Maria Furtwängler erinnert sich an einen Flug vor wenigen Jahren. Damals meldete sich vor dem Start eine weibliche Stimme aus dem Cockpit und stellte sich den Passagieren als Pilotin vor. Der Schauspielerin kam zunächst bloß ein Gedanke in den Sinn: "Scheiße, wie komme ich aus diesem Flugzeug raus?" Furtwängler erzählte die Anekdote am Mittwoch in Berlin – und sie erzählte sie freilich nicht einfach so, denn der besagte Moment im Flugzeug brachte sie zum Nachdenken. "Ich habe von meiner Kindheit an nicht ein einziges Bild von einer Pilotin vermittelt bekommen", sagte sie. Das hat auch einen Grund, denn noch heute ist im Kinderfernsehen nur eine von vier Figuren weiblich. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, um die es im Plenarsaal der Akademie der Künste ging.

Erstmals haben sich ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 sowie die Film- und Medienstiftung NRW, die nationale Filmförderung FFA und der FilmFernsehFonds Bayern auf Initiative von Furtwänglers MaLisa-Stiftung zur Förderung einer Studie zusammengeschlossen, die sich über alle Sendergruppe hinweg mit der Geschlechterdarstellung in Fernsehen und Film befasst. Die wichtigsten Erkenntnisse: Frauen sind im Fernsehen deutlich unterrepräsentiert – und wenn sie vorkommen, dann vor allem als junge Frauen. Gleichzeitig erklären Männer die Welt, als Experten, Gameshow-Moderatoren, Journalisten oder Sprecher.

Ein "unbefriedigender Zustand" sei das, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut, der zusammen mit der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann, ProSiebenSat.1-TV-Deutschland-Chef Wolfgang Link und der Filmstiftungs-Geschäftsführerin Petra Müller über die Resultate der Untersuchung diskutierte. Wobei es streng genommen nicht allzu viel zu diskutieren gab, schließlich waren sich die Granden darin einig, dass sich etwas verändern muss. "Wir analysieren im Fernsehen jede Kurve, nur so etwas Wichtiges nicht", räumte Link ein und betonte, dass ihn das sogar traurig mache.

Ähnlich äußerte sich auch Frank Hoffmann: "Wir müssen besser werden", sagte er und zeigte sich zuversichtlich, dass sich mit Blick auf die Darstellung von Frauen im Fernsehen schon jetzt etwas tut. Das gehe ihm aber zu langsam, auch wenn er für seinen Sender in Anspruch nimmt, viele Frauen über 50 auf den Schirm zu lassen – von Katja Burkard über Frauke Ludowig bis hin zu Ilka Eßmüller und Birgit Schrowange. "Bei uns wird die Welt von Frauen erklärt", so der RTL-Programmchef, der nicht zuletzt in der Fiktion Nachholbedarf sieht. Dass US-Produktionen beim Publikum inzwischen weniger gefragt seien, sei jedoch eine "Riesenchance, den Ansprüchen mit eigener Fiction gerecht zu werden".

Frank Hoffmann und Petra Gerster© DWDL.de / Alexander Krei

Gleichzeitig betonte Hoffmann, dass man mit dem arbeiten müsse, was von Produzenten vorgeschlagen werde. Und genau hier sieht Filmstiftungs-Chefin Petra Müller auch die Frauen in der Pflicht: "Wir brauchen mehr Anträge von Frauen", forderte sie. In den letzten Jahren habe man diesbezüglich aber schon viele Fortschritte gemacht, was auch daran liege, dass das Thema ein Bewusstseinsprozess sei. So sieht das auch Wolfgang Link von ProSiebenSat.1. Er erzählte beispielsweise davon, dass die UFA ihm gerade sechs Serien vorgestellt habe, von denen fünf eine Frau in den Mittelpunkt stellten. "Ich spüre, dass sich etwas ändert", machte der ProSiebenSat.1-Mann klar. 

Ob es eine Frauen-Quote zur Lösung des Problems braucht? Geht es nach der ARD-Vorsitzenden, dann lautet die Antwort: Nein. Sie bezeichnete eine Quote als "Krücke" und "allerletztes Mittel" und teilte damit die Ansicht von Petra Müller. Noch schrecke man vor einer solchen Quote zurück, sagte Müller mit Blick auf einen Runden Tisch beim BKM. Nun soll der Branche noch zwei Jahre Zeit gegeben werden, um von sich aus ein Gleichgewicht herzustellen. Sollten Frauen dann noch immer unterrepräsentiert sein, schrecke man aber auch vor der Forderung nach einer Quote nicht mehr zurück. Schon jetzt stellt sie ein Monitoring in Aussicht, das offenlegen soll, wie die Förder-Entscheidungen gefallen sind. 

Gerster stellt kritische Fragen an Bellut

Es ging also recht einvernehmlich zu in Berlin. Am härtesten gegrillt wurde ZDF-Intendant Thomas Bellut, dessen "heute"-Moderatorin Petra Gerster durch die Diskussion führte und dankenswerterweise nicht davor zurückschreckte, dem eigenen Chef kritische Fragen zu stellen. Gerster kritisierte das Frauenbild in Pilcher-Filmen oder ärgerte sich über die rein männliche Hierarchie in der "heute"-Redaktion. Man achte im Haus zwar auf eine politische Ausgewogenheit, aber nicht auf eine Geschlechter-Ausgewogenheit, schimpfte sie und erntete dafür reichlich Applaus. "Das ist nicht mein Wunsch", entgegnete Bellut. Das sei zudem das kein repräsentatives Bild fürs ZDF.

Ganz am Ende musste der Intendant dann noch ein weiteres Mal einstecken. Warum das ZDF ausgerechnet das Frauenmagazin "ML Mona Lisa", das sie selbst einst präsentierte, in wenigen Tagen einstellen wird, wollte Petra Gerster wissen. Hier gab sich Bellut deutlich souveräner. Inzwischen würden viele Frauen wichtige Sendungen leiten und moderieren, erklärte er. "Es ist wichtiger, überall im Programm Gleichberechtigung einzuführen als ein Sendergefäß zu schaffen." Er halte es für falsch, Frauen mit einer eigenen Ecke am Samstagnachmittag abzuspeisen. Die Themen sollen allerdings auch weiterhin im Programm vorkommen: "Dafür werde ich sorgen", versprach Bellut.

Wer der Diskussion folgte, konnte den Eindruck gewinnen, dass den Senderverantwortlichen wirklich etwas daran liegt, die Ungleichheiten zu verringern. Die Erkenntnisse sollten nicht das Schicksal anderer Studien erleiden und zur Seite gelegt werden, stellte Karola Wille klar. Und auch Wolfgang Link kündigte Besserung an. Das Thema müsse in die Häuser und Teams getragen werden. "Es muss gelebt werden und ein Verständnis geben", sagte er und ergänzte: "Das ist unsere Verantwortung." Maria Furtwängler wird all das wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. Vielleicht werden nachfolgende Generationen ja häufiger mit Pilotinnen im Kinderfernsehen konfrontiert.