Es gibt nur wenige Produktionsfirmen, deren Geschäftsmodell sich in den vergangenen Jahren um 180 Grad gedreht hat. Die bumm film aus dem bayerischen Otterfing ist so ein Unternehmen. Produzierte man bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich für das Fernsehen, ist dieser Bereich inzwischen in den Hintergrund gerückt. Geschäftsführer Tommy Krappweis hat sich zuletzt stark auf den wachsenden Bereich der Hörspiele konzentriert, 2020 macht das einen großen Teil des Geschäfts aus. "Wir machen inzwischen deutlich mehr Hörspiele als Bewegtbild. Innerhalb von nur wenigen Jahren hat sich das komplett gedreht", sagt Krappweis im Gespräch mit DWDL.de. 


Krappweis, der vor der Jahrtausendwende Disney TV moderierte und bei "RTL Samstag Nacht" zu sehen war, hat Drehbücher für die ProSieben "Märchenstunde" geschrieben und dabei auch Regie geführt, mit seiner bumm film produzierte er außerdem die BR-Show "Habe die Ehre", vor 20 Jahren erfand er außerdem Bernd das Brot und produziert bis heute neue Folgen für den Kika. 2017 fing die bumm film aber auch an, Hörbücher zu produzieren. Und so wurde aus Krappweis’ Buchreihe "Ghostsitter", in dem es um einen Jungen geht, der eine Geisterbahn mit echten Gespenstern erbt, ein Hörspiel, das setzte man für Audible im Auftrag von Amazon Music um. Bis heute ist "Ghostsitter" dort eines der erfolgreichsten Formate überhaupt, das geht aus den öffentlich einsehbaren Bestseller-Listen von Audible hervor. 

Es folgten weitere Hörspiele wie "Die Meisterin", "Rufus T. Feuerflieg" oder auch "Bill Bo und seine Bande". Seit einiger Zeit setzt man mit "Jour Fixe" auch ein Comedy-Hörspiel für den ProSiebenSat.1-Dienst FYEO um. Insgesamt 130 Stunden Hörspiel produziert die bumm film pro Jahr, 70 bis 80 Prozent davon sind Eigenentwicklungen. Die Entwicklung weg vom Fernsehen und hin zum Hörspiel war aber keine bewusste Entscheidung, sagt Krappweis. "Unsere Firma ist keine, die Masterpläne hat. Das hat sich von Projekt zu Projekt so entwickelt."

Ensemble-Aufnahmen während Corona

Zwischendurch, sagt Krappweis, habe er immer wieder daran gedacht, wieder mehr für das Fernsehen produzieren zu müssen. "Und dann kam Corona. Plötzlich haben wir festgestellt: Zum Glück machen wir nicht mehr so viel Bewegtbild", sagt der Geschäftsführer. Hinter der Aussage verbirgt sich das, womit derzeit viele Produzenten zu kämpfen haben. Im Frühjahr wurden etliche Produktionen wegen der globalen Pandemie unterbrochen, danach liefen sie nur schleppend wieder an. Heute ist ein Stück weit Normalität eingekehrt, wenngleich Produktionen aufgrund von Sicherheits- und Hygienevorschriften teurer sind als in der Vergangenheit. 

"Unsere Firma ist keine, die Masterpläne hat."

"Wären wir noch so aufgestellt gewesen wie Anfang 2017, mit einem Bewegtbildanteil von 80 Prozent, hätte es uns komplett zerlegt. Wir wären heute wahrscheinlich nicht mehr da", sagt Krappweis im DWDL.de-Gespräch. Aber auch bei der bumm film musste man umplanen. Die Aufnahmen für die Hörspiele entstehen nämlich im Ensemble, das allein ist schon teurer als Einzelaufnahmen, weil Sprecher alle zu einer Zeit an einem Ort sein müssen und dann nicht so viel schaffen wie ein einzelner Sprecher, der alleine im Studio vergleichsweise viel Text abarbeiten könnte. 

Durch Corona war das Produzieren im Ensemble aber nicht mehr möglich - zumindest nicht in der bisherigen Form. Doch Tommy Krappweis, der die bumm film zusammen mit seinem Bruder Nico führt, hat dafür eine Lösung gefunden. Man baute das eigene Aufnahmestudio so um, dass jeder Sprecher einen eigenen Raum nutzen konnte. Durch Webcams sehen sich die Sprecher und können sich auch hören. So kann weiter im Ensemble produziert werden - nur eben in verschiedenen Räumen. Krappweis sagt, die Produktion im Ensemble sei alternativlos. "Wir konnten und wollten nicht darauf verzichten, das war uns sehr früh klar." Nur so würde das Timing passen, am Ende müsse man auch weniger im Schneideraum verbringen. Außerdem hat die bumm film nun in eine Software investiert, durch die solche Aufnahmen auch über eine große Distanz hinweg möglich sind. Zeitliche Verzögerungen soll es dabei nicht geben - eine kleine Revolution für die Macher der Hörbücher, die so auch Reisekosten für die Sprecher einsparen. Das sei etwas, das die Coronakrise auch definitiv überleben werde, sagt Krappweis. 

"Wären wir noch so aufgestellt gewesen wie Anfang 2017 [...] hätte es uns komplett zerlegt. Wir wären heute wahrscheinlich nicht mehr da."

Der Umbau hat natürlich auch Geld gekostet, doch Krappweis ist zufrieden. Er konnte alle 22 festangestellten Mitarbeiter halten - und die Produktionen laufen inzwischen weiter wie zuvor. "Bei all dem Wahnsinn, was Corona mit unserer kreativer Branche macht, hat es uns vergleichsweise milde getroffen." 

Hörbücher inzwischen auch in den USA verfügbar

Für das Fernsehen produziert man noch Sendungen mit Bernd das Brot und diverse Dokus, die Projekte kann man an einer Hand abzählen. Dafür wird der Bereich mit den Hörspielen immer größer. Zuletzt ist "Ghostsitter" ins Englische übersetzt worden, nach der Veröffentlichung schaffte es der erste Teil in den USA unter die Top 5 der Audible-Charts. Inzwischen hat die Hörspiel-Reihe sogar die Bücher überholt. "Wir haben die existierenden Bücher zuerst eins zu eins als Hörspiele umgesetzt. Die Nachfrage war dann aber so groß, so schnell hätte ich gar keine neuen Bücher schreiben können. Also habe ich angefangen Hörspiel-Scripts zu schreiben, jetzt machen wir daraus die Bücher. Die Hörspiele haben die Bücher also überrundet", sagt Krappweis. Bei den Audio-Projekten arbeitet die bumm film oft auch mit bekannten Persönlichkeiten zusammen, so sprechen unter anderem Maddin Schneider, Oliver Kalkofe, Hugo Egon Balder, Wigald Boning, Hella von Sinnen, Christoph Maria Herbst und Michael Kessler Figuren in den verschiedenen Geschichten. 

Trotz des Erfolges und des Booms von hörbaren Inhalten stehen Hörspiele aber oft noch im Schatten von Podcasts. Auch im Vergleich mit dem Fernsehen ist der wahrnehmbare Erfolg ein anderer. "Die allermeisten Ghostsitter-Hörer wissen nicht, dass es auch Bücher, T-Shirts oder Tassen gibt. Das ist nicht wie beim Fernsehen, wenn dort nach der Ausstrahlung auch die Bücher zu Bestsellern werden können." Das sei zum Teil einen Art Einbahnstraße, sagt Krappweis. "Aber auf der anderen Seite ist es der geilste Job, den ich in den letzten 20 Jahren hatte, gleich nach der ‘ProSieben Märchenstunde’."