(Dies ist eine Fortsetzung der Gastkolumne, deren erster Teil zu Beginn der Woche erschien)

Da saßen wir also. Die Zeit drängte, bereits übermorgen sollte die nächste Auflage unserer schönen Programmzeitschrift in Druck gehen, um den 14-täglichen Termin einhalten zu können. Wir mussten einen neuen Namen für die Zeitschrift finden, daran führte kein Weg vorbei, „TV Komplett“ war Geschichte. Es war klar, dass die juristischen Kanonen der anderen Verlage sofort auf den neuen Titel gerichtet würden. Wir mussten also einen Namen finden, der juristisch völlig unangreifbar war. Ein zweites Mal konnten wir uns eine solche „Komplett-Niederlage“ nicht leisten. Der Ideen-Wettbewerb war eröffnet.

Ich fragte Dr. Bauer, ob es denn theoretisch denkbar sei, innerhalb von zwei Tagen einen neuen Namen zu finden, der juristisch einwandfrei abzusichern wäre. Wir dachten zum Beispiel an „TV Genial“ und ähnliche Kombinationen. Ausgeschlossen, lautete die Antwort. Es schien aussichtslos. Welcher Name würde sich in so kurzer Zeit zuverlässig absichern lassen? Bei welchem Namen könnte kein konkurrierender Verlag einen Ansatz finden, uns erneut Steine in den Weg zu legen? Die Prioritäten hatten sich geändert: Es ging angesichts der Situation nicht um den bestmöglichen Namen für den Wettbewerb im Markt - er musste einfach nur unanfechtbar sein.

Wir dachten fieberhaft über mögliche Titel nachdachten, rief Andrea Blessing in den Raum: Wieso nennen wir das Ding nicht einfach „TV Kofler“. Ich lachte laut, netter Scherz. Dirk Heerdegen, blitzgescheit und nie um einen kreativen Einwurf verlegen, sekundierte: Wir haben bei uns auch schon darüber gesprochen. Wäre doch lustig oder? „Wie, Euer Ernst?“ Schlagartig türmten sich vor meinem geistigen Auge die Gegenargumente auf. Da sagen doch alle, jetzt ist der Kofler endgültig größenwahnsinnig geworden! Eine Zeitschrift nach sich selbst zu benennen! Das ist Narzissmus pur! Der Mann muss in die Psychotherapie! Andererseits dachte ich mir damals: die können mich alle mal! Wer sich vom Applaus Dritter abhängig macht, der hat schon verloren.

Also warum nicht? Ich flachste zu Axel Bauer hin: Wenigstens juristisch wären wir damit aus dem Schneider oder? „Du meinst das ernst?“, war seine Reaktion. Ich entgegnete: Na, lass es uns prüfen, so viele Optionen haben wir nicht mehr.“ Okay, kurze Bedenkzeit. Dann die klare Antwort: „Jawohl, ‚TV Kofler’ ist Deine Marke, die kann Dir keiner streitig machen. Ich atmete tief durch: Das bedeutet, das nächste Heft könnte jetzt in Druck gehen? Ohne das Risiko einer Untersagung? Auf einmal machte sich eine wunderbare Erleichterung breit. Dazu noch Genugtuung: wir werden es diesen spitzfindigen Winkeladvokaten schon zeigen! Sie wollen uns blockieren und vernichten. Doch wir entschwinden ganz elegant durch die Hintertür. Catch me if you can.

So fiel innerhalb einer Stunde die Entscheidung: Die Programmzeitschrift des Premiere-Verlags heißt jetzt „TV Kofler“. Natürlich nur übergangsweise, bis wir „TV Komplett“ bei Gericht wieder durchgesetzt hätten. Auf so ein groteskes Urteil kann man nur mit einem Stück Realsatire antworten, so erklärte ich am nächsten Morgen bestens gelaunt bei der eilig einberufenen Pressekonferenz. Da war auch schon die Titelseite der ersten Ausgabe von „TV Kofler“ fertig. Ich steuerte zu jedem Heft das Editorial bei und fungierte auch als Herausgeber. Ich bürgte für die neue Zeitschrift im wahrsten Sinne mit meinem Namen.

A propos Titelseiten. Damals (wie heute) galt bei den Programmzeitschriften der eiserne Grundsatz: blonde Frau auf hellblauem Hintergrund. Wir starteten natürlich auch damit, aber schon nach wenigen Ausgaben wagten wir die Revolution: dunkelhaarige Frau auf rotem Hintergrund! Ich gebe zu, nicht gerade eine der wichtigsten publizistischen Errungenschaften der Print-Geschichte, aber immerhin ein innovativer Farbklecks.

„TV Kofler“ wurde produziert und ausgeliefert, wie geplant drei Gratisexemplare für alle 2,6 Millionen Premiere-Abonnenten. Den Vertrieb an die Kioske stellten wir ein. „TV Kofler“ betrachteten wir ja als Übergangslösung, an die Kioske würden wir erst mit einem endgültigen Produkt gehen. Wir bekamen viel Zuspruch von unseren Abonnenten. Wieso habt Ihr das nicht schon früher gemacht, fragten viele. Auch die juristischen Kanonen der Konkurrenz schwiegen. Die Anzahl der Abonnenten nahm Woche für Woche zu. Bereits Ende 2003 konnten wir mehr als 400.000 Abonnenten registrieren.

Nachdem der Kanonendonner verhallt war und das Geschäft mit „TV Kofler“ seine positive Entwicklung nahm, wurde es Zeit für den nächsten Schritt. Wir diskutierten in der Geschäftsführung die weitere Strategie, auch im Hinblick auf einen möglichen Börsengang. Uns war klar, dass wir uns auf das Pay-TV-Geschäft und die damit verbundene Digitalisierung fokussieren mussten. Ein Zeitschriftenverlag passte bei der sich entwickelnden Strategie eigentlich nicht mehr zu diesem Fokus. So entstand die Idee, den Premiere Verlag zum Verkauf zu stellen. Prompt meldeten sich eben jene Verlage als Interessenten, die uns vor wenigen Monaten mit besonderer Ausdauer bekämpft hatten.

Wir führten die in einem strukturierten Verkaufsprozess üblichen Sondierungsgespräche mit fünf Verlagen und bekamen erste Angebote. Nach Auswertung und Abwägung dieser indikativen Angebote entschieden wir, mit dem Axel Springer Verlag exklusiv weiter zu verhandeln. Schon nach wenigen Wochen, im Februar 2004, waren die Vertragsdokumente weitgehend fertig gestellt. Springer übernahm „TV Kofler“ und machte daraus die erste große Programmzeitschrift für das Zeitalter des digitalen Fernsehens. Dieser Anspruch wurde auch in der neuen Marke reflektiert: „TV Digital“. Am 26. März 2004 erschien „TV Digital“ zum ersten Mal.

Es wurde vom Start weg ein Riesenerfolg, auch durch die exklusive Medien- und Vertriebskooperation mit Premiere. So wurde „TV Digital“ zu einer der schnellsten und erfolgreichsten Markteinführungen in der Geschichte der deutschen Printmedien. Die Erfindung von „TV Kofler“ und das Geschäft mit „TV Digital“ wirkte sich in der Bilanz von Premiere überaus positiv aus. Während das frühere Premiere-Magazin in 2002 noch einen jährlichen Verlust von 36 Millionen verursacht hatte, brachte uns der Deal mit „TV Digital“  in 2004 einen Gewinn von rund 15 Millionen Euro. Also eine substantielle Verbesserung des Ergebnisses um 50 Millionen Euro pro Jahr.

Knapp ein Jahr später brachten wir die restrukturierte Premiere AG an die Frankfurter Börse. Die Bewertung lag bei 2,2 Milliarden Euro. Für das Emissionsvolumen von 1,2 Milliarden Euro hatten wir Zeichnungsaufträge von 15 Milliarden in unserem IPO Buch, eine 12,5-fache Überzeichnung. Wie bei jeder Geschichte mit einem Happy End dürfen wir feststellen: Die „TV Digital“ gibt es heute noch. Mit einer verkauften Auflage von 1,3 Millionen Exemplaren. Ich bin einer davon.

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