Es ist ein paar Jahre her, dass sich Sabine Heinrich und Jürgen von der Lippe zum ersten Mal begegneten. Für eine Fernsehsendung verbrachten die beiden damals ein Wochenende in einem Schweigekloster, was schon alleine deshalb kurios anmutet, weil die beiden sonst selten um Worte verlegen sind. Sie, die beliebte Radiomoderatorin; er, der Grandseigneur der Comedy. Ein findiger WDR-Redakteur hat die beiden jetzt wieder zusammengebracht. Von diesem Sonntag an präsentieren sie wöchentlich am späten Abend mit "Nicht dein Ernst" ein Format, das Peinlichkeiten auf den Grund gehen will.
Der Sender hat hierfür zusammen mit der Produktionsfirma SEO Entertainment das Genre der "Dilemma-Show" erfunden. Das Konzept: Zusammen mit einem Gast wollen Heinrich und von der Lippe herausfinden, wie man sich in kniffligen Situationen am besten verhält und was so gar nicht geht. Um es vorweg zu sagen: Das "Umweltsau"-Video spielt in diesem Zusammenhang keinerlei Rolle, stattdessen darf Talkmaster Frank Plasberg in der Premieren-Folge Party-Anekdötchen zum Besten geben. Das funktioniert ganz gut, wirkt aber längst nicht so anarchisch wie "Zimmer frei", das in grauen Vorzeiten auf demselben Sendeplatz Kultstatus erlangte.
"Die Fragen haben Relevanz in unserem Leben", sagt Moderatorin Sabine Heinrich im Gespräch mit DWDL.de über das Konzept der neuen Show. "Selbst die Frage, ob man eine WhatsApp-Gruppe einfach so verlassen kann, besitzt Relevanz. Das alles kann man schnell und flapsig beantworten, aber es darf auch gerne mal ein wenig Tiefgang hineingeraten." Dabei hilft, dass Jürgen von der Lippe mühelos den Spagat zwischen schafft, während Heinrich das Gespräch lenkt. "Ich bin anders als er", betont sie. "Er ist Entertainer, ich bin Journalistin. Wenn ich eine Frage stelle, möchte ich gerne eine Antwort haben. Und wenn ich diese Antwort nicht bekomme, dann fuchst mich das total."
Im Idealfall, so erhofft sie sich, werden die Diskussionen aus der Show in den Wohnzimmern der Zuschauer fortgeführt. "Wenn wir es schaffen, die Fragen so zu transportieren, dass sich jeder vor dem Fernseher fragt, was er für richtig oder falsch hält, dann hätten wir schon viel erreicht." Bei den Aufzeichnungen der ersten acht Folgen lösten oft schon die Fragen Gefühle in ihr aus, erzählt Sabine Heinrich, "sogar Fremdscham". So geschehen in der Sendung mit Janine Kunze, in der es um Sex ging. "Sie ist sehr offen und hatte einiges zu erzählen", erinnert sie sich. "Bei dem Gespräch habe ich gemerkt, dass ich gar nicht so offen bin, auch wenn ich 'frau tv' moderiere und mich nicht für verklemmt halte."
Wie gut, dass Jürgen von der Lippe in solchen Momenten zur Stelle ist. "Ihm geht es nicht um eine Moral, sondern darum, die Leute zu unterhalten", sagt Sabine Heinrich über ihren Co-Moderator. "Trotzdem hat er eine Tiefe. Diese Mischung ist enorm hilfreich bei den Fragen, über die wir sprechen. Er sorgt aber dafür, dass ich gelassener werde und akzeptiere, dass es viele Meinungen gibt. Es gibt nicht immer die eine Lösung für ein Problem." Ohnehin ist sie voll des Lobes über den TV-Mann an der Seite. "Jürgen von der Lippe begegnet dir sofort auf Augenhöhe – auch wenn das eigentlich gar nicht möglich ist, weil er ja ein wirklich Großer des Showgeschäfts ist."
Für sie selbst ist das Showgeschäft im Fernsehen dagegen nur ein Bonus, wie Heinrich gegenüber DWDL.de erklärt. "Die Morgensendung bei WDR2 und 'frau tv' bilden mein Fundament, das mir persönlich eine gewisse Beinfreiheit verschafft hat. Und bei allem, was ich jenseits davon mache, stelle ich mir die Frage, ob sich das mit dem Fundament vereinbaren lässt. Dazu kommt die Frage, ob ich das Konzept interessant finde und ob es mir Spaß macht. Wenn ich an der Stelle nein sage, bin ich schon raus." Der Sendeplatz spiele für sie bei der Wahl der Formate keine Rolle, ergänzt Sabine Heinrich dann noch. Vielleicht nicht die schlechteste Einstellung für die Moderation einer Show, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung mit "Zimmer frei" messen lassen muss, obwohl es eigentlich nur wenige Parallelen gibt.
"Nicht dein Ernst!" läuft sonntags um 22:15 Uhr im WDR Fernsehen.