Stift statt Mikrofon. Stadtratssitzung statt Redaktionskonferenz. Dettelbach statt Garmisch-Partenkirchen, Bischofshofen oder Oberstdorf. Seit Frühjahr 2020 ist der 39 Jahre alte Matthias Bielek nun Erster Bürgermeister der 7300-Einwohner-Stadt Dettelbach nahe Würzburg. Für den hauptamtlichen Job musste er zunächst als Sportkommentator bei Eurosport kürzer treten, schließlich ganz aufhören. Politik und Sport, die beiden Themen bestimmen seit jeher Bieleks Biografie. "Sport wird immer meine Leidenschaft sein", sagt der 39-Jährige. Die Liebe zum Sport, sie wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. "Ich habe im Laufe meines Lebens fast alle Sportarten schon mal versucht", erinnert er sich. Am Gymnasium war Bielek Teil des Volleyball-Schul-Teams, kurzzeitig spielte er Handball, langfristig Fußball. Die Liebe zum Basketball entdeckte er über Würzburg und den von dort stammenden Ausnahmespieler Dirk Nowitzki. Hätte er sich als Schüler nicht das Kreuzband gerissen, was letztlich auch das Antreten beim Sport-Leistungskurs verhinderte, wäre er heute vielleicht Sportlehrer.

So aber folgte er seiner großen Leidenschaft von einer anderen Seite aus - und musste sich dabei schon einmal zwischen Sport und Politik entscheiden. Schon mit Ende 20 politisch engagiert, verließ Bielek seinen damaligen Sitz im Stadtrat seiner Heimatstadt, um sich der Sportberichterstattung zu widmen. Er folgte einem Ruf von Sky Sport News und somit dem großen München. Dass er nun wieder auf den politischen Pfad zurückgekehrt ist, ist kein Zufall: "Meine Hingabe für Politik liegt an der Erziehung. Ich habe schon immer gelernt, dass es wichtig ist, sich in der Gesellschaft zu engagieren." Dabei ist Bielek kein Parteipolitiker im ursprünglichen Sinne. Er ist offiziell den Freien Wählern zugehörig, allerdings noch im klassischen Sinne, wie er betont. "Es gibt einen Unterschied zwischen den Freien Wählern, die etwa im bayerischen Landtag sitzen, oder den Freien Wählern auf kommunaler Ebene", sagt Bielek. "Im Ursprung sind die Freien Wähler eine freie Bürgerliste ohne Parteibuch gewesen", berichtet er. Und als ein solcher ließ sich der Sportreporter, der früher unter anderem Stadionsprecher der Kickers, Hallensprecher in der Basketball Bundesliga im nicht weit entfernten Würzburg und Skisprung-Kommentator bei Eurosport war, zum Stadtoberhaupt küren. Und war plötzlich wieder involviert ins Geschehen seiner Heimatstadt.

Dettelbach ist freilich eine Nummer kleiner als die große Medienwelt. Aber nicht langweiliger. Als eine von ganz wenigen Städten in Deutschland sei dort noch die einstige Stadtmauer fast durchgehend im Ursprungszustand erhalten, berichtet Bielek. Hier steht auch eines der ältesten historischen, spätgotischen Rathäuser aus dem 15. Jahrhundert, die Stadt ist historische Weinstadt und bekannt für die Wallfahrtskirche Maria im Sand. Der Sender KTV streame von dort aus jeden Samstag Gottesdienste live in die Welt, erklärt der ehemalige Fernsehmann. Mit Oliver Kienle, dem Macher von "Bad Banks" und BR-Moderator Hartmut Stumpf ("Unkraut"), hat der Ort zudem weitere TV-Persönlichkeiten hervorgebracht.

Dettelbach Kirche Maria am Sand © imago-images / Westend61 Dettelbachs Stolz: Die Wallfahrtskirche Maria im Sand.

Fast ein Jahr lang lenkt Matthias Bielek nun die Geschicke der Stadt in Unterfranken. Parallelen zur Welt des Sports seien in der Job-Beschreibung eines Bürgermeisters durchaus zu finden. "Die Verbindungen sind größer als gedacht. Eine Stadt funktioniert ähnlich wie ein Team", meint Bielek und sieht den Bürgermeister in einer ähnlichen Rolle wie ein Teammanager. "Ich bin quasi der Jürgen Klopp oder Hansi Flick", meint er schmunzelnd und berichtet davon, wie er nun verschiedene Typen, Ansichten, Interessen, Wünsche und Parteien unter einen Hut bringen müsse. "Im Endeffekt gibt es auch da viel zu moderieren".

Klar ist: Der Job des Bürgermeisters sei ein Vollzeit-Job. Mit dem Antritt der Stelle übernahm Bielek auch die Verantwortung für ein örtliches Pflegeheim und ist Chef des städtischen Energie-Versorgers geworden. "Mit Eurosport habe ich alles abgesprochen", berichtet Bielek. Für den Sportsender begleitete er in den zurückliegenden vier Jahren alle Skisprung-Events, war auch hinter der Kamera als Redakteur tätig. Besonders intensiv war jeweils die Zeit nach Weihnachten – dann begleitete Bielek gemeinsam mit Sven Hannawald und Martin Schmitt die Vierschanzen-Tournee. 20/21 kam es genau dazu allerdings nicht – nur wenige Tage vor dem Start der Tour wurde bekannt, dass Bielek das Mikro an den Nagel hängt.

"Eigentlich war es so, dass keine Seite die andere habe im Stich lassen wollen." Matthias Bielek über die letztlich kurzfristige Absage seiner Kommentatoren-Tätigkeit bei Eurosport

Streit habe es nicht gegeben, sagt der Dettelbacher – im Gegenteil. "Eigentlich war es so, dass keine Seite die andere im Stich lassen wollte." Man habe seit dem Frühjahr Monat für Monat gesprochen und in der Tat habe Bielek im Spätherbst nochmal bei drei Events ausgeholfen. "Dann kam Weihnachten immer näher, die Corona-Inzidenz-Werte stiegen auch bei uns in der Gemeinde und ich war hier gefragt und gefordert", erinnert er sich. Und so musste er sich eingestehen, dass er nicht mit 100 Prozent freiem Kopf zur Verfügung stehen könne. Gerhard Leinauer ersetzte ihn schließlich. "Eine sehr gute Lösung", meint Bielek, der die Springen so gut es ging vor dem Fernseher verfolgte.

Corona war in den bisherigen rund zehn Monaten seiner Amtszeit eines der bestimmenden Themen, aber nicht das einzige. "Wir managen den Klimawandel vor der Haustür, die Digitalisierung unserer Verwaltung, sind in der Planung für einen neuen Kindergarten, arbeiten an der Erschließung von drei Baugebieten und es entstand das größte schwimmende Solarkraftwerk Bayerns auf unserem Baggersee", berichtet Bielek aus seinem Rathaus-Alltag.

Die Sport-Welt vermisst er dabei durchaus. Dass alle Aufgaben nur auf Zeit anvertraut sind, kennt er aber von dort. Während im TV-Business Übertragungsrechte alle paar Jahre neu vergeben werden und mitunter den Anbieter wechseln, werden auch politische Mandate immer wieder neu ausgeschrieben. Als Bürgermeister Dettelbachs ist Matthias Bielek bis 2026 im Amt. "Es ist ein leistungssteigerndes System", sagt er im Sportler-Sprech. "So etwas hält wach. Der Unterschied ist aber: Wenn ich mich bei einem Medienunternehmen bewerbe, dann spreche ich vor einem kleinen Gremium. Jetzt sind quasi 7300 Bürgerinnen und Bürger meine Chefs." Und genau das sei so ausgesprochen spannend.