Als Mitte März die Diskussion um die Nachfolge von SWR-Intendant Peter Boudgoust entbrannte, meldeten sich auch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten von ARD, ZDF, DLR, DW und ORF zu Wort. Diese nutzten ihre Frühjahrskonferenz dazu, um eine weibliche SWR-Intendantin zu fordern (DWDL.de berichtete). Das war vor allem deshalb spannend und ungewohnt, weil es eben nicht nur ein Appell der ARD-Vertreter war und weil es mit Stefanie Schneider damals wie heute nur eine weibliche Bewerberin gab. Gastgeber der Konferenz war damals der MDR. Deren Gleichstellungsbeauftragte Claudia Müller sagt im Gespräch mit DWDL.de: "Für den SWR ist es schon lange an der Zeit, dass man dort eine weibliche Intendantin einsetzt."

Mit Karola Wille (MDR) und Patricia Schlesinger (RBB) gibt es bislang nur zwei weibliche Intendantinnen in der ARD, mit Yvette Gerner folgt bei Radio Bremen im August die nächste Frau an der Spitze einer ARD-Anstalt. Man sei sehr glücklich darüber, dass die ARD nun weiblicher werde, sagt Müller. Dennoch stelle man eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen fest. "Daher haben wir die Aktualität der anstehenden SWR-Intendantenwahl genutzt und eine weibliche Nachfolge von Peter Boudgoust gefordert." Der Sender habe eine besondere Verantwortung, im Staatsvertrag sei die Gleichberechtigung von Frauen und Männern vorgeschrieben.

Die Gleichstellungsbeauftragten haben sich nicht direkt für Stefanie Schneider ausgesprochen, auch das Wahlverfahren generell haben sie nicht kommentiert. Sie wollen nur eine weibliche Intendantin. Sie erhofften sich, durch ihren Appell würde der SWR das Bewerberfeld wieder öffnen - und nicht nur zwei Personen zur Wahl stellen. Neben Schneider ist auch Kai Gniffke im Rennen um die SWR-Intendanz. Dass die Gremien anders entschieden haben, dürfte man bei den Gleichstellungsbeauftragten mit Ernüchterung vernommen haben. Claudia Müller wünscht sich noch immer eine weibliche Nachfolgerin von Peter Boudgoust.

"Männer und Frauen wurden in der Vergangenheit einfach unterschiedlich bewertet - und das nicht immer zum Vorteil der Frauen."
MDR-Gleichstellungsbeauftragte Claudia Müller

Gleichzeitig betont die MDR-Gleichstellungsbeauftragte, dass es bei der Besetzung von Positionen immer um Qualifikationen gehe - und nicht um Quoten. "Aber klar ist auch, dass die Qualifikationen von Männern und Frauen noch immer unterschiedlich bewertet werden." Die Wirkungsmacht der Stereotype dürfe man nicht unterschätzen. So würden Frauen mit Durchsetzungsvermögen auch heute oft noch als dominant gelten, während die gleiche Eigenschaft bei Männern als Führungsstärke gesehen werde. "Ich will, dass dieses Verfahren nun fair, transparent und nach objektiven Kriterien abläuft. Männer und Frauen wurden in der Vergangenheit einfach unterschiedlich bewertet - und das nicht immer zum Vorteil der Frauen", sagt Müller nun zu anstehenden SWR-Intendantenwahl.

Doch nicht nur auf dem Intendantenposten sind Frauen in der ARD bislang in der Unterzahl. Beim MDR habe man eine Unterrepräsentanz in fast allen Bereichen, sagt Müller. Am besten sieht es im journalistischen Bereich aus, hier sind 45 Prozent der Führungskräfte Frauen. "Da haben wir unser Ziel schon fast erreicht", sagt Müller. Dass der Wert über alle Abteilungen hinweg trotzdem nur bei 32,8 Prozent liegt, ist vor allem auf die Technik zurückzuführen. Hier arbeiten nach wie vor sehr wenige Frauen, das sieht auch den gesamten Schnitt nach unten. Der Führungsanteil der Frauen in der Technik liegt bei weniger als zehn Prozent.

Der RBB ist in Sachen Gleichstellung ARD-weit führend

Ziel der Gleichstellungsbeauftragten, die sich zweimal im Jahr treffen, ist es, für mehr Chancengleichheit zu sorgen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Das tut man manchmal eben auch sehr öffentlichkeitswirksam. Müller betont, dass man in der Vergangenheit schon viel erreicht habe. Sie sagt aber auch: "Das kann uns auf keinen Fall zufriedenstellen." Müller: "Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dauert es wahrscheinlich noch 100 Jahre, bis wir eine vollständige Gleichberechtigung haben. Das kann es nicht sein, wir müssen noch mehr tun." Wenn es um Frauen in Führungsverantwortung geht, liegt ARD-weit der RBB an der Spitze - hier sind es schon fast 50 Prozent. Alle anderen Anstalten schwanken bei rund einem Drittel. Teilweise sei es schwer, gute Bewerbungen zu bekommen. Das hört man nicht nur oft aus der ARD, sondern auch von vielen anderen Medienunternehmen. Ein Argument will Claudia Müller aber nicht mehr gelten lassen: "Das Argument ‘Es gibt keine Frauen’ zählt nicht mehr, das ist völlig überholt", sagt sie. Das beweise auch der Wechsel an der Spitze von Radio Bremen. 

Dass es nicht bei einem Drittel mit Frauen in Führungsverantwortung bleibt, dafür wollen auch die Gleichstellungsbeauftragten sorgen - und dann eben auch mit einer Kommunikation, die nicht alltäglich ist. Dass sich nämlich auch die Vertreter von ZDF und ORF der Forderung nach einer weiblichen SWR-Intendantin angeschlossen haben, und sich damit in die Angelegenheiten eines anderen Senders einmischen, sorgt hier und da für Verwunderung. "Natürlich ist das eine Gratwanderung. Aber die Gleichstellungsbeauftragten sind dafür eingesetzt, eine tatsächliche Gleichstellung zu schaffen, das ist unser Job. Dazu gehört manchmal eben auch, dass man sich öffentlich äußert und unorthodox handelt", sagt Müller. "Wir sind widerspenstig und betreiben zum Teil eine Art Guerilla Kommunikation."

Die Gleichstellungsbeauftragte des MDR ist sich sicher: Wenn öffentlich über das Thema Gleichstellung gesprochen wird, dann nützt das auch den Sendern. "Wir haben einen öffentlich-rechtlichen Auftrag, auch was die Vielfalt angeht." Eins haben die Gleichstellungsbeauftragten auf jeden Fall erreicht: Ihr Anliegen ist sichtbarer geworden und wird inzwischen deutlich häufiger und auch ernster diskutiert als noch vor zehn Jahren. Das zeigen viele Initiativen der Vergangenheit, sei es ein Regisseurinnen-Speeddating oder der Berlinale.Brunch von Karola Wille. Auch das ist zum Teil auf die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten der Öffentlich-Rechtlichen zurückzuführen.