Wie schwierig es ist, ein Erfolgsrezept für das Nachmittagsprogramm zu finden, weiß Markus Küttner zu allzu gut. Schon lange sucht der RTL-Unterhaltungschef nach einem durchschlagenden Erfolg für diese Zeitschiene, die zwar nicht die wichtigste ist, aber doch Rückenwind für das weitere Programm verspricht. Doch seit die Hochphase der Scripted Realitys vorbei ist, wirkt der Sender zwischen "Punkt 12" und "Unter uns" ratlos. Zahlreiche Formate testete RTL, zuletzt sollte es eine bunte Mischung aus Trödel-, Talk- und Kochshows richten, doch selbst prominente Namen erwiesen sich nicht als Zugpferde.

Warum der Versuch nicht geklappt hat? "Ach, wenn ich das so genau wüsste", sagt Küttner im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de und betont, nach wie vor der Meinung zu sein, "dass sich die Programme, die wir im Februar neu gestartet haben, allesamt sehen lassen können". Gut gemachtes Fernsehen sei das gewesen, "aber wir mussten leider recht schnell feststellen, dass wir mit diesem Line-up nicht so viele Zuschauer begeistern konnten wie erhofft. Jetzt mit 'Corona' zu argumentieren, wäre sicher nicht richtig und ein leichter Weg."

Markus Küttner © MG RTL D RTL-Unterhaltungschef Markus Küttner
Tatsächlich dürfte es nicht gerade hilfreich gewesen sein, dass die Pandemie gerade dann Fahrt aufnahm, als RTL die drei Neustarts ins Programm nahm. "Ein täglicher Talk mit Marco Schreyl in einer Welt, die völlig zum Erliegen kam, ist einfach schwierig", erklärt Küttner. "Genauso schwierig wie 'Kitsch oder Kasse', das atmosphärisch auch völlig anders ohne Publikum daherkam. Alles Umstände, die es diesem Line-up nicht gerade einfach gemacht haben. Dennoch möchte ich Olli Geissen, Marco Schreyl und Steffen Henssler, sowie den Teams bei Banijay, Filmpool und MoveMe für die tolle Zusammenarbeit danken."

Nun will RTL den Blick jedoch nach vorn lenken – und weggehen vom bunten Format-Mix, hin zu einer einheitlicheren und damit für das Publikum verlässlicheren Sendestrecke. "110 – Echte Fälle der Polizei" und "Tatort Deutschland – Aus den Akten der Justiz" heißen die beiden neuen Formate, mit denen der Privatsender von dieser Woche an um 14 und 15 Uhr auf Sendung gehen wird. Und nicht nur die Titel wecken Erinnerungen an frühere Zeiten: Das fängt schon damit an, dass in einer der Sendungen unter anderem der Daytime-erprobte TV-Anwalt Christopher Posch mitwirkt und mit Filmpool jene Produktionsfirma verantwortlich zeichnet, die schon in der Vergangenheit Gerichtsshows und Scripted Realitys herstellte.

110 - Echte Fälle der Polizei © TVNOW "110 - Echte Fälle der Polizei": Oliver Huth und Christopher Posch

Doch mit Scripted Realitys sollen die Neustarts nichts gemein haben, auch wenn das für sie erfundene Genre der "Doku-Fiction" ähnliche Assoziationen weckt. "Das Erzählen von Geschichten war schon immer die große Stärke von RTL – nicht zuletzt in der Daytime und natürlich hoffen wir, an Erfolge aus früheren Jahren anknüpfen zu können", sagt Unterhaltungschef Markus Küttner. "Wir haben überlegt, wie wir auch hier neue Wege gehen können. Das Wichtigste war uns dabei: Alles soll echt sein. Wahre Geschichten und echte Fälle. Präsentiert von echten Richterinnen, Polizeibeamten und Experten." In den neuen Formaten sieht er "großes Potential für starke und hoffentlich erfolgreiche Geschichten".

Tatsächlich kommen "110" und "Tatort Deutschland" wie ein Kompromiss daher – irgendwo angesiedelt zwischen dem Versprechen, Scripted Reality zu verbannen, und bisweilen mäßig talentierten Laienschauspielern. Dokumentiert werden echte Fälle, die wiederum filmisch in Reenactments inszeniert werden – eingeordnet von Experten und untermauert mit Originalmaterial und Interviews der tatsächlichen Opfer. "Ein erheblicher Aufwand, den wir da für unsere Dailys betreiben", so Küttner, der damit zugleich wieder stärker auf jenes Publikum schielt, das Sat.1 mit seinen "Auf Streife"-Formaten anspricht.

"Die Superhändler" laufen fortan später

Doch ausgerechnet der einzig erfolgreiche Nachmittags-Neustart der vergangenen Jahre, "Die Superhändler", will plötzlich nicht mehr so recht ins Line-Up passen. Allerdings stagnierten die Quoten der Trödelshow zuletzt, sodass das Format nun auf den zwei Stunden späteren 16-Uhr-Sendeplatz wandert. "Mit den 'Superhändlern' haben wir eine starke und etablierte Marke in unserer Daytime und darüber sind wir ausgesprochen froh", betont Markus Küttner. "Aber natürlich stellen wir uns die Frage, ob wir um 14 Uhr noch besser als bisher performen können. Gleichzeitig verlieren wir Marktanteile um 16 und auch um 17 Uhr. Gerade dieser Programmplatz ist aber enorm wichtig, weil er 'Unter uns' und damit den ganzen Vorabend anschiebt."

Insbesondere mit Blick auf die "Superhändler" geht RTL mit dem neuen Daytime-Schema also durchaus ein Wagnis ein. Andererseits: Viel zu verlieren hat der Sender angesichts fast durchweg einstelliger Marktanteile am späten Nachmittag ohnehin nicht mehr. 

"110 - Echte Fälle der Polizei" läuft montags bis freitags um 14:00 Uhr bei RTL, im Anschluss folgt "Tatort Deutschland - Aus den Akten der Justiz"