An den Gedanken, dass Weihnachten in diesem Jahr anders ablaufen wird als gewöhnlich, müssen sich viele wohl erst noch gewöhnen. Vor dem Hintergrund der Kontaktbeschränkungen in Folge der Corona-Pandemie dürfte das Fest in den allermeisten Fällen stiller verlaufen - und nicht wenige werden sogar ganz darauf verzichten, mit ihrer Familie zu feiern. Für manchen Berufsstand gehört das, was diesmal für das ganze Land außergewöhnlich ist, dagegen zur Normalität.

Seeleute etwa sind an Heiligabend oft tausende Kilometer von ihren Liebsten entfernt. Eigens für sie entsteht alljährlich eine der ältesten Rundfunksendungen Deutschlands. "Gruß an Bord", so ihr Titel, wurde erstmals an Heiligabend 1953 ausgestrahlt. Die Reihe versteht sich als "Brücke zwischen den Seeleuten unterwegs und ihren Angehörigen in Deutschland". Das Konzept ist einfach wie genial: Die Seeleute schicken Grüße nach Hause und Familien sowie Freundinnen und Freunde wünschen ihnen auf See oder in fernen Häfen ein frohes Fest.

Adrian Feuerbacher © NDR/Thomas Pritschet Adrian Feuerbacher
Gerade jetzt ist eine Sendung wie diese ein besonders wichtiges Zeichen. Das findet auch Adrian Feuerbacher, der als Programmchef von NDR Info und Chefredakteur des NDR-Hörfunks tätig ist. "In ihrer langen Geschichte war die Radiosendung 'Gruß an Bord' vielleicht noch nie so wichtig wie in diesem Jahr", sagt er zu DWDL.de. "Hunderttausende Seeleute dürfen wegen der Corona-Pandemie Schiffe nicht verlassen oder können nicht auf ihre Schiffe zurückkehren."

Tatsächlich haben Seeleute nur selten die Möglichkeit, mit ihrer Familie in Kontakt zu treten. "Auf hoher See gibt es nicht für alle Internet oder Mobilfunk. Und ein Anruf mit dem Satelliten-Telefon ist teuer", weiß der NDR-Redakteur Joachim Hagen, der für "Gruß an Bord" verantwortlich ist. "Selbst in den Häfen gibt es freie Internet-Verbindungen für Skype und Messenger-Dienste oft nur in den Seemannsmissionen. Unabhängig davon geht es uns bei 'Gruß an Bord' aber auch um eine Geste der Wertschätzung, des Verständnisses für Seeleute und ihre Familien - insbesondere in diesen Zeiten."

Plexiglaswände und Sicherheitsabstand

Joachim Hagen © NDR/Christian Spielmann Joachim Hagen
Damit die Grußbotschaften auf den Weltmeeren überhaupt ankommen, hat der NDR auch in diesem Jahr wieder Frequenzen auf Kurzwelle angemietet. Und doch sei in diesem Jahr alles anders, erklärt Hagen im Gespräch mit DWDL.de. "In den vergangenen Jahren wurde 'Gruß an Bord' vor Publikum in Leer und Hamburg aufgenommen. Das ist 2020 wegen der Corona-Pandemie leider nicht möglich." Um den Familien dennoch die Gruß-Möglichkeit zu bieten, wurden Reporterinnen und Reporter in den Kulturspeicher nach Leer und in die Hamburger Seemannsmission "Duckdalben" geschickt, um dort ihre Grüße aufzunehmen - Sicherheitsabstand und durchsichtige Plexiglaswände inklusive. Darüber hinaus bekommen die Angehörigen aber auch die Möglichkeit, ihre Grüße per Voicemail zu schicken.

Die Zahl der Grüße sei dabei ähnlich hoch wie in den vergangenen Jahren, erklärt der NDR-Redakteur. "Aber uns erreichen mehr Anfragen, aus denen deutlich wird, dass die Sendung in diesem Jahr für viele Hörerinnen und Hörer besonders wichtig ist. Und wir bekommen mehr Grüße von den Seeleuten nach Deutschland, da viele wegen der Corona-Reisebeschränkungen länger an Bord bleiben müssen als geplant." Daneben hätten auch zahlreiche Segler geschrieben, die derzeit unfreiwillig in Häfen auf der ganzen Welt festsitzen. Keine Frage, es ist ein besonderes Weihnachtsfest. Wie gut, dass es trotzdem diese besondere Sendung geben wird. 

"Gruß an Bord", 24. Dezember, 20:05 bis 22:00 Uhr sowie 23:05 bis 00:00 Uhr, NDR Info und NDR Info Spezial; NDR Info sendet auch über Kurzwelle