Es sind herausfordernde Tage und Wochen für Journalistinnen und Journalisten. Kein Tag vergeht in der Corona-Krise ohne Breaking-News und viele Redaktionen sind verwaist, weil Homeoffice das Gebot der Stunde ist. Ausgerechnet in diesen Zeiten den Relaunch eines Nachrichtenangebots zu bewältigen, erscheint mutig. Das ZDF wagt den Schritt trotzdem. Von diesem Mittwoch an präsentieren sich die "heute"-Nachrichten in neuem Design – wenn auch vorerst nur im Netz. Mehr als ein Jahr lang hat die Mannschaft an der Umsetzung gearbeitet, nun gehen eine neue App und eine neue Website inmitten der Pandemie an den Start.

"Die Arbeit im Homeoffice macht es deutlich komplexer, sich abzustimmen", sagt Frederic Huwendiek, der seit fast zwei Jahren die "heute.de"-Redaktion leitet. "Natürlich ist mein Team darin geübt, mit digitalen Tools zu arbeiten. Aber in einer Zeit, in der es nachrichtlich so sehr brennt, wie wir es noch nie zuvor erlebt haben, auf ein neues Schiff umzusteigen, während das andere unter Volllast fährt, ist eine große Herausforderung." Doch Huwendiek betont die Chancen, die sich nun bieten. "Wir können unseren Usern jetzt ein deutlich besseres Angebot machen, gerade in der Krise."

Dazu zählen etwa die neuen Briefings, die "ZDFheute-Updates", die morgens und abends zunächst monothematisch über die Corona-Krise berichten wird. "Damit wollen wir helfen, einen kompakten Überblick über die wichtigsten Fragen und Entwicklungen bei diesem Thema zu bekommen." Das reguläre Briefing, das mit bekannten Köpfen wie Peter Frey oder Bettina Schausten aufwarten soll, muss erst einmal hinten anstehen. Für den sogenannten "Event-Modus" gilt das nicht. Der sei ursprünglich für ungeplante Breaking-News-Lagen wie Terroranschläge geplant gewesen, kommt nun aber direkt zum Einsatz. 

Frederic Huwendiek© ZDF/Markus Hintzen
Diese Funktion macht es unter anderem möglich, dass Livestreams in der App direkt im Autoplay-Modus starten, wichtige Infos sollen zudem gleich auf der obersten Ebene sichtbar sein. Dazu kommen die drei aktuellsten Liveblog-Einträge. "Damit bieten wir mehr Orientierung auf den ersten Blick", sagt Huwendiek (Foto) im Gespräch mit DWDL.de, wohl wissend, dass gerade jetzt noch nicht alles reibungslos klappen wird. "Wir wollen alle neuen Features vorzeigen, aber uns ist jetzt schon klar, dass wir da Abstriche machen müssen – aber damit sind wir nicht allein."

Abstriche wird es etwa mit Blick auf die Hochkant-Videos geben müssen, denen Huwendiek in Zukunft eine wichtige Rolle beimisst. Doch im Homeoffice ließen sich diese eben nicht wirklich umsetzen, sagt er. "Dafür braucht es Cutter und die entsprechenden Schnittplätze." Entscheidend sei im Moment aber vor allem eine gute nachrichtliche Grundversorgung, zu der auch Livestreams wie jene vom Robert-Koch-Institut gehörten.

Blickt man hinter die Kulissen, dann fällt auf, dass dem Relaunch personelle Veränderungen vorausgingen. So konnte das ZDF für seine Online-Nachrichten erstmals Spezialisten rekrutieren, darunter Datenjournalisten, Faktenchecker oder Experten für digitales Storytelling. Gleichzeitig denke man die Zusammenarbeit mit nahezu allen journalistischen TV-Redaktionen des Senders neu, betont der Online-Chef der ZDF-Nachrichten. "Die Ausgangsfrage war, worin unsere Stärken als großes Bewegtbildhaus liegen und wie wir diese mit den Nutzerbedürfnissen und digitalen Möglichkeiten wie Datenjournalismus oder Hochkantvideos kombinieren können, um ein starkes Angebot liefern zu können."

Und so besteht die Kunst also darin, aus dem schon vorliegenden Bewegtbildmaterial möglichst passgenaue Videos für Handybildschirme zu erstellen und zeitgemäße Erzählformen wie Storys zu fördern. "Wir wollen die Stärke aus dem Fernsehen auf das Smartphone übersetzen", beschreibt Frederic Huwendiek die Aufgabe und erinnert an die 3D-Erklärräume, in denen das ZDF gerne mal das Modell einer Raumsonde ins Nachrichtenstudio einschweben lässt. "Wenn es uns gelingt, dieses Modell auf den Handybildschirm zu holen und die Nutzer es selbst drehen können, dann ist das ein solcher Idealfall."

Huwendiek und Co.

Thorsten Duin, Johanna Sagmeister, Frederic Huwendiek und Jennifer Werner in der "heute"-Redaktion

Gerade mit den eigenen Plattformen will das ZDF "deutlich relevanter und erfolgreicher werden", sagt Huwendiek, angesprochen auf die Ziele. "Allerdings bin ich Realist. Ich weiß, dass Nutzer unter 30 mit Nachrichten-Apps nur noch schwer zu begeistern sind." Auch deshalb habe man im Herbst einen eigenen YouTube-Kanal gestartet, für den perspektivisch noch mehr Anstrengungen unternommen werden sollen. Sämtliche Teams sollen letztlich für alle Plattformen arbeiten. "Das ist ein langer Prozess, weil man immer wieder aufs Neue schauen muss, wie sich die jeweiligen Themen am besten aufbereiten lassen." In den eigenen Angeboten soll letztlich eine Art Best-Of von dem zu sehen sein, was für Drittplattformen entwickelt werde.

Das ZDF hat sich also einiges vorgenommen, um im Netz zur "Tagesschau" aufzuschließen, die etwa auf Facebook und Instagram deutlich mehr Nutzer erreicht. Doch letztlich ist der Relaunch im Netz nur der Anfang. Im Laufe des Jahres sollen auch die TV-Nachrichten ein neues Erscheinungsbild bekommen – nach mehr als zehn Jahren ist ein Tapetenwechsel dringend nötig. Einen kleinen Vorgeschmack liefern Website und App bereits. Wer etwa das Logo sieht, kann schon ein Stück weit erahnen, in welche Design-Richtung sich die "heute"-Nachrichten entwickeln werden.