Der 12. September 2011 ist ein wichtiger Tag in der Geschichte von RTL II, damals ging die erste Folge von "Berlin - Tag & Nacht" auf Sendung. Und auch wenn es damals zunächst nicht danach aussah: Das Format hat das Programm des Senders, und auch das gesamte Soap-Genre, mächtig durcheinandergewirbelt. Heute ist die Serie kaum mehr aus dem Vorabend wegzudenken und gehört, gemeinsam mit "Köln 50667", zu den erfolgreichsten Marken des Senders. Doch gerade in den ersten Wochen benötigte man beim Sender den so oft zitierten "langen Atem".
Das weiß man bei der Produktionsfirma heute sehr zu schätzen: "Wir konnten intensiv arbeiten und uns entwickeln – dennoch war allen klar, dass sich innerhalb von drei, vier Wochen etwas tun musste", sagt Wesseler. Nach den ersten zwei Wochen begannen die Quoten langsam zu steigen und auch bei Facebook bildete sich eine immer größere Fangemeinde. "Nach vier Wochen hatten wir plötzlich die ersten 100.000 Likes bei Facebook und es wurde deutlich, dass da mehr Musik drin ist, als irgendeiner vorher ernsthaft gedacht hatte, sodass wir uns hier mehr darauf konzentrierten und via Social Media Marketing viele neue, vor allem junge, Zuschauer gewinnen konnten."
Das ursprüngliche Ziel von filmpool: "Big Brother" dauerhaft ersetzen. Das ist gelungen, doch auch bei "Berlin - Tag & Nacht" gab es in den vergangenen Jahren durchaus Quoten-Krisen. Nach einem jahrelangen Höhenflug mit zweistelligen Marktanteilen setzte ein schleichender Abwärtstrend ein, der die Quoten der Soap 2017 auf den niedrigsten Stand seit dem Start sinken ließ. Sender und Produktionsfirma setzten sich zusammen und fixierten viele Änderungen, die nun schon seit einigen Monaten greifen. Und siehe da: Die Quoten steigen wieder. Inhaltlich aber hat sich "Berlin - Tag & Nacht" dadurch stark verändert.
Langzeittrend: Berlin - Tag & Nacht
Die wohl auffälligste Änderung ist die Fiktionalisierung der Serie. Zum Start im Jahr 2011 sah "Berlin - Tag & Nacht" noch aus wie eine Dokusoap: Die Kamera lief immer hinter den Laiendarstellern her, diese äußerten sich im Anschluss an bestimmte Szenen in 1:1-Interviews vor der Kamera. Die Interview sind inzwischen komplett gestrichen worden, zudem wird meht mit Schnitten gearbeitet. "Ein Dokusoap-Format suggeriert dem Zuschauer, dass er als Beobachter dabei ist, wenn etwas passiert. Aber er ist nie der einzige, der dabei sein darf, sondern es gibt noch ein Kamerateam, einen Interviewer", sagt Produzentin Marie Hölker gegenüber DWDL.de. Während die Serie dadurch anfangs noch authentisch gewirkt habe, sei mit der Zeit eine Distanz zu den Zuschauern entstanden. Die Zielgruppe hat einfach gewusst, dass die Schauspieler nicht sich selbst verkörpern, sondern andere Charaktere. "Alle Veränderungen, die wir vorgenommen haben, von Story bis Inszenierung, dienen dazu, das Innenleben unserer Protagonisten sichtbarer werden zu lassen, also mehr Nähe zu ermöglichen." Bei "Köln 50667" hält man übrigens noch an der stärkeren Doku-Optik fest - mit Erfolg.
Inzwischen arbeitet man auch mit einer gestaltenden Regie. Das heißt: Es gibt vermehrt Nahaufnahmen von Gesichtern, um so Emotionen zu transportieren. Früher hatte die Kamera meist die Gesamtsituation im Blick - so war das nicht umzusetzen. "Es konnte nicht von einer Figur auf eine andere geschnitten werden, sondern die Kamera musste hin und her schwenken, wurde damit selbst präsent und lenkte von den Emotionen in der Szene ab", sagt Hölker. Die gestalterischen Einschränkungen seien erheblich gewesen. Filmpool nutzt beim Dreh nur eine einzige Kamera - daher hat man sich dazu entschlossen, verschiedene Einstellungen zu drehen. Das bedeutet, dass viele Dinge mehrmals gedreht werden müssen und führt auch dazu, dass jemand auf mögliche Anschlussfehler achten muss.
Fokus auf Frauen ab 30, Verlängerung bis 20:15 Uhr
Um weiter erfolgreich zu bleiben, will filmpool "Berlin - Tag & Nacht" nun auch für neue Zuschauer öffnen, im Fokus hat man dabei vor allem Frauen ab 30. Dazu will man bestimmte Themen künftig "tiefgehender" und "differenzierter" angehen, kündigt Produzentin Hölker an. "Mit dreißig Jahren und vielleicht der dritten missglückten Beziehung muss ich mich fragen, was mein Anteil daran ist, wenn sich Vorstellungen nicht umsetzen lassen. Muss eigene Fehler finden oder die Vorstellungen von meinem Leben überprüfen - bin ich vielleicht gerne Single? Will ich Kinder oder nicht? Habe ich den Job, den ich haben wollte? Wenn eine Story für diese Zielgruppe interessant sein soll, muss sie sich mit solchen Fragen ernsthaft auseinandersetzen und darf nicht nur auf der Oberfläche eines Konfliktes bleiben." Dennoch wolle man keine akademischen Diskussionen führen, sondern alltagsnah bleiben. Ohne konkrete Zahlen zu nennen sagt Hölker, dass die zuletzt gestiegenen Quoten auch auf das "intensivere Erzählen" zurückzuführen sei, dadurch würde man bereits jetzt mehr Frauen ab 30 erreichen. Hinzu kommt die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren auch der Cast, und mit ihm die Zuschauer, gealtert sind. "GZSZ" warf vor einigen Jahren mal nahezu alle alten Darsteller raus, das ist bei "Berlin - Tag & Nacht" eher nicht zu befürchten. "Langjährige BTN-Charaktere sind für unsere Zuschauer feste Größen, und was sie erleben, wird nicht plötzlich unspannend, weil sie dabei älter werden. Warum sie den Zuschauer/inne/n wegnehmen?", so Hölker. Im Vergleich zu den damaligen "GZSZ"-Größen sind die alteingesessenen "Berlin - Tag & Nacht"-Darsteller aber auch heute noch blutjung.
Eine weitere Herausforderung, die sich filmpool ab sofort stellen muss, ist die leicht veränderte Sendezeit bis 20:15 Uhr durch die Verschiebung der "RTL II News". Hinzu kommt, dass die Serie dadurch inzwischen etwas länger ist. "Näher an die Primetime heranzurücken kann das Format durchaus sexier machen. Wir verstehen uns inzwischen als fiktionales Format, insofern liegt vielleicht auch der Gedanke nahe, dass wir in ganzer Länge gegen die fiktionale Vorabendkonkurrenz des Muttersenders RTL antreten können", sagt Produzentin Hölker gegenüber DWDL.de. Und der Hintergedanke von RTL II ist ja offensichtlich: Ein starkes "Berlin - Tag & Nacht" soll bitte auch den Primetime-Formaten etwas mehr Anschub verleihen, als das die Nachrichten konnten. Der Veränderungsprozess sei aber noch lange nicht abgeschlossen, so Hölker. "Für mich sind wir noch mitten im Prozess." Man müsse dem Team nun die Möglichkeit geben, eine Routine in den veränderten Arbeitsabläufen zu finden. Außerdem müsse man Castmitgliedern, die schon lange dabei sind, Pausen ermöglichen, ohne dass die Serie leide. "Und wir müssen aufpassen, dass wir auch für die Zuschauer attraktiv bleiben, die sich nach einem anstrengenden Arbeitstag nicht mehr in Probleme involvieren, sondern einfach Spaß haben und sich unterhalten lassen möchten."
Erfolgsrezept Social Media
Was sich im Verlaufe der Zeit überhaupt nicht geändert hat, ist die Wichtigkeit von Social Media. Auf Facebook kommt "Berlin - Tag & Nacht" inzwischen auf fast drei Millionen Fans. Mittlerweile tummeln sich viele junge User aber auch auf anderen Seiten - das wissen auch die Macher der Serie und wollen deshalb künftig mehr experimentieren. "Es muss jedoch einen Mehrwert bieten, nur um der Präsenz willen macht es keinen Sinn. Mit musical.ly gab es beispielsweise via El Cartel Media und RTL II eine erfolgreiche Kooperation, wir testen verschiedene Youtube-Channels", sagt Felix Wesseler. Recht neu sei zudem auch ein Instagram-Profil eines Charakters der Serie. Der "Berlin - Tag & Nacht"-Account kommt dort inzwischen auch schon auf rund 400.000 Follower.
Aber auch in Sachen Social Media steckt der Teufel im Detail, denn auch hier hat sich in den vergangenen Jahren hinter den Kulissen einiges getan. Anfangs wurde den Darstellern verboten, eigene Fan-Seiten bei Facebook zu erstellen, weil sich alles auf der "Berlin - Tag & Nacht"-Seite kanalisieren sollte. Man wollte den Zuschauern auch nicht sofort zeigen, dass Schauspieler hinter den Charakteren stecken. "Natürlich weiß das Gros der Zuschauer, dass die Darsteller hier Charaktere mit Leben füllen, man sie aber einen Klick weiter auf ihren Privatprofilen finden kann. Deshalb haben wir auch nach sechs Jahren das Kommunikationskonzept aufgebrochen", sagt Wesseler. Das damalige Konzept habe sich mittlerweile einfach überlebt. Heute kommen die Darsteller mit ihren Seiten selbst auf hunderttausende Likes - und der Haupt-Page schadet das nicht. Inzwischen dürfen die Schauspieler sogar unter ihrem eigenen Namen Interviews geben - das war nicht immer so. Wer hätte diese ganzen Veränderungen am 12. September 2011 schon kommen sehen? Eins steht jedenfalls fest: Nach der Party zum 7. Geburtstag dürfte bessere Laune bei RTL II und filmpool herrschen als damals. Die Katerstimmung der Anfangstage ist jedenfalls längst verflogen.