Es war der große Aufreger bei der Verleihung der International Emmy Awards vor einer Woche. Ein vertauschter Umschlag war daran schuld, der Laudator aus Versehen "McMafia" als beste Miniserie ausrief – obwohl die eigentlich in der Dramaserien-Kategorie nominiert gewesen ist. Tatsächlich sind die Grenzen oft fließend: So mancher deutsche Dreiteiler wird dem internationalen Publikum als sechsteilige Miniserie angepriesen – und die wunderbare Netflix-Serie "Zeit der Geheimnisse" kommt als dreiteilige Miniserie daher, obwohl sie nach klassischer TV-Denke mit einer Länge von rund 110 Minuten kaum üppiger ausfällt als ein handelsüblicher Fernsehfilm.

Ausgerechnet ProSieben treibt die Unterscheidung jetzt vollends ins Absurde. Ausgerechnet deshalb, weil der Sender in der jüngeren Vergangenheit kaum noch mit eigenproduzierter Fiction auf sich aufmerksam gemacht hat. "Schattenmoor" ist der erste ProSieben-Film seit sage und schreibe sieben Jahren – und seine Veröffentlichung könnte kaum kurioser sein. Denn bevor der Mystery-Thriller am 11. Dezember seine TV-Premiere feiert, wird er dem Publikum vorab zerstückelt zum Abruf bereitgestellt.

In der Praxis sieht das dann wiefolgt aus: Eine 17-minütige Preview lief bereits am späten Sonntagabend nach dem obligatorischen Blockbuster, während diese und ein weiterer Ausschnitt auf einer eigenen Website und via Joyn zum Abruf bereitgestellt wurden. Bis zum Samstag soll täglich ein neuer Happen folgen – wer das Finale sehen will, muss sich jedoch bis zur regulären Fernsehausstrahlung gedulden. So wird aus einem rund zweistündigen Film mal eben eine neunteilige Miniserie. Ob diese Form der Programmierung Sinn macht? Unklar. Ungewöhnlich ist sie in jedem Fall.

Die Geheimhaltungsstufe ist bei ProSieben derart hoch, dass der Sender keinem Journalisten den von Talpa Germany Fiction produzierten Film vorab zur Verfügung stellen wollte. Fragt man bei ProSieben nach "Schattenmoor", dann ist von einer "Sonderprogrammierung" die Rede. "Um das 'Schattenmoor'-Seherlebnis nicht zu trüben und die Spannung über alle Folgen für die Zuschauer und User aufrecht zu erhalten, lädt ProSieben alle – Zuschauer, Influencer, sogenannte und professionelle Filmkritiker – ein, sich auf diese neue Erzählform einzulassen", heißt es aus Unterföhring.

Schattenmoor

Mag sein, dass die Stückelung die Spannung erhöhen soll. De facto fanden sich am Tag der Preview im Netz nur wenige Hinweise auf die Ausstrahlung. Immerhin: Die ersten Minuten erwecken den Eindruck, als gehe es ProSieben auch inhaltlich darum, im Seriellen nicht einfach "more of the same" zeigen zu wollen. Dafür sorgt schon alleine Regisseur Marc Schießer, der in der Vergangenheit bereits die Funk-Serie "Wishlist" inszenierte, für die es unter anderem Auszeichnungen mit dem Fernseh- und Grimmepreis gab.

"Schattenmoor" beginnt mit schnellen Schnitten und dem Verschwinden eines Mädchens, dem die neue Internatsschülerin Emma (Caroline Hartig) wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht. Schnell spürt sie, dass etwas nicht stimmt. "Sei keine mobbende Fotze wie Ann-Sophie. Dann bist du safe", rät ihr Mitschüler Chris (Timur Bartels, "Club der roten Bänder"). Eine mit Blut auf den Badezimmer-Spiegel geschmierte "5" soll, so weit spoilert ProSieben, der "Auftakt zu einem tödlichen Countdown" sein. "Gänsehaut garantiert", verspricht Senderchef Daniel Rosemann.

Neben Bartels und Hartig, die gerade erst in der ungleich weniger geheimnisvollen ARD-Reihe "Weingut Wader" zu sehen war, stehen für "Schattenmoor" unter anderem Max von Thun ("Song für Mia") und David Hugo Schmitz ("Frau Stern") vor der Kamera. Der Blick auf die Einschaltquoten in der kommenden Woche wird zeigen, was die Zuschauer von dem Mysteryfilm halten. Oder ob die Programmierung womöglich doch ein wenig zu mysteriös geraten ist.

ProSieben zeigt "Schattenmoor" am Mittwoch, den 11. Dezember um 20:15 Uhr.