger davon."