Zu allem kamen auch noch intensive Verhandlungen in der Medienpolitik, insbesondere mit der Landesmedienanstalt von Schleswig-Holstein, die ich überzeugen musste, die Sendelizenz von Eureka auf ProSieben zu übertragen. Dies war alles andere als einfach. Ich musste mehrere Male in Kiel zu intensiven Befragungen bei den Rundfunkräten antreten. Es gab erhebliche politische Widerstände, vor allem von Seiten der SPD. Insbesondere den linken SPDlern war der Kirch höchst suspekt, weil er sich offen zu einer konservativen Weltanschauung bekannte und mit Franz Josef Strauß ebenso wie mit Helmut Kohl gute persönliche Beziehungen pflegte. Hinzu kam, dass unsere Konkurrenten, vor allem aus den Kreisen von Bertelsmann und RTL, nichts unversucht ließen, um Thomas Kirch und mich als Strohmänner von Leo Kirch zu diskreditieren und von der Politik zu fordern, ProSieben die Sendelizenz zu verweigern, weil damit das geltende Medienrecht unterlaufen würde. Tatsächlich wurde uns die Sendelizenz erst Mitte Dezember 1988 erteilt, zwei Wochen vor dem Sendestart.



Silvester 1988 war für mich vielleicht der aufregendste Arbeitstag meines Lebens. Buchstäblich bis zur letzten Minute liefen die Vorbereitungen zum Sendestart. Wir wollten mit einer Nachrichtensendung beginnen, den ProSieben Nachrichten. Pünktlich zum Jahreswechsel. Am Nachmittag wollte das neue ProSieben-Logo partout nicht transparent auf den Bildschirm kommen. Dann meldete sich der Schreiner und meinte, er könne nicht sicher sagen, ob er den Nachrichtentisch mit dem ProSieben-Logo noch fertig bekommen würde. Es klappte dann doch, der Tisch wurde gegen 21 Uhr angeliefert, installiert und für die Sendung ausgeleuchtet. Wir hatten bei mir zu Hause einige Freunde zur Silvesterfeier eingeladen. Gegen viertel vor zwölf stieß ich mit allen auf das neue Jahr an und bat um Verständnis, dass ich jetzt mal eben einen neuen Fernsehsender starten müsse.

Ich ging in mein Arbeitszimmer und machte den Fernseher an. Mein Herz pochte. Jetzt zählt es, dachte ich. Dann schlug es zwölf, überall waren die Silvester-Böller zu hören und während des ganzen Lärms sah und hörte ich die erste Ausgabe der „ProSieben Nachrichten“. 10 Minuten, keine Panne, kein Versprecher. Dann ein reibungsloser Übergang zur ersten Serie: „Starsky and Hutch“. Ich blieb noch eine Viertelstunde sitzen, die Technik funktionierte einwandfrei, ProSieben war auf Sendung. Ich ging in die kristallklare Winternacht hinaus und schaute in die Sterne. Ich wusste, dass dieses ProSieben nun mein Leben prägen und verändern würde.

Der neue Sender wurde nicht überall willkommen geheißen. Der deutsche Markt könne neben den öffentlich rechtlichen Programmen nur zwei private Vollprogramme finanzieren, so eine gängige Meinung sogenannter Medienexperten. Andere fragten: wir haben doch jetzt schon so viel Fernsehen, mit der ARD, den Dritten Programmen, dem ZDF, dann noch die Privaten mit SAT1 und RTL... wer soll denn um Himmels Willen noch ein zusätzliches Programm anschauen? Auch in der Werbewirtschaft gab es erhebliche Skepsis. Am schlimmsten war der Mediachef eines großen Konsumgüterkonzerns, einer der wichtigsten Werbungtreibenden in Deutschland. Er sagte mir direkt ins Gesicht, er brauche keinen weiteren Sender, denn die älteren Zielgruppen würde er ja mit ARD und ZDF erreichen und die Jüngeren mit RTL und SAT 1. Also sei ProSieben überflüssig, würde ihm nur Arbeit machen und das ganze System komplizierter. Ich verließ sein Büro mit gewaltiger Wut im Bauch und dachte: „Dir werd‘ ich‘s zeigen, Du arroganter Schnösel!“ Ein Jahr später gingen die ersten Werbebuchungen dieses Konzerns bei ProSieben ein. Ich muss gestehen: das fühlte sich ziemlich prächtig an.

Georg Kofler
1997: Georg Kofler wirbt für den Börsengang von ProSieben

Der neue Sender machte seinen Weg. Der Umsatz im ersten Geschäftsjahr 1989 betrug 10,5 Millionen DM. Geplant hatten wir 10,0 Millionen DM. Von da an haben wir jedes Jahr unsere Planungen übertroffen. Zwei Jahre später, 1991, erzielte ProSieben schon über 180 Millionen, 1992 über 400 Millionen DM. 1994 überschritt ProSieben die Milliardengrenze: 1,2 Milliarden Umsatz bei 150 Millionen Gewinn. Am 7.7.1997 führte ich die ProSieben Media AG an die Börse. Angestrebte Bewertung: 2,2 Milliarden DM. Wiederum war die Skepsis groß: wieso sollte man Aktien von ProSieben kaufen, fragten viele Zeitungen und natürlich auch unsere Konkurrenten von Bertelsmann und RTL.

Da gäbe es doch ein gewaltiges Risiko: Leo Kirch, der größte Programmlieferant von ProSieben, müsste doch nur die Preise seiner Spielfilme und Serien erhöhen und schon wäre der schöne Gewinn von ProSieben futsch und die neuen Aktionäre wären die Dummen. Außerdem würde nur stimmrechtslose Vorzugsaktion angeboten. Das sei schon sehr verdächtig. Das Emissionsvolumen des Börsengangs von ProSieben betrug 1,1 Milliarden DM. Als ich mit meinem Team nach zweiwöchiger Roadshow von San Francisco nach Frankfurt zurück flog, hatten wir Bestellungen für ProSieben-Aktien im Wert von 62 Milliarden DM in unserem Auftragsbuch. Mehr als 50fach überzeichnet. Es war die höchste Nachfrage für eine neue Aktie in der gesamten deutschen Börsengeschichte.

Diese Geschichte hätte nicht stattgefunden ohne den unternehmerischen Weitblick, die Risikobereitschaft und das Vertrauen von Dr. Leo Kirch. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass es die mutigen Entscheidungen einzelner Persönlichkeiten sind, die den Lauf der Geschichte prägen. Leo Kirch hat mir mit ProSieben die Chance meines Lebens ermöglicht. Ihm gilt mein immerwährender Dank und Respekt.

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