Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass das deutsche Fernsehen mit Schauspieler Joseph Hannesschläger einen Publikumsliebling verlor. Am 27. Januar nahmen damals Kollegen, Freunde und Fans in München Abschied von dem Mann, der 19 Staffeln und fast 400 Folgen lang die ZDF-Vorabend-Serie "Die Rosenheim Cops" als Ermittler Korbinian Hofer prägte. Mit ihr spielte er sich in die Herzen der Krimifans, nicht aber in die des Feuilletons. Es gibt Crime-Serials, Kriminalfilme, die fast einer Milieustudie gleichen - und es gibt Serien wie "Die Rosenheim Cops". Gemein haben sie alle zumeist nur das Element der Ermittlung.

Alexander Ollig © Bavaria Film/Kay Blaschke "Rosenheim Cops"-Produzent Alexander Ollig
Dass "Die Rosenheim Cops" sich weder wie ein Hochglanz-Krimi anfühlen noch so aussehen, hat einfach zu erklärende Gründe. Seit Staffel vier, die 2005 Premiere feierte, bestand keine Saison aus weniger als 20 Folgen, teils umfassten die Staffeln sogar 30 Stück. "Langlaufende Serien bespielen heute einen kompletten Sendeplatz", sagt Alexander Ollig, der zunächst als Senderredakteur zuständig war und die Serie inzwischen bei der Bavaria Fiction als Produzent betreut, zu DWDL.de. Hatten Serien früher klassisch 13 Folgen, seien inzwischen um die 25 fast die Regel. "Die Folgenanzahl wird entsprechend bei der Entwicklung und Produktion berücksichtigt."

Joseph Hannesschläger © ZDF/Bojan Ritan Joseph Hannesschläger prägte die ZDF-Serie 19 Staffeln lang als Kommissar Hofer. Er starb im Januar 2020.

Bei der Produktion für die beschaulich-bayerisch gepolte Serie aus der ansprechenden Urlaubsregion kommt noch etwas hinzu. Da "Die Rosenheim Cops" im Sommer spielen und die Produktionszeit damit ziemlich eingeschränkt ist, drängt die Zeit bei den Dreharbeiten umso mehr. Die Bavaria Fiction dreht die Serie parallel mit mehreren Teams, ähnlich wie man es auch von Fernseh-Dailynovelas kennt. Paralleldrehs sind auch der Grund, warum die Zuschauer sich mit der Zeit an verschiedene Kommissars-Konstellationen gewöhnen mussten.

Dass Aushilfskommissare aus unterschiedlichen Städten auftauchen, liegt also auch daran, dass deren Szenen oftmals gleichzeitig zum eigentlichen Cast entstehen. So spielte Patrick Kalupa, der aktuell auch zum Ensemble der neuen "Alarm für Cobra 11"-Folgen gehört, in 18 Folgen der Staffeln 17 bis 19 den Ermittler Bach, der eigentlich vom Betrugsdezernat kommt. Katharina Abt war bis Staffel 19 in gut 20 Episoden als Ermittlerin aus Regensburg zu sehen. "Tatsächlich hatten wir schon 2007 neben dem Ermittlerduo Hofer und Satori weitere Kommissare in die Handlung eingeführt – seitdem haben bereits 17 Kommissare und Kommissarinnen bei den 'Rosenheim Cops' ermittelt", berichtet Ollig.

"Die Serie hat sich zum Ensemble-Erfolg entwickelt und hat die Alltagsgeschichten, die auch den Humor erzählen, akzentuierter etabliert." Alexander Ollig, Produzent der "Rosenheim Cops".

Vom Zuschauer werden die neuen Gesichter auch deshalb angenommen, weil trotz wechselnder Ermittler ein fester Grundstock an Charakteren vorhanden ist. Max Müller etwa, der seit der ersten Folge als Polizist Michi Mohr die Kommissare an die Hand nimmt und mit seinen gerne sehr ausschweifenden Erklärungen begrüßt. Oder Sekretärin Miriam Stockl, jene Frau, die den in der Serie inzwischen zum Kult gewordenen Spruch "Es gabat a Leich" prägte. "Die Serie hat sich zum Ensemble-Erfolg entwickelt und hat die Alltagsgeschichten, die auch den Humor erzählen, akzentuierter etabliert", sagt Ollig auf die nun 20 Staffeln blickend. Hochkomplexe Sachverhalte müssen zur Aufklärung der Tat nicht durchgekaut werden, stattdessen öffnen die Ermittlungen eben Tür und Tor für allerlei Herzliches unter den Hauptfiguren, geschrieben - mit Blick auf die Sendezeit - im Wissen, dass Nebenbei-Konsum zwischen Teller-Leer-Löffeln und Abwasch möglich sein muss. Irrelevanz in den Geschichten schwingt immer ein Stück weit mit, egal ob auf dem Revier gerade die Kaffeemaschine getauscht wurde oder die Regale der örtlichen Bäckerei vollkommen ausverkauft sind. Dass ausgerechnet die Jubiläums-Staffel erfolgreicher ist als jemals zuvor und kürzlich am Vorabend gar die Sechs-Millionen-Zuschauer-Marke fiel, dürfte für helle Freude sorgen.

Aller Lorbeeren ob des starken Interesses zum Trotz, bei genauem Hinsehen weist die Serie einige Schwächen auf. Berechtigt ist sicherlich Kritik an mittlerweile recht simpel gestalteten Szenenbildern und Handlungssträngen. Das Tempo, in dem Folge um Folge fertiggestellt werden muss, bedeutet auch, dass die Episoden sehr dialog-lastig geworden sind. Aufwändige Szenerien kommen kaum noch vor. "Für uns ist der Wiedererkennungswert wichtig und wir möchten daher einen für die Zuschauer stimmigen 'Look und Feel' über die Staffeln hinweg erzeugen", erklärt Ollig, genau dies spiegele sich innerhalb der Serie auch im Szenenaufbau wider.

Rosenheim Cops © ZDF / Christian A. Rieger Die heimlichen Stars: Max Müller als Polizist Michi Mohr und Marisa Burger als Sekretärin Miriam Stockl

Was möglich wäre, wenn die Produktion mehr Zeit hätte, lässt sich in den aufwändigeren Winterspecials erkennen, von denen die herstellende Firma inzwischen schon zwei Stück angefertigt hat. Ein drittes ist in Vorbereitung. Doch nicht nur die hohe Dialogdichte ist Fans handlungsreicherer Krimis ein Dorn im Auge, führt sie doch dazu, dass es mitunter arg gemütlich wird. Auch das Fehlen bekannter Rosenheimer Motive war vor einigen Jahren für kritische Schlagzeilen gut. Einige Tourismusverbände gingen damals sogar soweit, eine Umbenennung zu fordern. Letztlich ein Sturm im Wasserglas, dennoch: Zuletzt waren wieder mehr Außenaufnahmen aus der 63.000-Einwohner-Stadt zu sehen. "Rosenheim ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Serie, genauso wie der Bauernhof und die Landschaftsaufnahmen – die bayerische Atmosphäre macht die Serie besonders, daher drehen wir auch so viele Außenaufnahmen wie möglich", bestätigt Ollig. Zeitdruck herausgenommen und eine dauerhaft hohe Folgenanzahl ermöglicht hat sicherlich der Umstand, dass zahlreiche Motive inzwischen nicht mehr on Location umgesetzt werden, sondern auf dem Bavaria-Gelände als Studio-Nachbau zur Verfügung stehen.

Dazu zählt nicht nur der große Eingangsbereich des Polizeipräsidiums und die Büros mitsamt des Verhörraums, sondern auch das Set des Restaurants "Time Square", das früher noch in einer alten Brauerei im rund eineinhalb Autostunden entfernten Stegen am Ammersee zu finden war.

Wechselspiel der Figuren setzt sich fort

Allem Lächeln und mitunter auch belächelt werden zum Trotz, als gar altbacken möchten die Macher ihre Serie nicht verstanden wissen. Weiterentwicklung geschehe bei den "Rosenheim Cops" in "kleinen, manchmal kaum merklichen Schritten", immer mit dem Ziel, dass sich die Episoden "frisch und heutig" anfühlen. "Was wir da noch vorhaben, entwickelt sich in der Zusammenarbeit mit den Kollegen des ZDF und natürlich mit den Autoren und den Schauspielern." Konkretes über künftige Episoden und Staffeln wollte Ollig nicht verraten, klar aber ist, dass das Wechselspiel der Figuren noch in diesem Winter fortgesetzt wird. Ähnlich wie früher Joseph Hannesschläger, muss nun auch der neue Hauptermittler Anton Stadler (gespielt von Dieter Fischer) in der Handlung irgendwie in eine Absenz geschickt werden. Konkret geht er im Februar auf Reisen. Mit Schauspieler Baran Hêvî kommt dann für ein paar Folgen ein komplett neues und junges Gesicht als Vertretung; er spielt Kommissar Kilian Kaya. Und auch die von Marisa Burger gespielte Miriam Stöckl wird – wie es in der Serie so schön heißt – noch im Spätwinter für einige Folgen "aushäusig" sein.

Das rege Treiben, der anhaltende Erfolg bei gleichzeitig nicht ausbleibender Kritik, all dies bleibt auch in der Zeit nach der Ära Joseph Hannesschläger weiterhin Thema. Seinem Vermächtnis tut dies keinen Abbruch. Als derart prägender Kopf ist er auch heute noch gemeint, wenn Produzent Ollig strahlend alle Beteiligten erwähnt, um zu würdigen, dass eine Serienwelt geschaffen wurde, die Jung und Alt gleichermaßen anspreche. Da ist es zu verschmerzen, dass in Rosenheim noch so viele Leichen auftauchen können, ohne dass das Feuilleton je seine Liebe für die Ermittler aus Oberbayern entdeckt.