Frau Hauptkommissarin hat’s auch nicht leicht. Gleich an ihrem ersten Tatort wirft ein totes Kind schwierige Fragen auf: Wer ist der Mörder? Was hat die örtliche Waffenindustrie damit zu tun? Wo steckt der junge Freund des Opfers? Und vor allem: Warum trinkt ein Zeuge „Cola 88“? Die nämlich serviert Franziska Tobler dem Elfjährigen bei der Vernehmung im Präsidium. Und nicht nur Koffeinbrausefans wundern sich übers Gesöff im roten Outfit einer weltbekannten Marke. Womit wir aus der dunklen Welt des Schwarzwälder Tatorts in der dubiosen des Product Placements landen.

Denn was Szenenbildnerin Myrna Drews im ersten Fall von Hans-Jochen Wagner und Eva Löbau beim SWR für Dehnübungen vollführt, um ja nicht in Schleichwerbeverdacht zu geraten, grenzt manchmal mehr an Realsatire als nur Ausstattung. Einen Snack namens „Pogiponsis“ dürfte man im Regal echter Tankstellen ebenso vergebens suchen wie den Schokoriegel „Kranschi“. Und als der Vater des toten Mädchens seine Joggingschuhe schnürt, fehlt etwas buchstäblich Markantes: der dritte Streifen. Zumindest oberflächlich. Schließlich wurde er nur halbherzig übergepinselt. Und das hat Methode.

Pogibonsi

Ob Pogibonsis aus der italienischen Stadt Poggibonsi kommt - unklar.

Spätestens seit die Enthüllung systematischer Reklame im "Marienhof" vor zwölf Jahren eine Welle ähnlicher Enthüllungen in Gang gesetzt hat, sind die öffentlich-rechtlichen Sender um Vorsicht bemüht. Griffen Kommissare einst arglos zur Marlboro oder Krönung, werden Produktnamen, und seien sie im Alltag noch so verbreitet, nun überall bemäntelt, umbenannt, aus dem Sichtfeld gedreht. Juristisch gesehen ist den Sendern selbst bewusste Produktplatzierung zwar nur dann untersagt, wenn sie geldwert vergütet wird. Doch besonders in der ARD herrscht ein hingebungsvoller Überbietungswettbewerb des vorauseilenden Gehorsams.

Damit gar nicht erst der Eindruck entstehe, es könne sich um Werbung handeln, erklärt die zuständige Pressestelle des SWR zum Schwarzwald-Tatort, „tauschen wir Marken in unseren Filmen aus, wo sie deutlich sichtbar ins Bild kommen“. Der Stachel gekaufter Präsenz eines Reiseanbieters beim "Marienhof", mehr aber noch der neoliberalen Vorfeldorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sitzt tief im Fleisch der ARD. Umso ulkiger wirkt da die „Cola 88“. Schließlich kichern Neonazis mit dem Kürzel für „Heil Hitler“ ihre Gesinnung halbheimlich in die Zivilisation.

Die Lust am Verbrämen treibt aber noch tollere Blüten. In der "Lindenstraße" heißen die Quasimonopolisten Facebook, YouTube, Google allen Ernstes „spacehorst“, „Findhund“ und „DuRöhre“. Genutzt werden sie auf „Yehowa-“Geräten, was immerhin von etwas Selbstironie zeugt. Wenn ein Streichfett zur „Maga“ wird oder die FDP „Partei der Leistungsträger“, während Rettungswagen ihr Kreuz verlieren, damit auf dem Schlachtfeld selbstloser Hilfe nur ja Waffengleichheit herrscht, dann ist dann fast schon bizarr. So wie der Umetikettierungsdrang beim zweitdeutschesten aller Produkte. Von SOKO bis Tatort mögen gerade Krimis verbissen um Lokalkolorit ringen; wenn Kommissar Faber in der Braumetropole Dortmund den Alltag vergessen will, tut er es mit dem Fantasiepils „Berger“. Am Hals von Dittsches Flaschenbier indes klebte anfangs ein wahrhaftiges Label aus Flensburg. Doch weil ein faselnder Alki dort offenbar nicht verkaufsfördernd erschien, legte der Hersteller ein Veto ein. Fortan perlte das „Dittschberger“. Witzisch.

Dittschberger

Dittsche stößt mit Dittschberger an

Wie der beidseitig angebissene Apfel auf Computern der "Simpsons". Aber ist es auch seriös? Silvia Maric aus der ARD-Programmdirektion betont zwar, mangels Richtlinien entscheide „jede Redaktion von Fall zu Fall für sich“; doch wenn der Lover des "Lindenstraßen"-Bewohners Käthe einer populistischen Partei namens NAP angehört, während das Vorbild AfD andernorts offen kritisiert wird, könnte die ordnende Hand von oben durchaus für Klarheit sorgen. Schließlich verwendet auch der neue "Tatort" viel Mühe auf die Erfindung telegener Konsumprodukte. Der Stern auf dem Kühler eines Wagens ist hingegen bestens sichtbar.

Pkw ließen sich halt schwer anonymisieren, rechtfertigt sich der SWR. Um wenigstens „Markenvielfalt zu erreichen“, zeige man daher mehrere Hersteller, deren Modelle überdies kostenpflichtig gemietet würden. Klingt glaubhaft. Doch wenn Kommissar Lannerts Porsche im benachbarten Stuttgart mal wieder genüsslich durchs Bild rollt, kann von Requisite kaum noch die Rede sein. Als ein Elektroauto ortsansässiger Bauart so bild-, vor allem aber wortgewaltig durch die Münchner "Lindenstraße" fuhr, dass es Teil der Handlung war, musste die Folge anschließend aus der Mediathek verbannt werden. Deutschlands Wohlstandsmotor genießt halt Artenschutz.

Tagesbote statt Bild

Statt in "Bild" liest man im ARD-Film im "Tagesboten"

Den man einer ebenso wichtigen Branche mal wünschen würde. Seit das Klatschblatt "AZ" in der Serienlegende Kir Royal zur „Münchner Allgemeinen“ wurde, wird das identitätsstiftende Lokalprodukt Zeitung zwanghaft umbetitelt. Am Mittwoch macht der ARD-Film Willkommen bei den Honeckers die realexistierende "Bild" zum "Tagesboten", der einen Reporter zum greisen Exdiktator nach Chile schickt. Und im Fall Barschel landet der tote Politiker nicht auf der Titelseite des "Stern", sondern einer "Neuen Hamburger Zeitung". Wenigstens der "Spiegel" durfte in der Spiegel-Affäre auf gleichem Kanal "Spiegel" heißen. "Magazin 88" hätte vielleicht doch zu martialisch geklungen…