Schon vor sechs Jahren, im Jahr 2014, ist das Comedy-Kollektiv RebellComedy erstmals im WDR zu sehen gewesen. Der Sender zeigte damals drei Stand-Up-Shows, bis 2019 folgten drei weitere Staffeln des Formats, das nach dem Ensemble benannt wurde, deren Künstler alle einen Migrationshintergrund haben, den sie in ihren Shows aber nicht zwangsläufig zum Thema machen, um so billige Klischees zu bedienen. Jetzt hat RebellComedy erstmals eine fiktionale Serie produziert: "Ethno" heißt diese und ist ab Sonntag, den 18. Oktober, bei Youtube und in der ARD-Mediathek zu sehen. Mitte November erfolgt die Ausstrahlung bei One und im Ersten (mitten in der Nacht). 

Produziert wurden die vier Folgen mehrheitlich von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte - bis heute ist das eine große Ausnahme bei deutschen TV-Projekten, vor allem im Fiktionalen. Inhaltlich geht es um Ben, gespielt von Benaissa Lamroubal, der Sohn eines Auswanderers aus Marokko ist. Das Ingenieurstudium hat er abgebrochen, davon weiß Bens Vater aber noch nichts, denn Ben fürchtet nichts mehr als die Enttäuschung seines Vaters. Zusammen mit seinem Kumpel Ramon (Arnel Taci) hält er sich eher schlecht als recht über Wasser, doch schon bald ergibt sich die Möglichkeit für Ben, als Comedian Geld zu verdienen. Er ist hin und hergerissen: Die große Karriere winkt scheinbar nur, wenn er Ethno-Comedy macht - inklusive Turban und Sprengstoff-Gürtel. Das gefällt wiederum seiner Schwester (Kristin Alia Hunold) nicht. 

"Wir haben auch lange damit zu kämpfen gehabt, dass man uns in die Migranten-Ecke stecken wollte", sagt Headautor Babak Ghassim im Gespräch mit DWDL.de. Insofern ist "Ethno" auch von wahren Begebenheiten inspiriert. Bei Bens Vater sei ihnen wichtig gewesen, so Ghassim, dass dieser seinem Sohn nicht etwas verbieten wolle, nur weil es nicht mit seinen Wertvorstellungen übereinstimmt. "Hinter seiner Enttäuschung steckt die Erfahrung wirklicher Armut und der Wunsch das seine Kinder es besser haben werden, indem sie die Chancen nutzen, die es in Europa gibt." Das sei eine Erfahrung, "die viele von uns gemacht haben", sagt der Autor.

Von wahren Begebenheiten inspiriert

Die Bucharbeit zur Serie hat bereits vor drei Jahren begonnen. Dass es die Serie erst jetzt auf die Bildschirme schafft, hat auch mit der Unerfahrenheit der Macher zu tun, das räumt Babak Ghassim unumwunden ein. "Wir haben viele Fehler gemacht", sagt er. Anfangs sei man in der Arbeitsweise unorganisiert gewesen und inhaltliche habe es am handwerklichen Können gefehlt. "Das mussten wir uns erst erarbeiten." In vielen Treffen mit dem WDR hat man an den Büchern gearbeitet, das sei wie eine Ausbildung gewesen. 

Auf Seiten des WDR wurde "Ethno" von Elke Thommessen betreut. "Das war learning by doing", sagt sie über die langjährigen Entstehungsprozess. Mit dem vergleichsweise kleinen Etat für RebellComedy lag es an ihr, das restliche Geld für die Serie zusammenzukratzen. Dazu gehörte auch, einige Ideen, die die Macher hatten, zu streichen, weil diese ein halbes Vermögen verschlungen hätten. Irgendwann im Laufe der Zeit kam auch Autor Dennis Eick zum Team hinzu und arbeitete mit RebellComedy an den Büchern. 

Dass die Macher im Hintergrund überwiegend einen Migrationshintergrund haben, sei bewusst so gewählt worden, sagt Thommessen gegenüber DWDL.de. "Wir wollten keinen weiß-deutschen Blick auf diese Lebenswelt werfen. Und es war auch unfassbar schwer, den Cast zusammenzustellen." Für die Rolle von Bens Vater suchte man eigentlich einen Schauspieler, der neben deutsch auch berberisch sprechen konnte. Da man niemanden fand, entschied man sich umzuschwenken auf Schauspieler, die deutsch und arabisch sprechen. Besetzt wurde die Rolle dann schließlich mit Hassan Lazouane. Wichtig sei dem Sender und den Machern gewesen, authentisch zu erzählen, so Thommessen. "Wir stellen das Leben von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ganz selbstverständlich so dar, wie es in Deutschland oft der Fall ist. Wir arbeiten nicht mit Klischees." Regie bei "Ethno" führte Marvin Litwak, Produzent ist Humaam Mazyek.

Wir haben viele Fehler gemacht.
Headautor Babak Ghassim

Der Migrationshintergrund von Ben wird aber nicht nur immer dann sehr deutlich, wenn seine neue Agentin ihn dazu ermutigt, Witze über seine Herkunft zu machen. Er schiebt sich auch wortwörtlich immer ins Bild. Waldemar Kobus spielt den Migrationshintergrund von Ben, der ein bisschen angefressen ist, weil er seiner Meinung nach nicht so sehr zur Geltung kommt. Durch die aufkommende Comedy-Karriere sieht er seine Chance gekommen - und drängt sich immer mehr in den Vordergrund. Sehr zum Missfallen von Ben, der am Ende der Staffel eine weitreichende Entscheidung treffen muss.

Eine Serie, die nicht nur unterhält

"Der Migrationshintergrund entwickelt ein Eigenleben, weil er als solcher von vielen Menschen wahrgenommen wird. Wenn man als Mensch mit Migrationshintergrund durch die Gegend läuft, dann gibt es oft Situationen, in denen du das Gefühl hast, nicht als Individuum wahrgenommen zu werden, sondern als Stellvertreter für ein ganzes Land", sagt Babak Ghassim. Und so ist "Ethno" nicht nur eine Serie, die unterhalten will, sondern auch eine, die der Gesellschaft den Spiegel vorhält.

Ethno © WDR/RebellComedy Der Migrationshintergrund (Waldemar Kobus, links) von Ben (Benaissa Lamroubal, Mitte) will in den Vordergrund, vor allem auf der Bühne.

Bei RebellComedy hat man trotz der vielen Widrigkeiten, unter anderem mussten die Dreharbeiten wegen Corona unterbrochen werden, nun jedenfalls Lust auf mehr bekommen. "Die Serie war für uns eine riesige Lernerfahrung und sie ist hoffentlich ein erster Schritt zu einem neuen Standbein, das wir uns aufbauen. Wir haben Blut geleckt", so Ghassim, der kein Geheimnis daraus macht, sich auch weitere fiktionale Serien gut vorstellen zu können. Zumal die Stand-Up-Tour Corona-bedingt ohnehin auf 2021 verschoben werden musste.

Und auch Elke Thommessen hofft auf eine Fortsetzung - dazu muss nun aber erst einmal die erste Staffel funktionieren. "Wir erhoffen uns gerade in der Community einen großen Zuspruch und  insgesamt eine große Resonanz vor allem in den Sozialen Medien", sagt sie und ist sich sicher: "Wenn man bereit ist, sich auf die Serie einzulassen, können Menschen, die bislang keine Berührungspunkte mit Zuwanderungsfamilien haben, neue Eindrücke bekommen."

Alle 4 Folgen von "Ethno" stehen ab dem 18. Oktober bei Youtube (WDR Comedy & Satire) sowie in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit. One zeigt die Episoden ab dem 13. November ab 21 Uhr. Im Ersten ist "Ethno" in der Nacht vom 12. auf den 13. November ab 2 Uhr zu sehen.