Er ist der Hundeversteher Deutschlands. Schon in den 90ern war Martin Rütter im Fernsehen derjenige, der dann kam, wenn es zwischen Mensch und Tier kriselte. Bilder für "Eine Couch für alle Felle“, gezeigt im WDR, waren die ersten Fernsehschritte des damals noch Unter-30-Jährigen. Knapp drei Jahrzehnte später hat Rütter nicht nur seinen 50. Geburtstag hinter sich, sondern ist auch eines der bekanntesten Gesichter von Vox. 13 Jahre ist es mittlerweile her, dass der Privatsender ihn entdeckte und die Doku-Reihe "Der Hundeprofi“ startete. "Die Sendung hat sich – auch in Hinblick auf die Quote – super entwickelt", erzählt der Duisburger rückblickend. Zuletzt kratzten die stärksten Episoden seiner linear samstags um 19:10 Uhr gezeigten Sendung an der 14-Prozent-Marke in der Zielgruppe.

Kein Wunder, dass Rütter zunächst beim Sender immer gefragter wurde (es entstanden unter anderem Ableger wie "Der VIP Hundeprofi") und schließlich sogar das größere RTL eroberte. Inzwischen ist Rütter der Grundbaustein eines kleinen Entertainmentimperiums, betreibt mehrere Firmen. Die Mina TV, benannt übrigens nach seinem Golden Retriever Mina, der inzwischen im Alter von 16 Jahren verstorben ist, produziert aktuell nicht nur Rütters Sendungen, sondern auch "Die Pferdeprofis" (ebenfalls Vox), Werbefilme, YouTube-Clips und Lehrvideos. Zur Firmenwelt gehören mit Mina Entertainment, eine Full-Service-Agentur mit Managementleistungen für deren "Zugpferde", aber auch für den Künstler-Nachwuchs wie Mathias Mester, Anika Schwertfeger und Thomas Schmidt und der Mina Training weitere Geschäftsfelder. Die Mina Training würde, sagt Rütter, "die weltweit fundierteste Ausbildung zum Thema Hund" anbieten. "Die Firma betreibt mittlerweile 120 Hundeschulen im deutschsprachigen Raum mit weit mehr als 200 Trainerinnen und Trainern." Es sei die Abwechslung, auch innerhalb seiner Firmen, um die es dem Hundeexperten gehe.

Für Abwechslung sorgte Rütter zuletzt auch im TV – und bewegte sich dabei teilweise ganz abseits des Hunde-Themas. Für RTL präsentierte er beispielsweise im vergangenen Jahr zur besten Sendezeit die zweiteilige Primetime-Show "Rütter reicht's", in der er sich mit prominenten Mitstreitern dem alltäglichen Bürokraten-Irrsinn widmete. Mit einstelligen Marktanteilen fielen die Ausstrahlungen aber nicht besonders auf. Als Entertainer war er ein ums andere Mal im "Genial Daneben"-Studio und somit in Sat.1 zu Gast, war wenige Tage vor Weihnachten in der Vox-Primetime zu sehen und durfte mahnen, es wegen steigender Coronazahlen vor dem Fest am Heiligen Abend doch nicht zu sehr krachen zu lassen. Obendrein wird er ab Mitte Februar bei Vox eine eigene Spielshow bekommen.

"Die Hundewelt besteht aus derart unerschöpflicher Vielfalt, dass es nie langweilig wird. Allein deswegen wird mein Thema weiterhin der Hund sein." Hundeexperte und Entertainer Martin Rütter

Es sind viele Angebote, Chancen und Möglichkeiten für den Allrounder, der mitunter auf recht vielen Hochzeiten tanzt – ob mit oder ohne Hund. Durch vermehrte Ausflüge ins Info- und Entertainment ein Stück von seinem Kern abgerückt zu sein, bestreitet der Hundeversteher aber. "Im Kern war ich schon immer ein Freund der Abwechslung", macht er klar. Schließlich sei diese Abwechslung einer der Gründe, warum er seinen Beruf so möge. Und mit Beruf meint der auf einem Pferdehof nahe Köln lebende Rütter dann ganz offenbar doch hauptsächlich seine Arbeit mit Tieren: "Die Hundewelt besteht aus derart unerschöpflicher Vielfalt, dass es nie langweilig wird. Allein deswegen wird mein Thema weiterhin der Hund sein", verspricht er, nicht ohne einzuschränken, dass er grundsätzlich auch für andere Themen offen sei. "So war es und so bleibt es."

Green-Screen statt grüner Garten

Zuletzt liefen im Fernsehen vermehrt Formate, in denen Rütter nicht selbst vor Ort als Problemlöser agierte, sondern die produzierten Szenen vor dem Green Screen kommentierte. Eine zeitsparende Produktion in Zeiten immer vollerer Terminkalender? Eine nachvollziehbare Theorie, sagt Rütter – die er aber von sich schiebt und erklärt, dass seine RTL-Welpendoku am Sonntagvorabend ebenso wie "Der Hundeprofi – Rütters Team" ganz bewusst darauf ausgerichtet sei, dass Rütter nicht vor Ort ist. Bei "Der Hundeprofi – Rütters Team" geht es darum, die Arbeit anderer kompetenter Trainerinnen und Trainer zu zeigen. "Natürlich sind dann meine Kommentare gefragt", sagt Rütter. Diese würden das Ganze rund und unterhaltsam machen. Entertainment-Faktor à la Rütter.

Die bis kurz vor Weihnachten 2020 gelaufene Staffel des Ablegers kam am Samstagvorabend in der klassischen Zielgruppe auf etwas mehr als siebeneinhalb Prozent, über zweieinhalb Prozentpunkte weniger als das Original, in dem Rütter selbst die Hundetipps gibt. Das Format sei, sagt Rütter, sehr gut und mehr als deutlich über dem Senderschnitt gestartet. Man könne ein neu gestartetes Format eben nicht mit einer Sendung vergleichen, die sich zwölf Jahre lang entwickelt habe. "Es braucht natürlich immer eine Weile, bis sich ein Format sein Stammpublikum erarbeitet hat." Ganz unabhängig von den Quoten berichtet Rütter von schönen Rückmeldungen – etwa bei seiner Firma selbst oder auf den Social-Media-Kanälen von Vox. "Zu recht sind alle Beteiligten sehr stolz auf den Erfolg."

"Es braucht natürlich immer eine Weile, bis sich ein Format sein Stammpublikum erarbeitet hat." Hundetrainer und Entertainer Martin Rütter

Ganz offenbar ist es eine grundlegende Entscheidung, eine Abwägung, die die Mediengruppe RTL Deutschland vornehmen muss. Mehr Rütter mag heißen, dass es einen Rütter in anderer Form gibt. Am Sonntagvorabend holt "Die Welpen kommen" mitunter mehr als drei Millionen Zuschauer. "Ein großer Schritt, dass RTL sich getraut hat, einen solch exponierten Sendeplatz dafür zu nutzen. Wir sind alle sehr happy, dass wir regelmäßig mehr als drei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer haben." In dieser Sendung, sagt der Hundekenner, wäre es sogar grundlegend falsch, wenn er und einer seiner Trainerinnen oder Trainer direkt von Anfang an vor Ort wären. "Die Realität ist ja, dass Menschen sich einen Hund anschaffen und erst einmal loslegen." Das würde die Sendung skizzieren.

Die Rote Kugel © TVNOW / Boris Breuer Vox startet die neue Rütter-Show "Die rote Kugel" am 17. Februar.

Naheliegend erscheint, dass Rütter den Weg raus aus der alleinigen Hundenische sucht. Ein erster Schritt mag hier gewesen sein, mit Solo-Programmen durch Deutschland zu touren, das Thema Hund jedoch immer im Gepäck habend. Ein zweiter ist nun das völlige Loslösen von dieser Thematik, sei es als Moderator der inhaltlich eher dünnen Corona-Sendung vor Weihnachten oder der Spielshow "Die Rote Kugel". "Ich gehe selber gerne in Quizshows, spiele gerne Gesellschaftsspiele und zocke gerne. Ich bin also echt verspielt", sagt Rütter, der dem eigenen Empfinden nach in den vergangenen Jahren "eigentlich in jeder deutschen Quizshow gesessen habe." Dabei habe er sich gesagt, dass irgendetwas noch fehle. "Und dann kam Vox mit dieser Idee, die ja hausintern entwickelt wurde. Und ich war sofort Feuer und Flamme", berichtet Hundefreund Rütter. 

Die neue Freiheit

In der Sendung, die nicht auf einem internationalen Vorbild beruht, sondern wirklich ein gemeinsam mit Endemol Shine Germany entwickeltes Konzept ist, sei es weder der Fall, dass Rütter als Host auf dem Geld hocke, noch es rauszuballere. "Ich kann mich wirklich sehr frei fühlen. Ich kann jemanden verführen zu einer Antwort, die er oder sie vielleicht gar nicht geben wollte. Ich kann aber auch jemandem mal Sicherheit geben und sie oder ihn bestärken. Das ist also eigentlich gar nicht so weit weg von meiner eigentlichen Kompetenz." Hundearbeit, das lehren alle Doku-Ratgeber bekanntlich, ist schließlich immer auch Menschenarbeit. Und ein guter Kommunikator zu sein, das ist sowohl als Hundetrainer als auch als Showmaster von Bedeutung. Durchaus individuell seien die Anforderungen an einen guten Moderator, findet Rütter, der jedoch glaubt, Authentizität und Glaubwürdigkeit seien letztlich zentrale Elemente. "Und je nach dem was man moderiert, auch Entertainer-Qualitäten und Spontanität." Die Zeiten, in denen jemand etwas stumpf herunter moderierte, die sollten doch wirklich vorbei sein, sagt er und ruft auf, dass man als Moderator eine Meinung haben müsse.

Ob sich in Rütters Vita in drei oder fünf Jahren mehr neue Hundeformate oder mehr neue Unterhaltungsshows finden, darüber dürften – wie so oft – hauptsächlich die Zuschauer entscheiden. In drei Jahren würde er selbst jedenfalls am liebsten über beides sprechen. So wie diesmal. "Auf jeden Fall aber über das Ende der Corona-Pandemie und das gefeierte Comeback des Live-Entertainments. Beides liegt dann im Idealfall zwei Jahre zurück", sagt Rütter und spricht von den bekannten gravierenden Veränderungen der Veranstaltungsbranche. Während des ersten Lockdowns sei dies noch eine vergleichsweise "schöne Veränderung" gewesen. Mit den Kindern habe er unter anderem einen Baum gepflanzt. Auswirkungen und Ausmaße der Pandemie seien im Frühjahr 2020 schließlich noch nicht klar gewesen. "Was meine Live-Tour betrifft, war 2020 tatsächlich ein harter Schlag, denn wir waren ja in der Endphase der Tournee" und die sei für Rütter immer besonders emotional.

Bei einer normalen Rütter-Veranstaltung, etwa in der Köln Arena, seien es zwischen 300 und 500 Menschen, die mitarbeiten würden. "Ich glaube, dass ein Außenstehender sich gar nicht im Klaren ist, was da alles dranhängt." Von der Reinigungskraft über das Ticketing, über den Frittenverkäufer bis hin zum Techniker. "Es sind einfach viele Menschen, die da dranhängen." Um die eineinhalb Millionen sollen es laut jüngsten Schätzungen sein, die da in der Kunst- und Kulturbranche dranhängen, ergänzt er nachdenklich. "Ich glaube, dass das nochmal eine wichtige Phase ist, dass Menschen dafür ein Bewusstsein haben, dass die Leute, die auf der Bühne stehen und uns unterhalten, aber auch die, die alles Drumherum erst möglich machen, eine große Relevanz haben."

"Einen regelrechten Run erlebten 2020 dagegen meine Hundeschulen. Die Nachfrage im Zuge der Pandemie sprengte alles, was wir bisher kannten." Martin Rütter

Vom Tour-Abbruch abgesehen übrigens dürfte Rütter mit 2020 zufrieden sein. Zahlreiche Projekte von ihm wurden unter Wahrung aller Coronaregeln weiter produziert, nur ein nicht näher beschriebenes konnte gar nicht realisiert werden. "Einen regelrechten Run erlebten 2020 dagegen meine Hundeschulen. Die Nachfrage im Zuge der Pandemie sprengte alles, was wir bisher kannten." Die Arbeit, das scheint sicher, wird Rütter erstmal nicht ausgehen – bleibt nur die Frage, ob mehr die Hunde oder doch mehr die Menschen Bestandteil seines Wirkens sein werden. Oder beide.