"GZSZ" feiert in diesen Tagen sein 25-jähriges Jubiläum, "Unter Uns" sendet seit 1994 und auch "Alles was zählt" ist schon rund elf Jahre alt. Die Versuche von RTL, eine vierte Dailysoap im Programm zu etablieren, sind in den vergangenen Jahren stets gescheitert. Doch auch andere Sender konnten keine erfolgreichen Dailys mehr platzieren. "Sturm der Liebe" und "Rote Rosen" sind immerhin auch schon seit 2005 und 2006 auf Sendung. Zuletzt startete mit "Köln 50667" 2013 eine Sendung, die man noch am ehesten der Kategorie Dailysoap zuordnen kann.

Bei RTL ist der Bedarf nach einer vierten täglichen Serie aufgrund der vorhandenen Formate wohl nicht ganz so groß wie anderswo, das sagt Unterhaltungschef Tom Sänger auch ganz offen. "Wir sind offen für Konzepte, Stoffe und Piloten – ganz konkrete Projekte auf genauen täglichen Slots haben wir nicht in der kurz- und mittelfristigen Planung", so Sänger. Bei Serien konzentriert sich RTL inzwischen eher auf eine wöchentliche Ausstrahlung. Der RTL-Unterhaltungschef erkennt beim Thema Dailys klare Anzeichen einer Marktsättigung: "Ich denke, dass der deutsche Markt mittlerweile ziemlich gesättigt ist und die Zuschauer sich nicht so leicht auf eine neue tägliche Serie einlassen können. Es gab ja einige weniger erfolgreiche Versuche – auch bei uns."

Tom Sänger© RTL
Fernsehen ist auch ein Gewohnheitsmedium und es ist schon sehr schwierig, Zuschauer für eine wöchentliche Serie oder Show zu begeistern. Bei einer täglichen Ausstrahlung wird das noch viel schwieriger. "Dabei ist die Zeit, die ich in meinem Alltag und in der Freizeit zur Verfügung habe, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Schaffe ich es, eine weitere werktägliche Sendung zu gucken? Diese Bindung zu erreichen ist nicht leicht, aber wenn man es geschafft hat, dann ist eine loyale Zielgruppe ein Segen für jeden Sender", sagt Tom Sänger, der das Thema Dailysoap aber nicht gänzlich abschreiben will. Ist der Inhalt gut und wird auch gut zum Zuschauer transportiert, kann eine tägliche Serie immer zum Erfolg werden. RTL II hat das mit "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" vorgemacht.

Ich denke, dass der deutsche Markt mittlerweile ziemlich gesättigt ist und die Zuschauer sich nicht so leicht auf eine neue tägliche Serie einlassen können.

RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger

ARD und ZDF teilen auf Anfrage mit, dass eine weitere tägliche Serie in ihren Programmen derzeit nicht in Planung sei. Auch von RTL II heißt es nur, dass man sich grundsätzlich alles anschaue und dann auch ins Programm nehme, wenn es gut sei. Mit seinen zwei Serien ist der Sender aber schon recht gut aufgestellt. Anders die Lage bei Sat.1: Dort scheiterten nach "Verliebt in Berlin" und "Anna und die Liebe" alle Versuche, eine tägliche Serie im Programm zu etablieren - meist mit Pauken und Trompeten. Erst 2015 flog die kurzzeitige Daily-Hoffnung "Mila" nach nur zwei Wochen wieder aus dem Programm. Seither hat Sat.1 die Finger von Dailysoaps gelassen. Das könnte sich aber schon bald ändern.

Kaspar Pflüger© Sat.1
Sat.1-Chef Kaspar Pflüger kündigte vor wenigen Wochen Veränderungen in der Daytime an und sagte gegenüber den Kollegen von "Horizont": "Wir arbeiten unter anderem an einem tagesaktuellen Format und auch wieder am Genre Vorabendserie mit neuen Identifikationsfiguren für unsere Zuschauer" (DWDL.de berichtete). Mehr will Sat.1 dazu derzeit nicht sagen. Aber eine tägliche, echte fiktionale Serie, die ohne Scripted-Reality-Elemente auskommt, stünde dem Sender sicher gut. Es würde auch Pflügers Ziel unterstützen, wieder zu "dem" Familiensender zu werden. Und ganz nebenbei weiß Sat.1 natürlich auch, welche Strahlkraft erfolgreiche, tägliche Serien auf den Rest des Programms haben können. Mit "Verliebt in Berlin" erlebte der Sender die letzte Hochzeit.

Bei den Produzenten rennt Sat.1 mit seinem Wunsch nach einer neuen Vorabendserie natürlich offene Türen ein. "Ja, den gibt es", antwortet etwa Joachim Kosack, Geschäftsführer UFA Serial Drama, auf die Frage, ob es  im deutschen TV-Markt noch Platz für eine neue Dailysoap gibt. "Als Marktführer in diesem Bereich ist es unsere Aufgabe, immer wieder Begehrlichkeit zu wecken und Programme zu entwickeln, bei denen die Sender einfach zugreifen müssen." Man denke dabei nicht nur an bestehende Sendeplätze, sondern agiere aus der Überzeugung heraus, dass "wir es mit einem starken Format zu tun haben, das sein Publikum finden wird und damit auch seinen Sendeplatz." Die größte Herausforderung sei es, ein Format zu entwickeln, das die Zuschauer täglich aufs Neue fessele. Das gelinge nur mit guten Geschichten und starken Schauspielern - da sind sich alle befragten Produzenten einig. Und wenn man es dann einmal geschafft habe, gebe eine Dailysoap eben auch viel zurück, sagt Kosack und verweist auf "GZSZ" - auch bei dieser Serie waren die Quoten anfangs übrigens nicht gut. RTL hat aber einen langen Atem bewiesen und erntet heute die Früchte des Erfolgs. In der langen UFA-Geschichte haben sich aber natürlich auch viele Flops aufgetan: So wurde "Mila" ebenso von der UFA produziert wie das kurzlebige "Eine wie keine" (beide Sat.1). Auch "Verbotene Liebe" konnte von der Produktionsfirma zuletzt nicht mehr gerettet werden.

Durch den Wegfall von 'Verbotene Liebe' fehlt eine Soap, die für Glamour und einen modernen Eskapismus steht.

Christian Popp, Geschäftsführer Producers at Work

"Der Blick zur Nachbarin bleibt immer spannend. Geschichten mit echten, authentischen und glaubwürdigen Figuren in tiefen, emotionalen Verstrickungen finden immer ihr Publikum. Man muss den Sendeplatz  und das jeweilige Sehinteresse der Zuschauerin nur sehr genau kennen", sagt Emmo Lempert, Geschäftsführer der Serienwerft und damit verantwortlich für die ARD-Telenovela "Rote Rosen". Sein Kollege Christian Popp, Geschäftsführer bei Producers at Work, spricht die Tatsache an, dass viele Scripted-Reality-Formate inzwischen nicht mehr so gut laufen wie noch vor wenigen Jahren - auch das würde den täglichen Serien Chancen ermöglichen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass es da vor allem um starkes Storytelling geht. Dramatik und Gefühle müssen im Vordergrund stehen. Außerdem fehlt durch den Wegfall von 'Verbotene Liebe' eine Soap, die für Glamour und einen modernen Eskapismus steht", so Popp. Producers at Work war in der Vergangenheit verantwortlich für einige Dailys, darunter auch "Anna und die Liebe" - einer der ganz wenigen täglichen Serien, die im Anschluss an "Verliebt in Berlin" in Sat.1 überhaupt noch funktioniert haben.  "Hand aufs Herz" und "Schmetterlinge im Bauch" dagegen wurden nach kurzer Zeit abgesetzt.

"Ja, ich denke, es gibt auf jeden Fall noch Platz für eine Dailysoap", sagt Bea Schmidt, Executive Vice President Development und Produzentin bei der Bavaria Fernsehproduktion. Schmidt, unter anderem verantwortlich für "Sturm der Liebe" argumentiert ähnlich wie Christian Popp: "Wenn man allein an die vielen Realitysoaps denkt, die ihre besten Jahre inzwischen hinter sich haben, dann bietet sich hier ein Revival der Dailysoap oder auch Telenovelas definitiv an." Horizontale Erzählweisen würden in der Daytime oder am Vorabend nach wie vor gut funktionieren. Vor rund sechs Jahren scheiterte im ZDF die Bavaria-Serie "Herzflimmern" - auch ein überarbeitetes Konzept konnte das Format nicht mehr retten.

Felix Wesseler© Menne/Filmpool
Dass die "Realitysoaps" ihre besten Zeiten inzwischen hinter sich haben, würde Felix Wesseler wohl sicher nicht unterschreiben. Der Filmpool-Pressesprecher und Director of Operations etwa plädiert für "authentischere Darstellungsweisen" - einige türkische Serien hätten das erfolgreich gemacht. "Ein anderes Element wären beispielsweise straffere Bögen, womöglich eine noch weiter komprimierte Dramaturgie als etwa bei ‘Berlin - Tag & Nacht’ schon." In einem stark fragmentierten TV-Markt wie dem in Deutschland sei es aber vor allem wichtig, "die Soap für einen Sender und entsprechend für seine Zielgruppe geradezu maßzuschneidern", so Wesseler. Auch er glaubt, dass wenn Figuren und Geschichte stimmen, ein erfolgreicher Neustart immer möglich ist.

Bavaria-Fernsehproduktion-Geschäftsführer Jan Kaiser hat zum Thema Daily noch eine andere Idee - eine tägliche Serie im Internet nämlich. So seien die ursprünglichen Soaps in den 60er Jahren als werbeunterstützendes Programm von Seifen- und Waschmittelherstellern gestartet. "Heute, mit der immer stärker werdenden Bedeutung der Digitalisierung, gehen Markenartikler für zielgerichtete Werbung wieder neue Wege. Eine werbefinanzierte Dailysoap für digitale Kanäle wäre eine gute Möglichkeit, produktaffines Publikum zu erreichen", sagt Kaiser. Die Geschichten müssten da nur "sehr präzise" auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt werden. "Und die Länge der einzelnen Folgen wird sich hier nach der Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer richten, nicht nach Programmschienen."