Die vergangenen Monate waren für Günther Dudek nervenaufreibend. Für gewöhnlich pilgert Dudek, der beim SWR Fernsehen eine Hauptabteilung mit dem schönen Namen "Land und Leute" leitet, zu Jahresbeginn von einer Fastnachtssitzung zur nächsten, um sich ein Bild davon zu machen, wie die Idealbesetzung des TV-Klassikers "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" aussehen könnte. Doch gewöhnlich ist diesmal rein gar nichts. "Mit der routinierten Planung, wie ich sie seit zwei Jahrzehnten kenne, hat die Show diesmal fast nichts zu tun", sagt Dudek im Gespräch mit DWDL.de. "Den Ablauf zu planen, ist unendlich schwieriger und kleinteiliger."

Eine große Live-Sendung mit schunkelnden Gästen? Undenkbar in Zeiten einer Pandemie. Und doch war eine Absage für Günther Dudek nur schwer vorstellbar, auch wenn die endgültige Entscheidung, das Projekt zu wagen, sofern es die Rahmenbedingungen erlauben, erst im November fiel. "Die fünfte Jahreszeit ist eigentlich nicht absagbar", betont der SWR-Mann. "Fastnacht ist Brauchtum und ein fester Bestandteil im kulturellen Leben. Für uns gehört Fastnacht einfach dazu."

Günther Dudek © SWR/privat Günther Dudek, Hauptabteilungsleiter Land und Leute des SWR Fernsehens
Gewünscht habe man sich das nicht, sagt Dudek und spricht von einem "Riesen-Respekt", die er vor der Aufgabe habe, Fastnachtsstimmung inmitten der Corona-Krise in die Wohnzimmer zu transferieren. "Bei einer Traditionssendung, die fast ritualisiert abläuft, muss man sich in dieser besonderen Situation wichtigen Bestandteilen verabschieden", erklärt er etwa mit Verweis auf das Publikum, das bei der Übertragung aus dem Kurfürstlichen Schloss in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt seit jeher eine wichtige Rolle spielt. "Wenn es gut läuft, kommt es zur Interaktion zwischen den Künstlern auf der Bühne und den Zuschauerinnen und Zuschauern im Saal. Das alles haben wir in diesem Jahr nicht."

Um diese fehlende Atmosphäre zu kompensieren, brauche es gute Ideen. Eine davon ist, so hofft Günther Dudek, der sogenannte "Narhallor", eine Art Anklatscher und Sparringspartner für den Sitzungspräsidenten, der sich einmischt und auch für den Applaus sorgen wird. Bei dem soll es sich um eingespielte Applausszenen aus Sitzungen der letzten fünf Jahrzehnte handeln. "Ich kann Ihnen versprechen, dass sogar Helmut Kohl und Norbert Blüm im Saal sein werden", sagt der SWR-Hauptabteilungsleiter mit einem Lachen. 

Die Leere des Saals auszublenden, werde dennoch "nur zum Teil gelingen", ist er sicher, auch wenn rund 100 Pappfiguren dafür sorgen sollen, dass sich das Innere des Schlosses zumindest ein wenig füllt. Dafür haben sich im Vorfeld der Sendung Mitglieder der vier Mainzer Fastnachtsvereine, die hinter der Show stehen, verkleidet ablichten lassen. Und auch die Mitwirkenden sollen im Saal Platz nehmen und ihren Vorträgen gegenseitig lauschen. Die Lieder kommen dagegen aus der Konserve und wurden in den vergangenen Wochen am frühen Sonntagmorgen unter freiem Himmel aufgezeichnet. Not macht in Zeiten wie diesen erfinderisch, auch bei der Fastnacht.

"Polka passt nicht zur Pandemie"

Doch nicht nur beim SWR muss in diesen Tagen völlig neu gedacht werden. Während die Düsseldorfer Sitzung ersatzlos gestrichen wurde, zieht es die Kölner Jecken bei der traditionell am Rosenmontag im Ersten ausgestrahlten Sitzung vom Gürzenich ins Tanzbrunnen-Theater. Die Deko besteht aus dem, "was vom Rosenmontagszug übrig blieb" – so lautet dann auch das Motto des Abends. Konfetti, Kamelle, Schilder und andere Requisiten, die sonst im Lager geblieben wären, können sich hier doch noch nützlich machen. Moderiert wird "Karneval in Köln" von Guido Cantz und vom Elferrat kommt nur Präsident Joachim Wüst, der als "besserwisserischer Sidekick" fungiert, wie der WDR es nennt. 

Die Bands sollen "eher ruhige Songs" zum Besten geben, denn "Polka passt nicht zur Pandemie", findet man im Sender. Auch die einige Tage zuvor im ZDF gezeigte Karnevalssitzung "Kölle Alaaf" kommt anders daher als sonst, nämlich ohne Tanzgruppen und mit einem auf sieben Personen dezimierten Elferrat. Auf das Verteilen von Orden werde ebenso verzichtet wie aufs Bützen, also das Küssen, ohne das der Karneval im Rheinland eigentlich kaum denkbar ist. "Die Interpreten sorgen dennoch für beste Stimmung und werden hierbei akustisch unterstützt, um die Atmosphäre einer richtigen Karnevalssitzung für die Zuschauer an den Bildschirmen zuhause zu garantieren", erklärt ein ZDF-Sprecher das Konzept, das auch vorsieht, alle Personen auf der Bühne auf Covid19 zu testen. 

Kölle Alaaf © ZDF/Frank Hempel Die Kölsche Band Klüngelkopp tritt in der ZDF-Show "Kölle Alaaf" vor leeren Rängen auf.

Und auch beim Bayerischen Rundfunk, wo die "Fastnacht in Franken" zu den alljährlichen Quoten-Hits gehört, ist nichts so wie es war. "Alles muss neu gedacht, erarbeitet und im gegenseitigen Austausch mit den Künstlern und unserem Partner, dem Fastnacht-Verband Franken, geplant werden", sagt Redakteur Rüdiger Baumann über die Aufzeichnung, die diesmal über gleich sechs Tage hinweg stattfand. "Nach der traurigen Erkenntnis, dass die beliebte Prunksitzung in Veitshöchheim diesmal nicht so wie in der Vergangenheit stattfinden kann, hat das Motto 'Jetzt erst recht', dem ganzen Team einen zusätzlichen Motivations- und Kreativitätsschub gegeben, um etwas Neues auf die Beine zu stellen", ergänzt Redaktionsleiter Norbert Küber und hofft, dass sich das Publikum mit einer "Mischung aus burleskem Kammerspiel und gewohnt witzigen Vorträgen, Musik und Tanz" trotzdem unterhalten fühlt. 

Inzwischen überwiegt auch bei Günther Dudek die Vorfreude auf "Mainz bleibt Mainz", das in diesem Jahr ohne den Zusatz "wie es singt und lacht" auskommen und als Aufzeichnung über die Bühne gehen wird. Doch der SWR-Verantwortliche bleibt realistisch. "Natürlich wird es auch Menschen geben, die sagen: Wie konntet ihr nur?", räumt er im Gespräch mit DWDL.de ein. "Ich kann auch sehr gut verstehen, wenn in diesen Zeiten vielen der Sinn nicht nach Fastnacht steht."

"Fastnacht in Franken", Freitag um 20:15 Uhr im BR Fernsehen
"Kölle Alaaf", 11. Februar um 20:15 Uhr im ZDF
"Mainz bleibt Mainz", 12. Februar um 20:15 Uhr im Ersten
"Karneval in Köln", 15. Februar um 20:15 Uhr im Ersten