Eigentlich lief die Saison für RTL gut an: Bis Februar bewegten sich die Marktanteile des Marktführers in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, bis auf eine Ausnahme, über den Werten des Vorjahresmonats. Die Ausnahme war der traditionsgemäß starke Januar - und auch hier lief es, Dschungel sei Dank, fast genauso gut wie 2019. Doch dann setzte mit Corona ein verändertes Sehverhalten ein. Die Nachrichten konnten stark zulegen, doch unterm Strich sackten die Marktanteile ab. Im von zahlreichen Wiederholungen geprägten Mai war RTL mit gerade mal noch 10,7 Prozent sogar so schwach unterwegs wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Ein Stück weit lässt sich der Quoten-Rückgang mit fehlendem Live-Sport erklären. Wo sonst Fußball-Länderspiele, die Europa League oder die Formel 1 für hohe Zuschauerzahlen gesorgt hätten, musste der Kölner Sender deutlich kleinere Brötchen backen. Dazu kommt der katastrophal laufende Nachmittag. Auch in der zurückliegenden Saison ist es RTL nicht gelungen, die Trendwende einzuleiten. Im Gegenteil: Das Experiment Dailytalk ist nach nur wenigen Monaten schon wieder Geschichte, auch wenn es zwischenzeitlich so aussah, als könne sich "Marco Schreyl" mit Live-Ausgaben zu Corona einen Vorteil verschaffen.

Auch "Kitsch oder Kasse?" und "Hensslers Countdown" konnten den Rückenwind von "Punkt 12" und den "Superhändlern" nicht nutzen und litten zusätzlich darunter, dass wegen der Krise mehr Wiederholungen liefen als geplant. Angesichts der anhaltenden Quotenschwäche in der Daytime kann man sich bei RTL umso glücklicher schätzen, seine Dauerbrenner im Programm zu haben. "GZSZ" und "Alles was zählt" sind am Vorabend verlässliche Hits und am Abend boten auch in der zurückliegenden Saison zahlreiche Show-Klassiker wie "DSDS" und "Das Supertalent" das Fundament des Erfolgs. 

"Wer wird Millionär?" funktionierte während der Corona-Krise ebenso prächtig wie "Let's dance", das gar die stärkste Staffel seit Jahren hinter sich brachte - auf fast 22 Prozent Marktanteil brachte es die Tanzshow im Schnitt. Dazu kommt, dass das Comeback von "5 gegen Jauch" mit Oliver Pocher ebenso glückte wie der Versuch, mit "Bin ich schlauer als...?" eine neue Wissensshow zu etablieren. Ganz zu schweigen vom Dschungelcamp, das zu Jahresbeginn ebenfalls steigende Marktanteile verzeichnete, oder der beliebten Kuppelshow "Take me out". Auch "Denn Sie wissen nicht, was passiert" hat sich inzwischen fest im RTL-Programm verankern können.

Wochenende wird zur Problemzone

Im Herbst konnte sich RTL zudem schon auf "Bauer sucht Frau" verlassen - der internationale Ableger litt jüngst hingegen unter einer unglücklichen Programmierung am Sonntagabend. Ohnehin erweist sich das Wochenende zunehmend als Problemfall für RTL, das dringend nach Alternativen für die rückläufige Zahl an Film-Premieren sucht. Mit der Spielshow "Alles auf Freundschaft" konnte der Sender am Sonntagabend jedoch ebenfalls nichts reißen. Am einst so erfolgreichen Vorabend liegt RTL zudem mittlerweile regelmäßig hinter Sat.1. Abgesehen von "Martin Rütter - Die Welpen kommen" wollte hier nur wenig funktionieren.

Erst vor wenigen Wochen ging hier außerdem "Llambis Tanzduell" mit schlechten Quoten unter. Als der Sender die Tanzshow im vorigen Jahr noch nach "Let's dance" zeigte, lief es spürbar besser. Wie wichtig eine gute Programmierung ist, zeigt aber auch der Blick auf zwei Late-Night-Shows: Im Zusammenspiel mit dem nach wie vor beliebten "Ninja Warrior Germany" drehten die Live-Ausgaben von "Darf er das?!" mit Chris Tall auf - und auch die neue Pocher-Show "Gefährlich ehrlich" erwies sich nach "Let's dance" als großer Erfolg. Im Anschluss an quotenschwache Serien-Wiederholungen wirkt das Format derzeit hingegen ziemlich verloren.

Generell erwies sich Pocher in der zurückliegenden Saison jedoch als wichtige Stütze für RTL, allen voran durch die kurz vor Corona eilig ins Programm gehievte Event-Show "Pocher vs. Wendler - Schluss mit lustig", die den Marktanteil am Sonntagabend auf fast 30 Prozent trieb. Ganz anders dagegen die wenig später ebenso kurzfristig gestartete Corona-Show mit Pocher, Gottschalk und Jauch: Nach solidem Start sackten die Quoten der "Quarantäne-WG" derart rapide ab, dass nach nur drei Ausgaben Schluss war. Immerhin hat RTL jedoch zuletzt gleich mehrfach seine Spontaneität unter Beweis gestellt - und das ist generell lobenswert.

Dass in der Primetime nicht alles funktioniert, musste der Sender jüngst aber auch mit der eigentlich vorwiegend für TVNow geplanten Datingshow "Are You The One?" feststellen, die wegen schlechter Quoten vorzeitig aus der Schusslinie genommen wurde. Auch die zweite Staffel von "Zahltag" wollte nicht funktionieren. Erstaunlicherweise erlitt auch "Bachelor in Paradise" Schiffbruch, was jedoch auch auf den ungewöhnlichen Dienstags-Sendeplatz zurückzuführen ist, der mangels frischer Serienware inzwischen ebenfalls vermehrt mit Shows bespielt wird, was im Falle von "DSDS" oder dem "Sommerhaus" auch gut funktioniert hat.


Die zweite "Nachtschwestern"-Staffel kann aktuell dienstags nicht an die Quoten-Erfolge des Vorjahres anknüpfen - und donnerstags gelang RTL abseits von "Alarm für Cobra 11" und "Der Lehrer" ebenfalls kein großer Wurf. "Schwester, Schwester" blieb selbst ebenso blass wie die Neuauflage von "Sekretärinnen". "Sankt Maik" und "Magda macht das schon" haben die Kölner in der vergangenen Saison gar nicht erst gezeigt. Mit Blick auf die Serien besteht, abgesehen von der Daytime, sicherlich das größte Steigerungspotenzial für RTL. Vor allem diese Baustellen müssen die Kölner in den Griff bekommen, wollen sie nicht Gefahr laufen, in die Einstelligkeit zu stürzen. Die war zumindest zum Ende der Saison hin gar nicht mehr weit entfernt.